Führung im internationalen Projektteam So lösen Sie interkulturelle Konflikte
Missverständnisse oder sogar Konflikte entstehen leicht, wenn Teammitglieder aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Häufig sind gegenläufige Wertvorstellungen die Ursache. Silke Weigang beschreibt mit der Werte-Pyramide eine von ihr erprobte Methode, mit der Sie solche Konflikte in Ihrem Projektteam nachhaltig lösen können.
Führung im internationalen Projektteam So lösen Sie interkulturelle Konflikte
Missverständnisse oder sogar Konflikte entstehen leicht, wenn Teammitglieder aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Häufig sind gegenläufige Wertvorstellungen die Ursache. Silke Weigang beschreibt mit der Werte-Pyramide eine von ihr erprobte Methode, mit der Sie solche Konflikte in Ihrem Projektteam nachhaltig lösen können.
Interkulturell gemischte, manchmal virtuell arbeitende Teams werden im Zuge der zunehmenden Globalisierung immer bedeutender. Wer virtuelle Projektteams führt, deren Mitglieder in verschiedenen Ländern verortet sind und daher aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, braucht ein Gespür dafür, wann in einem auftretenden Konflikt kulturelle Aspekte eine Rolle spielen bzw. wie er solchen Konflikten vorbeugen kann.
Zu den präventiven Maßnahmen gehört es, die wesentlichen Unterschiede in der kulturell bedingten Herangehensweise an ein Problem zu thematisieren und für die kontinuierliche Kommunikation geeignete Kollaborationssoftware und moderne Moderationstechnologie einzusetzen. Ob face-to-face oder über high-tech verbunden, kulturelle Dimensionen, Werteverzerrungen und Wertebereinigungen auf kultureller Ebene sind ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg in internationalen Projektteams. Im Folgenden erfahren Sie, worauf es beim Konfliktmanagement interkulturell gemischter Teams ankommt und wie Sie auftretende Konflikte mithilfe eines Wertequadrats und der darauf aufbauenden Werte-Pyramide lösen können.
Interkulturelle Dimensionen aufdecken
Kulturen agieren unterschiedlich, wenn es um
- die Beziehung zu anderen Menschen,
- den Umgang mit ihrer Umwelt und
- den Umgang mit Zeit
geht. Sie unterscheiden sich auch in den Lösungen, die sie jeweils für gewisse Problemsituationen wählen. Die Unterschiede bzw. Dimensionen lassen sich gut herausarbeiten, wenn Sie Kulturen anhand folgender Fragen vergleichen (basierend auf den Arbeiten des anerkannten Kommunikationswissenschaftlers Fons Trompenaars):
- Was ist wichtiger – Regeln oder Beziehungen untereinander?
- Handeln die Kulturen primär als Gruppe oder als Individuum?
- Kommunizieren die Kulturen direkt oder indirekt miteinander?
- Dürfen Emotionen eine Rolle spielen?
- Zählt das, was der Einzelne leistet, oder welche Position er innehat?
- Kontrollieren die Kulturen die Umwelt oder arbeiten sie mit ihr?
- Erledigen die Kulturen die Dinge nacheinander oder gleichzeitig?
Sie können sich diese unterschiedlichen Pole an jeweils einem Skalenende vorstellen. Dabei geht es nicht so sehr um absolute Zuweisung, also z.B. die Frage: "Sind die Deutschen nur Regelbefolger und die Italiener nur beziehungsorientiert?". Interessant ist vielmehr folgende Fragestellung: Wenn man eine Dimension mit ihren beiden Polen im Zusammenspiel betrachtet, gibt es hier größere Unterschiede zwischen zwei oder mehreren Kulturen oder sind sich die kulturellen Herangehensweisen ähnlich? Bei Dimensionen, bei denen die größten Unterschiede auftauchen, besteht das größte Potential für Synergien, aber auch für potentielle Reibereien und Konflikte.
Nicht in jedem interkulturellen Umgang besitzen alle Dimensionen die gleiche Relevanz. Nutzbringend ist es, als Analyse-Instrument diejenigen Dimensionen herauszufiltern, denen in der jeweiligen Situation besondere Bedeutung zukommt.
Untersuchen wir ein (zugegebenermaßen etwas pointiertes) Beispiel:
Das Meeting ist auf 14 Uhr angesetzt. Herr Scalofari, italienischer Teamleiter bei einem großen italienischen Automobilhersteller, ist mit Kollegen noch beim Kaffeetrinken und diskutiert mündlich nebenbei schnell den wichtigen Projektauftrag, um den es gleich in der Sitzung geht. Er setzt die (kollektive) Beziehung über die Punktgenauigkeit. Sein deutscher Kollege, Herr Möllemeier, Sparringspartner im Zuliefererbereich, sitzt dagegen alleine wartend im Besprechungsraum, gewohnt, eines nach dem anderen zu erledigen und die Sache nun unterschriftsreif zu trimmen. Er legt Wert auf Pünktlichkeit, Exaktheit und individuelle Verlässlichkeit, nicht so sehr dagegen auf das soziale Miteinander. Eine kurzfristige Einladung in die Cafeteria vor der Besprechung hatte er erhalten, in seinen Augen ist Kaffeetrinken aber eher Zeitverschwendung und passt so spontan auch nicht in seinen Zeitplan.
