Die ideale Gruppengröße für einen Dialog beträgt zwischen 10 und 30 Teilnehmenden. In kleinen Gruppen ist die Vielfalt der Perspektiven oft zu gering, in großen Gruppen können sich nicht alle Teilnehmende aktiv am Prozess beteiligen.
Für einen erfolgreichen Dialog ist es unverzichtbar, dass alle Teilnehmenden den Unterschied zwischen Diskussion und Dialog verstehen, die Prinzipien des Dialogs verinnerlicht haben und sich bewusst sind, mit welchen Eigenschaften und Verhaltensweisen sie selbst als Teilnehmende den Dialog zum Leben erwecken.
Konvergente Diskussion und divergenter Dialog
Diskussion und Dialog sind zwei vollkommen unterschiedliche Gesprächsformen, mit denen eine Gruppe von Menschen sich über einen Sachverhalt austauschen kann. Die übliche Gesprächsform im geschäftlichen Kontext ist die Diskussion. Der Dialog ist in der Regel ein neues Element, das die Menschen in der Organisation erst erlernen müssen. Tabelle 1 zeigt die Unterschiede zwischen Diskussion und Dialog.
DISKUSSION
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DIALOG
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Sachfragen werden in ihre Teile zerlegt.
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Unter vielen Teilen wird das Ganze erkennbar.
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Die Unterschiede in den Teilen werden untersucht.
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Die Verbindungen zwischen den Teilen werden untersucht.
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Annahmen und Standpunkte werden gerechtfertigt
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Annahmen und Standpunkte werden hinterfragt.
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Die Teilnehmenden wollen andere überzeugen, überreden und ihre Position verkaufen.
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Die Teilnehmenden wollen durch Erkundung und Offenlegung von Ursachen und Zusammenhängen lernen.
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Ziel ist es, sich auf eine Bedeutung oder ein Ergebnis zu einigen
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Ziel ist es, eine gemeinsame Bedeutung zu erarbeiten.
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Tabelle 1: Unterschied Diskussion - Dialog
Diskussion und Dialog sind durch unterschiedliche Denkweisen geprägt. Die Diskussion ist durch konvergentes Denken geprägt. Es geht darum, das Gespräch auf ein Ergebnis einzuengen. Im Dialog geht es um eine offene Herangehensweise. Im Dialog werden durch divergentes Denken verschiedene Perspektiven eröffnet und damit die Blickwinkel der am Dialog Beteiligten erweitert. Bild 1 visualisiert diesen Unterschied.
Bild 1: Unterschied konvergierendes und divergierendes Denken
Prinzipien des Dialogs
Für einen Dialog gelten die folgenden Prinzipien:
- Gleichheit und Gemeinschaft: Alle Teilnehmenden sind gleichberechtigt und es gibt keine Hierarchie. Jede:r hat die gleiche Gelegenheit, zu sprechen und zuzuhören. Dies fördert eine Atmosphäre des Vertrauens und des Respekts.
- Haltung des Respekts: Respekt gegenüber den Beiträgen aller Teilnehmenden ist grundlegend. Jeder Beitrag wird als wertvoll betrachtet, auch wenn man nicht einverstanden ist.
- Suspendieren von Annahmen: Die Teilnehmenden werden ermutigt, ihre Annahmen, Urteile und Überzeugungen vorübergehend zu "suspendieren" und nicht sofort zu bewerten oder zu verteidigen. Mit "suspendieren" ist gemeint, dass die eigenen Überzeugungen gewissermaßen in der Schwebe gehalten werden. Sie werden nicht aufgegeben, aber bewusst und öffentlich gemacht, ohne sie durchzusetzen. Dies schafft Raum für ein offenes und unvoreingenommenes Zuhören.
- Achtsames Zuhören: Achtsames Zuhören ist zentral. Die Teilnehmenden sollen bewusst zuhören, ohne sofort zu reagieren oder zu unterbrechen. Dies ermöglicht ein tieferes Verständnis der Perspektiven und Gefühle der anderen.
- Verlangsamen des Gesprächs: Das Verlangsamen des Gesprächs hilft, um tiefer zu denken und gründlicher zuzuhören. Damit werden oberflächliche Reaktionen vermieden und tiefere Einsichten ermöglicht.
- Ko-kreatives Sprechen: Die Teilnehmenden sind eingeladen, sich auf ko-kreative Weise zu äußern, das heißt, sie bauen auf den Ideen und Beiträgen anderer auf, anstatt diese zu kritisieren oder abzulehnen.
- Reflexion und Integration: Reflexion ist ein wichtiger Bestandteil des Dialogs. Die Teilnehmenden sollen sich Zeit nehmen, um über das Gesagte nachzudenken und es in ihren eigenen Kontext zu integrieren. Dies fördert ein tieferes Verständnis und eine nachhaltige Veränderung.
