Zwischenmenschliche Kommunikation – (k)ein Thema im Projektmanagement?
Zwischenmenschliche Kommunikation – (k)ein Thema im Projektmanagement?
Ein ganz normales Meeting
Wieder einmal Montag. Kurz vor halb 9. Frank Schenk, der Projektleiter, erscheint gut gelaunt im Besprechungsraum, um seine Vorbereitungen zu treffen: Flipchart mit Agenda aufhängen, daneben die Liste der offenen Punkte aus dem letzten Meeting. Laptop und Beamer aufbauen, um den Entwurf für eine Präsentation vor dem Lenkungsausschuss vorzustellen.
Der heutige Tag ist wichtig: Auf dem allwöchentlichen Statusmeeting des Projekts "Amadeus", mit dem der mittelständische Maschinenbauer Mühlheimer GmbH eine neue, innovative Produktschiene aufbauen will, soll ein scheinbar nicht lösbarer Widerspruch zwischen Marketing-Anforderungen und konstruktiven Möglichkeiten thematisiert werden. Die neuen Lösungsansätze, die das Konstruktionsteam in der vergangenen Woche erarbeitet und präsentiert hat, mögen ein Schritt in die richtige Richtung sein, doch sie reichen nicht aus.
Michaela Kreisler, leitende Entwicklungsingenieurin und für die Koordination des Konstruktionsteams verantwortlich, erscheint kurz vor 9. Mit ihr drei Teamleiterinnen und -leiter, zuständig für die Auskonstruktion verschiedener Maschinenteile. Frank Schenk begrüßt die vier mit einem kurzen Lächeln und einem knappen "Guten Morgen", weiterhin mit der Verbindung von Beamer und Laptop beschäftigt, die nicht auf Anhieb funktioniert. Als Nächste betreten Paul Bauer und Sergio Felippi den Raum. Paul Bauer ist für die produktionstechnische Umsetzung der Projektergebnisse verantwortlich, Sergio Felippi vertritt das Marketing. Auch sie werden von Frank Schenk begrüßt - mit Handschlag. Dann der Satz von Sergio Felippi, flaspsig und laut genug, um von allen gehört zu werden: "Na, ich bin ja mal gespannt, ob unser Konstruktionsteam diese Woche seine Hausaufgaben gemacht hat!". Paul Bauer und Frank Schenk lachen gekünstelt. Michaela Kreisler, mit ihrem Team etwas abseits stehend, kommentiert die Aussage mit verärgertem Gesichtsausdruck. "Herr Felippi, Luftschlösser entwerfen kann jeder, sie zu bauen ist eine ganz andere Geschichte. Kommen Sie erst mal wieder auf den Boden der Tatsachen!". Sergio Felippi läuft rot an. Die Atmosphäre ist zum Zerreißen gespannt.
Ein ganz normales Meeting, nicht wahr? Wie in jedem Projekt gibt es unterschiedliche Interessen, die in Konflikt miteinander stehen können. Man sucht Rückhalt, um seine Interessen durchsetzen zu können und tritt dabei seinen "Gegnern" auf die Füße. Missverständnisse tun ihren Teil dazu, dass die Stimmung angespannt bis explosiv wird, man ist mehr mit seinen Emotionen beschäftigt als mit der fachlichen Arbeit.
Wie wir Nachrichten erfassen
Das Beispiel zeigt, wie schnell in der Kommunikation etwas schief laufen kann. Wir können daraus aber auch ableiten, wie man vorhandene Kommunikationsprobleme aufarbeiten und auflösen kann. Lassen Sie uns dazu den Vorgang etwas näher beleuchten.
Ohne dass wir uns dessen bewusst werden, nehmen wir eine Nachricht in drei Schritten auf:
1. Wahrnehmen
Zunächst nehmen wir mit unseren Sinnen wahr, was auf uns zukommt. Im geschilderten Beispiel nimmt Michaela Kreisler die Bemerkung Sergio Felippis wahr.
Die Wahrnehmung beschränkt sich dabei nicht auf den Inhalt der gesprochenen Worte. Die Sprache selbst sagt uns noch wesentlich mehr: Auch Tonfall, Stimmlage und Sprechgeschwindigkeit sind Kanäle zwischen Empfänger und Sender. So hat Frau Kreisler durchaus wahrgenommen, WIE Frank Schenk sie begrüßt hat und WIE er anschließend auf Sergio Felippi zugegangen ist.
Auch Gestik, Mimik und Körpersprache versorgen unser Gegenüber mit Informationen, ebenso wie "Ausstattung" mit Kleidung, Auto, Frisur oder Solariumsbräune. Und nicht zuletzt spricht die Art und Weise, WIE wir etwas tun, im wahrsten Sinne des Wortes für sich.
Da wir den permanenten Strom von Eindrücken und Informationen, die auf uns einstürmen, nicht komplett verarbeiten können, treffen wir eine Auswahl. Wir nehmen also nie das "objektiv komplette Bild" wahr, sondern immer nur einen Ausschnitt.
Michael Schenkel
16.03.2016