Im Idealfall ist dies eine synergetische Ergänzung, an einem "schlechten Tag" eher Herd schwelender Missverständnisse oder gar offener Konflikte. Etwas pointiert, aber mit dem Nutzen, Unterschiede deutlich werden zu lassen, können wir zuordnen:
Dimension | Italienisch | Deutsch |
---|---|---|
Umgang mit Mitmenschen und Umwelt | Beziehungen untereinander emotional |
Regeln sachorientiert |
Kommunikation | etwas indirekter | direkt |
Umgang mit Zeit | erledigen Dinge gleichzeitig | erledigen Dinge nacheinander |
Wenn die Herangehensweisen zwischen den Kulturen sehr weit auseinander liegen, kommt es schnell zu zunächst gar nicht so offensichtlichen, aber unterschwellig stark wirkenden Konflikten. Tatsächlich sind diese unterschiedlichen "working cultures" die größten Herausforderungen für internationale Projekte, weit vor technischen Problemen, politisch-rechtlichen Fragestellungen, der Projektmanagement-Methodik, der Infrastruktur oder anderen relevanten Aspekten.
Entscheidend ist stets die Situation, in der zwei oder mehrere Kulturen aufeinander treffen sowie die Personen und Persönlichkeiten, die miteinander in Beziehung treten (es gibt auch "deutsche Italiener" und "italienische Deutsche") und in welchem Kontext das geschieht (Unter-, Überordnungsverhältnis, Vorgeschichte, bestimmte Berufsgruppen etc.). Reine Stereotypen greifen in der Projektrealität zu kurz, verleiten oft zur Abwertung der anderen Kultur und verhärten damit Missverständnisse und Konflikte. "Liebevoll" betrachtet verhelfen uns Pointierungen aber zur erfolgreichen Kommunikation über nationale und andere Grenzen hinweg.
Betrachten wir unser Beispiel erneut:
Es ist kurz vor halb drei, als Herr Scalofari gut gelaunt und ohne Unterlagen den Besprechungsraum mit zwei Tassen Kaffee betritt, während Herr Möllemeier mit hochrotem Kopf, hochgezogenen Augenbrauen und fast grußlos, eine dicke Dokumentenmappe unter dem Arm, an ihm vorbei aus dem Zimmer hastet. "Alles Relevante werde ich Ihnen zumailen. Wenden Sie sich bei Bedarf an die Projektleiterin!", wirft er dem sichtlich überraschten italienischen Kollegen um einen sachlichen Ton bemüht an den Kopf und ist verschwunden. Kopfschüttelnd zückt Herr Scalofari sein Mobiltelefon, fragt ob die Sekretärin einen frischen Kaffee wolle und in den Besprechungsraum kommen könne, um dabei noch einige projektrelevante Dinge zu klären. Sie möge doch bitte einen Ausdruck des Projektauftrag-Entwurfes mitbringen.
Die Projektleiterin Frau Schubewind erreichen in der Folge eine E-Mail und ein Anruf. Eine Aktennotiz per E-Mail erreicht sie um 14:40 Uhr von ihrem deutschen Kollegen im Projekt, Herrn Möllemeier:
Der Projektauftrag sei unterschriftsreif erstellt worden und dem italienischen Projektkollegen vorab und rechtzeitig zugemailt worden. Zur angesetzten Besprechung am Nachmittag sei dieser wiederholt mit so gehöriger Verspätung erschienen, dass er selbst den Termin wegen anderer Besprechungstermine nicht mehr wahrnehmen konnte. Er habe dem Kollegen umgehend die Unterlagen zur Unterschrift mit Fristsetzung zum Ende der Woche zugemailt. Dass das Datum eingehalten werde, erachte er als unwahrscheinlich. Sie alle hätten ja mit dem italienischen Counterpart schon so ihre Erfahrungen... Er sei jedenfalls nicht bereit, weiter so ineffizient zusammenzuarbeiten und erwarte von ihr als Projektleiterin hier einmal sehr klare Worte.
Am Folgetag erhält Frau Schubewind einen Anruf des italienischen Kollegen im Projekt. Sehr höflich bedankt er sich für den angenehmen Aufenthalt beim deutschen Counterpart, man sei doch voran gekommen – und erkundigt sich vorsichtig nach dem Kollegen Herrn Möllemeier, der etwas überlastet gewirkt habe. Leider sei es nicht möglich gewesen, länger persönlich zu sprechen, da Herr Möllemeier sehr eingespannt gewesen sei, was man natürlich verstünde. Da noch einige Dinge im Entwurf des Projektauftrags offen seien, würde man sich sehr freuen, zeitnah eine deutsche Delegation im italienischen Unternehmen begrüßen zu dürfen. Vielleicht würden ja das gute italienische Essen und die Klimaveränderung Herrn Möllemeier kurzfristig gut tun.
Wie gewinnt die Projektleiterin Frau Schubewind hier wieder Land, kann das Projekt produktiv halten und dazu die beiden Projektmitarbeiter wieder an einen Tisch bringen?
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