- Fließender Dialog: Der Dialog sollte fließen und sich organisch entwickeln, ohne strenge Agenda oder vorgegebene Struktur. Das Ziel ist es, gemeinsam neue Einsichten und Bedeutungen zu entdecken.
Fähigkeiten und Eigenschaften der Teilnehmenden
Damit diese grundlegenden Eigenschaften des Dialogs zum Tragen kommen können, sollten die Teilnehmenden folgende Fähigkeiten bzw. Eigenschaften besitzen oder mit der Durchführung von Dialogen entwickeln:
- Aktives Zuhören: sich voll und ganz auf das Gesagte konzentrieren und den:die Sprecher:in verstehen, ohne sofort zu urteilen oder zu reagieren
- Empathie: sich in die Perspektive des:der Redenden hineinversetzen und seine:ihre Gefühle sowie Gedanken nachvollziehen
- Offenheit: Bereitschaft, die eigenen Vorurteile, Annahmen und Urteile vorübergehend zu suspendieren, um neue Perspektiven zuzulassen
- Selbstreflexion: erkennen und hinterfragen der eigenen Denkmuster und Überzeugungen
- Respekt und Wertschätzung: unabhängig von der Hierarchie oder Position des:der Sprechenden jede Meinung und jeden Beitrag respektieren und als wertvoll ansehen
- Klarheit und Präzision: Gedanken und Gefühle klar und präzise ausdrücken
- Ehrlichkeit und Authentizität: die eigenen Gedanken und Gefühle offen ausdrücken, ohne sich zu verstellen
- Gemeinsames Erforschen: Bereitschaft, gemeinsam neue Ideen und Einsichten zu erforschen und auf den Beiträgen anderer aufzubauen
- Kreativität und Offenheit für neue Ideen: Bereitschaft, sich auf neue und unkonventionelle Ideen sowie Lösungsansätze einzulassen
- Selbstbewusstsein: Wissen um die eigenen Emotionen und deren Einfluss auf das Gespräch
- Geduld: Bereitschaft, sich die nötige Zeit zu nehmen, um tiefere Einsichten zu gewinnen und komplexe Themen zu durchdringen
- Ausdauer: auch in langen und möglicherweise herausfordernden Dialogen engagiert bleiben
- Emotionale Kontrolle: Fähigkeit, eigene Emotionen zu regulieren und konstruktiv mit Frustrationen und Konflikten umzugehen
- Selbstdisziplin: nicht sofort reagieren und den Raum für Reflexion und tiefere Einsicht lassen
- Vertrauen: Zuversicht, dass die Gruppe durch den Dialog-Prozess wertvolle Einsichten und Lösungen gewinnen kann
- Mut: eigene Gedanken und Gefühle offen teilen, auch wenn sie unpopulär sind oder verletzlich machen
- Reflektierendes Denken: Nachdenken über das Gesagte und es in einen größeren Kontext setzen
- Integration: Die Fähigkeit, neue Einsichten und Erkenntnisse in das eigene Denken und Handeln zu integrieren
Diese Eigenschaften und Fähigkeiten sind deshalb so wichtig, weil Dialoge durch die Teilnehmenden entstehen, während Diskussionen geleitet und moderiert werden. Weder leitet der:die Dialogbegleiter:in das Gespräch noch führt er:sie die Gruppe zu einem Ergebnis. Vielmehr begleitet er:sie die Teilnehmenden und die Gruppe dabei, eigenverantwortlich und selbstorganisiert den Dialog entstehen zu lassen.
Schritt 1: Etablieren sie den Container für den Dialog!
David Isaacs (siehe Abschnitt "Herkunft") hat den Begriff des "Containers" für den Dialog geprägt. Dieser Begriff hat zwei Aspekte: Einmal wird darunter die Summe der gemeinsamen Annahmen, kollektiven Absichten und Überzeugungen einer Gruppe beschrieben. Zum anderen beschreibt er den Rahmen und die Regeln, in denen der Dialog stattfindet.
Der Container gibt den beteiligten Personen die nötige Sicherheit, sich mit ihren jeweiligen Perspektiven in das Gespräch einzubringen. Er gibt den Teilnehmenden den Halt, um auch entstehende Spannungen auszuhalten.
Im Folgenden beschreibe ich die grundlegenden Elemente des Containers. Im Abschnitt "Praxistipps" habe ich ergänzende und ausführlichere Informationen zu seiner Gestaltung zusammengestellt.
Geben Sie dem Dialog einen inhaltlichen Rahmen!
