Fixtermin, Festpreis aber kein Lastenheft "Work-to-Budget" – den Leistungsumfang nach dem Kundennutzen steuern
Verbindlicher Fixtermin und Festpreis – aber keine ausreichende Spezifikation: Das ist für jeden Auftragnehmer ein Schreckensszenario. Matthias Eberspächer und Ralf Neubauer haben für diese immer wieder anzutreffende Situation in Software-Entwicklungsprojekten eine pragmatische Herangehensweise entwickelt, die sie "Work-to-Budget" nennen: Zusammen mit dem Auftraggeber identifizieren sie die zentralen Business-Ziele des Projekts und legen die Toleranzen für die Abnahmekriterien fest. Auf dieser Basis steuern sie den Leistungsumfang und maximieren – innerhalb des gesetzten Rahmens – den Kundennutzen. Wie dies funktioniert, schildern sie an einem Beispiel aus ihrer Praxiserfahrung.
Fixtermin, Festpreis aber kein Lastenheft "Work-to-Budget" – den Leistungsumfang nach dem Kundennutzen steuern
Verbindlicher Fixtermin und Festpreis – aber keine ausreichende Spezifikation: Das ist für jeden Auftragnehmer ein Schreckensszenario. Matthias Eberspächer und Ralf Neubauer haben für diese immer wieder anzutreffende Situation in Software-Entwicklungsprojekten eine pragmatische Herangehensweise entwickelt, die sie "Work-to-Budget" nennen: Zusammen mit dem Auftraggeber identifizieren sie die zentralen Business-Ziele des Projekts und legen die Toleranzen für die Abnahmekriterien fest. Auf dieser Basis steuern sie den Leistungsumfang und maximieren – innerhalb des gesetzten Rahmens – den Kundennutzen. Wie dies funktioniert, schildern sie an einem Beispiel aus ihrer Praxiserfahrung.
Ein häufig anzutreffendes Dilemma bei Software-Entwicklungsprojekten besteht darin, dass der Auftraggeber einerseits keine exakte Spezifikation vorlegen kann, andererseits aber das Projekt zum Festpreis durchführen will. Verschärfend kann ein verbindlicher Liefertermin hinzukommen, der aufgrund externer Randbedingungen unumstößlich feststeht.
In den letzten Jahren haben wir als Projektleiter von Software-Entwicklungsprojekten unterschiedlicher Größe im Automotive-Umfeld immer wieder nach neuen Ansätzen und Wegen gesucht, die Termin- und Budgettreue in unseren Projekten zu steigern und gleichzeitig den Kundennutzen zu erhöhen. Die Methoden und Werkzeuge, die wir in den von uns durchgeführten Projekten als Best Practices identifizierten, haben wir unter dem Schlagwort "Work-to-Budget" gesammelt und aufbereitet.
Alle unsere Work-to-Budget-Methoden und -Werkzeugen konzentrieren sich darauf, den Kundennutzen möglichst effizient zu realisieren. Hierzu müssen zum einen die zentralen Business-Ziele möglichst frühzeitig identifiziert werden. Zum anderen sind alle Tätigkeiten im Projekt konsequent auf diese Business-Ziele und somit auf die Wertschöpfung auszurichten. Insofern steht unser Ansatz in enger Verbindung zum "Value-Driven Project Management" von Kerzner (vgl. Angermeier, 2010), der Wertanalyse (Value Management, vgl. Mathoi, 2007) und der Business-Case-Orientierung der Projektmanagementmethode PRINCE2 (vgl. Rother, 2007).
In diesem Artikel stellen wir anhand eines Projektbeispiels vor, wie wir "Work-to-Budget" in der Praxis anwenden, und bewerten die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei diesem Projekt, das besonders große Herausforderungen hinsichtlich Termintreue und Budgeteinhaltung stellte.
Ein IT-Projektbeispiel
In unserem Projektbeispiel ging es um die Neu-Entwicklung eines zum Ausschreibungszeitpunkt nur sehr ungenau spezifizierten Datenbank-Frontends. Über dieses Frontend sollte eine bestehende Datenbank für das Supply-Chain-Management eines Automobilherstellers gepflegt und ausgewertet werden.
Für die Realisierung einer funktionsfähigen ersten Leistungsstufe blieben aufgrund eines wichtigen und nicht verschiebbaren Business-Termins (Start of Production einer neuen Produktlinie, die mit der neuen Anwendung begleitet werden sollte) nur drei Monate Zeit. Einerseits wünschte sich der Kunde einen Werkvertrag, um uns als Lieferanten bei der Einhaltung des Zieltermins und des Budgets verbindlich in die Pflicht nehmen zu können, andererseits waren die Anforderungen an das System lediglich durch eine handgezeichnete Architekturskizze festgelegt, bestehend aus den Datenbankservern, dem Webserver der neuen Anwendung sowie den wichtigsten Schnittstellen des Systems. Eine seriöse Bottom-Up-Schätzung des Aufwands war damit nicht möglich.
Das konventionelle Vorgehen
Um eine Aufwandsschätzung nach traditionellem Vorgehen für die Umsetzung liefern zu können, muss zunächst mit dem Kunden ein Lastenheft erstellt werden. Dieses Lastenheft beschreibt unter anderem die Business-Ziele, also das "was" und "wofür". Auf dieser Basis wird im nächsten Schritt ein Pflichtenheft erstellt, welches das "wie" und "womit" definiert. Diese Konzepte schränken den möglichen Lösungsraum für die konkrete Lösung ein, mit welcher die Business-Ziele erreicht werden sollen. Der potenzielle Auftragnehmer könnte diese Lösung dann im Rahmen eines Werkvertrags dem Auftraggeber zum Festpreis anbieten.
