Stimmungsmanagement in Krisenprojekten
Stimmungsmanagement in Krisenprojekten
Emotionen gehören nicht gerade zum klassischen Themenkatalog des Projektmanagements. Als Angelegenheiten des Herzens werden Gefühle gern dem Reich des Privaten zugeschlagen und aus der Welt der Pläne und Prozesse, Fakten und Kalküle verbannt. Doch wer meint, Emotionen in Projekten einfach ausblenden oder als unerwünschten Störfaktor abtun zu können, sitzt einem fatalen Irrtum auf. Als soziale Gebilde besitzen Projekte unweigerlich eine emotionale Dimension, die den Verlauf und Erfolg von Projekten wesentlich beeinflusst. Deshalb ist im Projektmanagement eine konsequente und systematische Einblendung der emotionalen Ebene notwendig.
Einen besonders guten Ansatzpunkt dafür bieten Projekte, die in eine Krise geraten sind. Hier wird die emotionale Ebene - meist in Form destruktiver Stimmung - für alle offenbar. Wer in einem gefährdeten Projekt das Ruder herumreißen will, muss zuallererst den emotionalen Turnaround schaffen und das Projekt aus seiner Stimmungskrise holen. Wie ein solches Stimmungsmanagement in Krisenprojekten konkret aussehen kann, möchte ich Ihnen im Folgenden zeigen. Angesprochen sind Personen, die in verantwortlicher Position mit krisenhaften Projekten zu tun haben: Projektleiter, Projektmanager, Auftraggeber und Mitglieder der Geschäftsleitung. Sie erhalten einen Einblick in die emotionale Dimension der Projektsanierung und lernen Methoden der Stimmungserfassung und des Stimmungsmanagements kennen.
In Teil 1 dieses Beitrags werden Methoden der Stimmungserfassung vorgestellt, mit denen man die Atmosphäre in Projekten sichtbar machen kann. Teil 2 zeigt Wege auf, um negative Stimmungen zu lösen und - mit Hilfe in den Projektalltag integrierter Rituale - ein positives Klima aufzubauen.
"Hier brennt die Luft": Emotionale Klimata in Krisenprojekten
Die Atmosphäre in kriselnden Projekten ist meist von negativen Emotionen bestimmt - allen voran Angst und Besorgnis, gefolgt von Enttäuschung und Resignation oder Ärger und Aggressionen. Dadurch ändern sich auch die zwischenmenschlichen Beziehungen im Projekt: Vorgesetzte verstärken ihr Kontrollverhalten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ziehen sich zurück, Projektbeteiligte begegnen einander mit Misstrauen, die Kommunikation bricht ab oder wird im Ton rauer usw.
Auch die Haltung gegenüber Arbeitsanforderungen und vorhandenen Problemen wird von der negativen Stimmung geprägt. Die Teammitglieder trauen sich nichts mehr zu, die Frustrationstoleranz ist auf den Nullpunkt gesunken und selbst "normale" Anforderungen werden als belastende Hürden empfunden. Stimmung, Motivation und Verhalten der Beteiligten stehen in Wechselwirkung zueinander, so dass einer Abwärtsspirale Tür und Tor geöffnet sind.
Bevor die Stimmung in einem Projekt allerdings ins Destruktive umschlägt, kündigen Verschiebungen im emotionalen Gefüge des Teams krisenhafte Entwicklungen an. Typische Symptome dafür sind z.B. schwindendes Vertrauen in die Projektleitung, Verlust an Arbeitsfreude oder eine Zunahme von Gefühlen der Hilflosigkeit. Ablesen lassen sich solche Entwicklungen an "schwachen Signalen" (siehe "Krisen in IT-Projekten: Früherkennung und Analyse", Projekt Magazin 3/2008). Ein präziseres Bild - und damit gezielte Interventionsmöglichkeiten - gewinnt man aber, wenn man das Projektklima systematisch erfasst und beobachtet.
Die Stimmung in einem Projekt ist ein wichtiger Indikator bei der Früherkennung von Fehlentwicklungen. Damit ist ein zusätzliches, von anderen Instrumenten, wie z. B. Projektaudits, unabhängiges Diagnosewerkzeug gegeben. Krisen brechen nur selten plötzlich herein, sondern entstehen fast immer über einen längeren Zeitraum. Daher ist es auch schwierig, einen exakten Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem ein Projekt tatsächlich in der "Krise" steckt.
Die Krise als gefühlte Größe
Krisenhafte Verläufe werden üblicherweise an bestimmten Kennzahlen wie Zeit- und Budgetüberschreitungen festgemacht. Doch letztlich ist die "Krise" eine gefühlte Größe. Der Zeitpunkt, an dem sie manifest wird, ist durch die Wahrnehmung und das Empfinden der Beteiligten bestimmt. Ein Projekt kann an "objektiven" Kriterien gemessen längst im roten Bereich sein. Die Krise ist aber erst dann wirklich "da", wenn die Beteiligten die Projektsituation als krisenhaft erleben - und dies auch eingestehen. Das mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, hat aber praktische Relevanz, wenn man ein Projekt sanieren will. Denn erst wenn die Möglichkeit des Scheiterns als "real" erlebt wird, wächst der Wille zum Wandel und die Bereitschaft zu handeln.
Erfahrungsgemäß geschieht dies zu einem sehr späten Zeitpunkt, weil krisenhafte Entwicklungen häufig verschleppt werden. Oft spielen dabei Versagensängste und persönliche Machtinteressen der Beteiligten eine Rolle. Ebenso häufig findet man Formen des "escalating commitment". In diesen Fällen halten die Beteiligten zwanghaft an einem Vorhaben fest, weil sie schon so viel Zeit, Geld und Emotionen darin investiert haben. Anstatt die Notbremse zu ziehen, reagieren sie mit noch mehr Investitionen auf Misserfolge. Die Lage spitzt sich dadurch immer weiter zu und ein Umlenken wird immer schwieriger.
Umgekehrt gibt es auch Projekte, in denen die Stimmung zerrüttet ist, obwohl "objektiv" alles nach Plan läuft. Dennoch ist "subjektiv" eine Krisensituation gegeben, die bearbeitet werden muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die "subjektive" zu einer "objektiven" Krise auswächst.