Im Umfeld der agilen Software-Entwicklung wurden in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Praktiken entwickelt, die auch außerhalb der reinen Software-Entwicklung sinnvoll zur Anwendung kommen. Ein bekanntes Beispiel ist die Aufwandsabschätzung von den als User Storys formulierten Anforderungen mittels Planning Poker – einer spielerischen Form der Expertenschätzung, die der oft verhassten Aufgabe den Schrecken nimmt.

In diesem Artikel geht es um eine andere Praktik mit ebenfalls leicht spielerischem Charakter: das sogenannte Example Mapping. Dabei handelt es sich um eine Moderationstechnik, welche die Kommunikation im Team und damit die Klärung komplexer Anforderungen erleichtert. Kern der Technik sind Moderationskarten verschiedener Farben, die jeweils eine bestimmte Bedeutung haben. Dank klarer "Spielregeln" lassen sich Anforderungs-Workshops und Backlog-Refinement-Sitzungen deutlich zügiger und zielgerichteter durchführen.

Example Mapping sollte zum Standardrepertoire all derjenigen gehören, die im Projektverlauf vor der Aufgabe stehen, dem Team Details der Anforderungen oder User Storys nahe zu bringen. Üblicherweise sind dies Personen, welche die Rolle "Business Analyst" oder "Product Owner" ausfüllen. Auch die Projektleitung sowie Scrum Master kommen für die Moderation klärender Workshops in Frage und sollten die Methode daher beherrschen.

Komplexität auf Karten gebannt

Nach eigener Aussage wurde Example Mapping von Matt Wynne erfunden, um Workshops zur Klärung von Anforderungen zu strukturieren, zu straffen und dauerhaft interessant zu gestalten (Wynne 2015). Der Autor und Firmengründer hat sich unter anderem mit seinen Büchern zu Behavior-Driven Development (kurz: BDD) einen Namen gemacht (O’Reilly Media, Inc. 2023). Daher ist es nicht überraschend, dass Example Mapping üblicherweise mit BDD in Verbindung gebracht wird.

Example Mapping kommt in der Regel in Backlog-Refinement-Sitzungen oder im sogenannten 3 Amigos-Workshop zum Einsatz. Der 3 Amigos-Workshop gehört ebenfalls zu den agilen Praktiken, von denen jedes Projekt profitiert – unabhängig vom Vorgehensmodell. In diesem Workshop schauen sich Product Owner sowie Vertreter:innen von Entwicklung und Test gemeinsam die User Storys für den nächsten Sprint an. Einen vergleichbaren Workshop zur Klärung von Anforderungen gibt es auch im V-Modell. Hier sprechen die Rollen Business Analyst, Entwicklung und Qualitätssicherung gemeinsam die Anforderungen durch.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit beschränken wir uns im Weiteren auf den Begriff "User Story". Die geschildeten Sachverhalte treffen aber ebenso auf Anforderungen zu.

Im Vorfeld des Workshops

Bevor wir den Ablauf eines solchen Workshops anhand eines konkreten Fallbeispiels nachvollziehen, schauen wir zunächst auf die Voraussetzungen für den Einsatz des Example Mappings.

Man nehme:

• ein motiviertes Team,
• einige wenige User Storys oder Anforderungen, die geklärt werden sollen,
• Moderationskarten in gelb, blau, grün und rot sowie Stifte,
• einen Besprechungsraum mit Pinnwand oder großem Tisch.

Viele bevorzugen den Einsatz des Example Mappings im Rahmen von Präsenztreffen und mit echten Moderationskarten aus Karton. Die Methode lässt sich aber auch hervorragend online auf einem virtuellen Whiteboard einsetzen und ist somit vollständig pandemietauglich.