Die Collective-Mind-Methode "Weiche Faktoren" im Projekt bewusst gestalten
Die Collective-Mind-Methode "Weiche Faktoren" im Projekt bewusst gestalten
Im ersten Teil dieser Artikelfolge stellten wir eine Systematik vor, um die Persönlichkeit der Projektbeteiligten, aber auch den Charakter der Aufgabenstellung im Projekt sowie die Kultur der Organisation anhand des Indikators "Temperament" zu typisieren. Der Projektleiter erhält damit ein Modell, das ihn u.a. dabei unterstützt, die Kommunikationsweise der Beteiligten nachzuvollziehen.
Dieser zweite Teil erklärt, wie man das mit Hilfe der Typisierung erworbene Wissen nutzen kann, um die Kommunikation und den Wissensaustausch im Projekt zu verbessern. Dazu stellen wir das Werkzeug "Collective Mind" vor, das für eine Vermittlung zwischen den einzelnen Projektmitarbeitern mit ihren unterschiedlichen Denkweisen und Kommunikationsstilen sorgt.
Ausgangspunkt soll hier das in Teil 1 ausgeführte Beispiel sein, bei dem ein IT-System zur Bildarchivierung für die Forschungsabteilung eines fiktiven Pharmaunternehmens entwickelt werden soll. Da es im Team nicht gelingt, ein einheitliches Verständnis hinsichtlich der Anforderungen an das System zu entwickeln, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass das Projekt ein für die Anwender brauchbares Produkt liefert.
Bild 1 zeigt nochmals das Ergebnis der im ersten Teil detailliert beschriebenen Typisierung anhand der Myers-Briggs Typindikatoren (MBTI). Erkennbar ist eine deutliche Abweichung zwischen dem Aufgabentyp, aus dem sich der Managementstil (ESTJ) ableitet und dem Temperament der Forschungsabteilung (ENTP).
Analyse der Ausgangskonstellation und Lösungsansatz
Wie kann eine Konstellation gefunden werden, um das Projekt doch noch erfolgreich durchzuführen? Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst das Ergebnis der Typisierung analysiert. Folgende Schlüsse lassen sich ziehen:
- Der Projektleiter Heiner Priesberg (ISTJ) bringt die geeigneten Voraussetzungen mit, um das Projekt umzusetzen, vorausgesetzt, die Anforderungen wurden richtig formuliert und verstanden. Sein persönliches Temperament und das noch immer als "Hintergrundfeld" wirkende Temperament seiner ehemaligen Abteilung (ISTJ) stimmt in den Dimensionen STJ überein.
- In der gegebenen Konstellation sind technisch tragfähige Lösungen zu erwarten, denn das Temperament von Herrn Priesberg stimmt mit der Arbeitsweise des externen Mitarbeiters, Markus Meier (ISTJ), überein.
- Der Wunsch nach einer einfach zu bedienenden Software, den Fred Kraushaar als Anwendervertreter (ENTP) einbringt, ist ernst zu nehmen. Die Software muss deshalb so einfach wie möglich zu bedienen sein. Schließlich soll sie von 300 Personen benutzt werden, die einen schnellen und vielfältigen Arbeitsstil gewohnt sind, wie das "Temperament" der Forschungsabteilung (ENTP) zeigt, das auch dem persönlichen Temperament von Fred Kraushaar entspricht.
Der zuletzt genannte Punkt weist darauf hin, welcher Ansatz das Projekt zum Erfolg führen kann: Die Botschaft, dass eine einfach zu bedienenden Software gefordert ist, muss Fred Kraushaar in eine für Heiner Priesberg nachvollziehbare Sprache transformieren. Das bedeutet:
Die Kommunikation zwischen Heiner Priesberg und Fred Kraushaar muss stabilisiert werden. Der Schlüssel dazu sind deren Temperamente.
- Zunächst ist es erforderlich, das ENTP-Temperament der Forschungsorganisation abzuschirmen, da es im Gegensatz zum ESTJ-Managementstil steht. Wie das gelingt, lesen Sie im nachfolgenden Abschnitt.
- Zusätzlich muss der Gegensatz des ENTP-Temperaments von Fred Kraushaar und des ISTJ-Temperaments von Heiner Priesberg aufgelöst werden, indem deren Temperamente mit deren Rollen in Einklang gebracht werden: Heiner Priesberg übernimmt als Projektleiter das Management der Aufgaben unter Einbeziehung der Nutzeranforderungen, die Fred Kraushaar erarbeitet. Letzterer bewirbt das Projekt und das fertige System bei den Benutzern in seiner Abteilung. Da sein Temperament mit dem Temperament der Abteilung übereinstimmt, wird das auf keine größeren Probleme stoßen. Damit erhält das Projekt durch Hr. Kraushaar die Dimension "extravertiert" (E) und durch Hr. Priesberg die Dimensionen "faktenorientiert" (S) und "ergebnisorientiert" (J). Die Dimension "analytisch" (T) ist durch beide gegeben.
- Und schließlich wird zur Steuerung der Kommunikation zwischen den beiden Kollegen ein Coach hinzugezogen, der zwischen beiden "übersetzen" kann.
Angesichts der skizzierten Situation im Projekt mögen die genannten Maßnahmen zwar aus der Distanz betrachtet offensichtlich erscheinen. Im dicht gedrängten Arbeitsalltag, wenn der Projektleiter sich "mitten im Geschehen" befindet, ist er jedoch meist froh, überhaupt ein Projektbudget genehmigt zu bekommen und einen Anbieter gefunden zu haben, der eine technisch saubere Lösung liefern wird, die auch im Rahmen von Zeit und Kosten liegt. Die Konzentration liegt dann meist ganz auf den Hard Skills.
Im Beispiel wäre das jedoch fatal: Die Forschungsabteilung würde aufgrund ihres Temperaments schnell das Interesse an dem "langweiligen" Projekt verlieren und sich zurückziehen. Beim Projektleiter kann das den Eindruck erwecken bzw. verstärken, es liege ja gar kein Problem vor. Er wird das Projekt in der gewohnten Weise weiterführen, so dass die Beteiligten letztendlich mit einer für sie nutzlosen Lösung dastehen.
gh
04.08.2011
Dr. Jörg Seidl
13.06.2018