Für die Durchführung eines oder mehrerer Dialoge kann es unter anderem folgende Anlässe geben:
Bei diesen Anlässen sind Sie Moderator:in, Teamentwickler:in oder Coach. Wenn Sie dabei die Methode des Dialogs verwenden, werden Sie zum:zur Dialogbegleiter:in. In dieser Rolle stecken Sie den inhaltlichen Rahmen für den Dialog ab. Hierzu gehören die folgenden Elemente:
- Definieren Sie die Ziele des Dialogs, z.B. organisatorische Veränderungen bearbeiten, Teamzusammenarbeit verbessern, Spannungen im Team abbauen oder kreative Ideen entwickeln.
- Informieren Sie die Teilnehmenden über den Zweck und die Ziele des Dialogs, damit alle ein gemeinsames Verständnis haben. Beispiel: "Ich lade Euch zu einem Dialog ein, indem wir die durch die Geschäftsleitung kommunizierten Veränderungen besprechen und uns darüber austauschen, was dies für jede und jeden einzelnen aber auch für alle zusammen bedeutet".
- Definieren Sie die Hauptthemen oder Fragen, die im Dialog behandelt werden sollen. Diese sollten offen und weit gefasst sein, um tiefere Diskussionen zu ermöglichen. Beispiele für Fragen: Wie habe ich die Information aufgenommen? Was hat dies bei mir bewirkt? Wie habe ich die Reaktion meiner Kolleg:innen wahrgenommen? Welche ersten Schlussfolgerungen habe ich gezogen?
- Bereiten Sie Einstiegsfragen vor, die den Dialog eröffnen und das Nachdenken anregen. Beispiele: Was liegt mir für die Zeit, die wir hier miteinander verbringen, wirklich am Herzen?, Welche Annahmen bringen wir zu diesem Thema mit?, Welche Fragen sind für uns am wichtigsten?
Gestalten Sie die Infrastruktur des Containers!
Ein zentrales Element des Containers ist der Sitzkreis. Dieser hat folgende Funktionen:
- Der Sitzkreis fokussiert die gegenseitige Aufmerksamkeit.
- Der Sitzkreis repräsentiert einen hierarchiefreien Raum. Alle Im Kreis sind gleichberechtigt.
- Alle Teilnehmenden haben gegenseitig Blickkontakt und können sich damit gegenseitig wahr-nehmen.
Ein weiteres Element des Containers ist das Redesymbol, z.B. ein Stab, Ball oder Tuch. Wer das Redesymbol in den Händen hält, dem:der gehört das Wort. Dies bedeutet, er:sie hat Zeit seine:ihre Gedanken zu ordnen und diese zu äußern ohne Angst, unterbrochen zu werden. Das Redesymbol hilft, damit sich auch die äußern können, die rhetorisch nicht so geschickt sind. Die anderen Teilnehmenden können sich ganz auf das Zuhören konzentrieren, da sie wissen, dass sie sich das Redesymbol nehmen können, und damit ihren Beitrag einbringen können. Wählen Sie ein für die Gruppe und das Thema geeignetes Objekt als Redesymbol – grundsätzlich ist dafür jeder Gegenstand geeignet, der sich gut in der Hand halten lassen kann und der keine Verletzungsgefahr (z.B. scharfe Kanten) hat.
Bereiten Sie die Gruppe auf den Dialog vor!
Wenn die Gruppe bereits vertraut mit der Methode ist, dann können Sie diesen Schritt sehr kurz gestalten, indem Sie die wichtigsten Aspekte in Erinnerung rufen oder ihn sogar ganz entfallen lassen.
Wenn die Gruppe zum ersten Mal einen Dialog führt, sollten Sie die Teilnehmenden in die Methodik einführen. Hierfür kann eine Präsentation ausreichen, in der Sie die folgenden Themen erläutern oder durch eine länge Phase, in der Sie die Gruppe durch Übungen mit den verschiedenen Aspekten des Dialogs vertraut machen.
Mögliche Themen für die Einführung sind:
- Herkunft / Vorläufer des Dialogs (siehe Bild 3)
- Unterschied Diskussion – Dialog
- Elemente des Dialogs
- Sichtbarmachen von Annahmen und das Arbeiten mit Beurteilungen (Übung "Linke-Spalte", siehe Praxistipps)
- Unterscheidung von Beobachten und Bewerten (Übung "Leiter der Schlussfolgerungen", siehe Praxistipps)
- Durchführen von kurzen Dialogrunden mit anschließender Reflexion
Gestalten Sie diese Einführung passend zu den Bedürfnissen und Kenntnissen der Teilnehmenden. Berücksichtigen Sie ebenso die dafür benötigte Zeit und welcher zeitlicher Rahmen Ihnen insgesamt für die Durchführung des Dialogs zur Verfügung steht.