Stimmungsmanagement in Krisenprojekten
Stimmungsmanagement in Krisenprojekten
Um in Krisenprojekten den Turnaround zu schaffen, ist ein bewusster und zielgerichteter Umgang mit Emotionen unerlässlich. Dazu gehört die systematische Erfassung von Stimmungen ebenso wie Maßnahmen des Toxin Handlings und die Einführung von Ritualen. Im ersten Teil dieses Beitrags habe ich gezeigt, wie man Stimmungen in Projekten erfassen und sichtbar machen kann. In Teil 2 stelle ich Maßnahmen des aktiven Stimmungsmanagements vor. Im Folgenden erfahren Sie, wie sich destruktive Gefühle auflösen lassen und wie es gelingt, ein positives Projektklima herzustellen.
Toxin Handling: Negative Stimmungen auflösen
Eine wichtige Säule des Stimmungsmanagements ist der konstruktive Umgang mit negativen Gefühlen. Der Turnaround-Manager muss "toxische" Emotionen im Projekt identifizieren, ihre Ursachen aufspüren und beheben. Damit übernimmt er bewusst die Rolle des "toxin handlers" (Frost 2003): Er hilft anderen, negative Gefühle abzubauen bzw. damit umzugehen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es zwei Strategien: die Umwandlung destruktiver Emotionen und die Behebung ihrer Ursachen.
Destruktive Emotionen umwandeln
Negative Emotionen im Berufsleben sind - wie in allen anderen Lebensbereichen auch - unvermeidlich. Ihre Ursachen können sehr unterschiedlich sein. Negative Emotionen an sich sind nicht das Problem. Schwierig wird es erst, wenn man mit ihnen nicht angemessen umgehen kann. Im privaten Bereich verfügen wir in der Regel über Bewältigungsstrategien oder können auf professionelle Hilfe zurückgreifen, wenn wir mit Gefühlen wie Trauer oder Angst alleine nicht mehr zurecht kommen.
In Unternehmen wird dagegen nur selten überlegt, wie sich negative Emotionen und Stimmungen (auch strukturell) bewältigen oder mildern lassen. Dabei können schon kleine Maßnahmen helfen. Um destruktive Emotionen in positives Befinden umzuwandeln, haben sich die folgenden Interventionen bewährt.
Freiräume schaffen
Gerade in Zeiten hoher Belastung ist es wichtig, den Projektmitarbeitern die Möglichkeit zu geben, in definierten Freiräumen neue Kraft zu schöpfen und emotionalen Stress abzubauen. Solche Freiräume können z.B. regelmäßige Frühstücksrunden oder gemeinsame Pausen beim Tischfußball sein. Als besonders wirkungsvoll erleben wir in unseren Projekten sportliche Unterbrechungen: eine Runde joggen, ein kurzes Volleyballmatch, ein ambitionierter Spaziergang, ein paar Frisbeewürfe usw.
Der Turnaround-Manager kann z.B. während eines Meetings vorschlagen, für die Besprechung eines konkreten Problems 90 Minuten zu reservieren. Davon sollen 60 Minuten mit einem gemeinsamen Spaziergang und 30 Minuten mit einer strukturierten Gruppendiskussion verbracht werden. Sind alle einverstanden, verschickt der Turnaround-Manager offizielle Einladungen per E-Mail. Der Spaziergang hilft den Mitarbeitern, den Kopf frei zu bekommen, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen und sich ungezwungen auszutauschen. Direkt anschließend werden im gewohnten Meetingrahmen 30 Minuten lang Lösungsvorschläge gesammelt und bewertet.
Wichtig ist, solche Freiräume in die organisatorischen Gepflogenheiten des Unternehmens einzubinden. Einfach zu sagen "Geht doch mal zusammen spazieren!" führt in der Regel zu keinen Ergebnissen. Freiräume durchbrechen den Alltag, doch sie erfordern einen bestimmten Rahmen und Verbindlichkeit. Wenn es in einem Unternehmen üblich ist, Termine im Outlook-Kalender einzutragen, sollte man das auch für Frühstücksrunden und gemeinsame Joggingtermine übernehmen.
Reframing einüben
Eine der wirkungsvollsten Techniken, um destruktive Gefühle zu transformieren, ist das aus dem neurolinguistischen Programmieren bekannte Reframing. Dabei verändert man die eigene Sicht auf die Dinge, indem man eine Situation oder ein Ereignis aus dem Kontext herauslöst. So gewinnt man ein anderes Gefühl dazu: Wut kann verrauchen oder Resignation in Kampfgeist umschlagen. Ärgert man sich z.B. über den Auftraggeber oder Vorgesetzten, hilft es, sich in dessen Lage zu versetzen und die Situation aus dessen Sicht zu beurteilen. In schwierigen Situationen kann man auch gedanklich die Zeit um ein Jahr nach vorne drehen und sich fragen: Wie würde man die aktuelle Lage mit diesem zeitlichen Abstand einschätzen?
Reframing wird meist auf der Individualebene angewandt, es eignet sich aber auch für die Arbeit mit Projektteams. Um als Bewältigungsstrategie für emotional belastende Situationen verankert zu werden, muss der Turnaround-Manager die Technik mit dem einzelnen Mitarbeiter bzw. dem Team einüben. Das funktioniert durch ständige Wiederholungen des Perspektivenwechsels in Einzelgesprächen oder Gruppenveranstaltungen. Wenn ein Team z.B. stark an der Vergangenheit hängt - also immer wieder darüber nachdenkt, was schiefgelaufen ist oder wer an der Projektmisere schuld ist - kann ein Reframing dazu beitragen, die blockierenden Emotionen zu lösen und den Blick nach vorne zu richten. Ein bewährtes Hilfsmittel ist unserer Erfahrung nach der Satz "We are where we are but here we go!" Es hilft den Beteiligten, neue Zuversicht aufzubauen, wenn der Turnaround-Manager dieses Motto beständig wiederholt - stets im gleichen Wortlaut und zur gleichen Zeit (z.B. als Folie am Ende jedes wöchentlichen Teammeetings) und ggf. mit einem einprägsamen Bild unterlegt.
Paradoxe Interventionen einsetzen
Unerwünschtem oder problematischem Verhalten kann man begegnen, indem man es bestärkt. Neigt z.B. ein Projektleiter dazu, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwanghaft zu kontrollieren und jeden Freiraum zu beschneiden, kann der Turnaround-Manager ihm das zur Vorschrift machen - der Projektleiter wird sich dabei sehr schnell "komisch" vorkommen und von seinem Verhalten abrücken.
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