In unserem Beispielprojekt wäre der vom Kunden benötigte Zieltermin längst verstrichen gewesen, bis wir mit dieser Vorgehensweise die für einen Vertrag erforderlichen Dokumente produziert hätten. Für uns stellte sich also die Frage, wie wir ohne diese für ein konventionelles Vorgehen notwendigen Vorarbeiten schnell und unkompliziert zu einem Werkvertrag kämen, um mit der eigentlichen Wertschöpfung starten zu können.
Unser Weg zum Work-to-Budget-Vertrag
Um diesen Konflikt zu lösen, machten wir uns zunächst bewusst, worin die eigentliche Kern-Leistung des Projekts bestehen sollte. Unserem Kunden ging es ja nicht um das IT-System an und für sich, sondern darum, mit dem Einsatz dieses IT-Systems bestimmte Business-Ziele zu erreichen. Die eigentliche Leistung, die wir zusagen mussten, war somit die adäquate Unterstützung dieser Business-Ziele durch ein noch nicht näher definiertes IT-System.
Um ein klares Bild auf diese Ziele zu erhalten, führten wir mit unserem Kunden einen halbtägigen Workshop durch. In diesem sammelten wir gemeinsam alle Business-Ziele, die er mit dem IT-System (als gedachte "Black Box") verfolgt. Durch Brainstorming erhielten wir so eine flache, ungeordnete und nicht priorisierte Liste von Zielen, die wir in Excel dokumentierten. Anschließend reduzierten wir diese Ziele schrittweise auf die zentralen Business-Ziele. Bei der Identifikation dieser Kernziele hinterfragten wir jedes Ziel aus der Excel-Liste: Erreicht das Projekt noch den vom Auftraggeber gewünschten Effekt, wenn dieses Ziel nicht vom Projekt verfolgt wird? Die so gestrichenen Ziele (wie z.B. Rollenkonzept und nicht funktionale Anforderungen) wurden für die spätere Projektdurchführung dokumentiert. Die verbliebenen Kern-Businessziele priorisierten wir gemäß ihrem Beitrag zur Wertschöpfung, indem wir die einzelnen Ziele solange paarweise gegeneinander bewerteten, bis die endgültige Prioritätsreihenfolge feststand.
Tabelle 1 zeigt die auf diese Weise priorisierten Kern-Businessziele und -Anforderungen.
Ziel-Nr. | Ziel |
---|---|
rainwebs
21.03.2012
Maier HH
21.03.2012
Walter Plagge
21.03.2012
Matthias Eberspächer
22.03.2012
Claus Thaler
23.03.2012
Peter Martin
23.03.2012
Matthias Eberspächer
23.03.2012
Manfred Damsch
28.03.2012
Maximaler Nutzen in vorgegebener Zeit und vorgegebenem Budget
04.12.2019
Ich bin erst jetzt über das Spotlight auf den Artikel gestoßen. Ein analoges Verfahren benutze ich schon seit langer Zeit und habe dabei eher den Begriff aus der Baubranche "design2cost" benutzt. Das haben meine Kunden bisher immer gut verstanden.
Das ureigentliche Problem beim "Aufs-Budget-Passendmachen" ist doch der Mensch, der bei Verzicht oder Weglassen sofort Verlustängste hat.
Hier empfehle ich eine sehr transparente Methode, die quasi einem Puzzle entspricht, wo man auf eine gegebene Grundfläche (Budget/Termin) die Features "Bauklötze" mit einer eigenen Grundfläche "Kosten" und einer Höhe "Nutzen" verteilt. Das Ziel des "Spiels" ist es das maximale Volumen "Outcome" zu erzeugen.
Details gibts hier im projektmagazin: https://www.projektmagazin.de/artikel/agile-festpreisprojekte-der-praxi… (Teil 1) und https://www.projektmagazin.de/artikel/agile-festpreisprojekte-der-praxi… (Teil 2)
Bei meinen Projekten klappt das erstaunlich gut bei unterschiedlichsten Brachen und Auftraggebern. Auch den "klassisch denkenden".
Würde mich freuen, von den Autoren hierzu mal Feedback zu bekommen.
Viele Grüße
Tassilo Kubitz
Hallo Herr Kubitz, vielen…
11.12.2019
Hallo Herr Kubitz,
vielen Dank für Ihren Kommentar, es freut uns natürlich, dass das Thema auch nach einigen Jahren noch so aktuell ist.
In 2012, als wir diesen Artikel geschrieben haben, war der "agile Festpreis" noch nicht viel mehr als ein Schlagwort, deshalb spielt er auch in unserem Artikel keine Rolle.
Unter "design-to-cost", bzw. "design-to-budget" haben wir damals verstanden, dass ein Kunde aus einer Anzahl von Features nur die auswählen kann, die er sich leisten kann. Die anderen entfallen ersatzlos. Dagegen verspricht unser Vorgehen die Umsetzung aller Features, aber in verhandelbarer Ausprägung/Qualität.
Den interessierten Lesern empfehle ich auf jeden Fall die Lektüre ihres Artikels!
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