Purpose-To-Practice (im Folgenden P2P) kann als kontinuierlicher Prozess – ähnlich wie der PDCA-Cycle – betrachtet werden (Bild 1): Jedes der fünf Elemente baut auf dem vorherigen auf. Eine Iteration der fünf Elemente ermöglicht es, in der nächsten Iteration wiederum das erste Element – den Purpose – zu verfeinern.
Bild 1: Die fünf essenziellen Eckpfeiler erfolgreicher Initiativen
Eine Iteration – ein Durchlauf von P2P – besteht aus den folgenden verketteten Fragen:
Der Purpose: Was macht die Initiative und warum ist das für uns und unseren Kontext wichtig?
Die Prinzipien: Welchen Prinzipien müssen wir treu bleiben, um unseren Purpose zu unterstützen?
Die Beteiligten: Wen müssen wir beteiligen und integrieren, um die Prinzipien zu leben und unseren Purpose zu unterstützen?
Die Struktur: Wie wollen wir uns organisieren, um die Kontrolle zu verteilen, die Beteiligten zu integrieren und Prinzipien wie Purpose zu leben?
Die Aktivitäten: Was machen wir konkret? Was werden wir unseren Kunden anbieten? Wie tun wir das? Was müssen wir unternehmen, um Struktur, Beteiligte, Prinzipien, Purpose zu erfüllen?
Die Beantwortung jeder Frage nimmt in der Grundvariante ca. 20-30 Minuten in Anspruch. Jeder Schritt wird mit einem oder mehreren Durchläufen von 1-2-4-All ausgearbeitet. Nach jedem der fünf Schritte ist es hilfreich, die bisherigen, vorangegangenen Schritte zu prüfen und ggf. anzupassen, um neue Erkenntnisse und Sichtweisen zu integrieren.
Jeder der fünf Eckpfeiler kann mit einer Reihe weiterer Liberating Structures vertieft werden, wie etwa 9 Whys, TRIZ, Wicked Questions, Min Specs, Social Network Webbing, Network Patterning Cards, Appreciative Interviews, Ecocycle Planning, Discovery & Action Dialogue, 25/10 Crowd Sourcing, What I Need From You, Celebrity Interview, User Experience Fishbowl und Simple Ethnography. Auch Methoden wie Stakeholdermanagement, Umfeldanalyse, Value Stream Mapping oder Kanban sind hilfreich, um einige der fünf Eckpfeiler auszuformulieren.
Beispiel: Alignment einer Gruppe von Führungskräften aus unterschiedlichen Fachbereichen
Eine Gruppe von 24 Führungskräften eines Unternehmens hat Schwierigkeiten, gemeinsam voranzukommen, sich zu fokussieren und gemeinsam an Themen zu arbeiten. Die Gruppe spricht zwar regelmäßig über ihr gemeinsames Portfolio und ihre Aufgabe, die digitale Transformation des Unternehmens voranzutreiben. Bis auf wenige Ausnahmen können die Mitglieder aber keine Synergien zwischen den Tätigkeiten und Vorhaben schaffen und arbeiten meistens unkoordiniert. Fast alle Führungskräfte klagen darüber, dass es unklar sei, warum die Gruppe überhaupt zusammenarbeiten soll, und empfinden es als zeitraubend und wenig motivierend, an gemeinsamen Zielen zu arbeiten. Ein P2P soll der Gruppe zu Motivation, Führung und Fokus verhelfen.
Schritt 1: Entwickeln Sie einen attraktiven Purpose!
Die wichtigste Grundlage einer jeden Initiative ist der gemeinsame Sinn und Zweck. Das englische Wort "Purpose" wird in diesem Zusammenhang verwendet, um folgende Aspekte zu beschreiben:
- Der Purpose drückt aus, was die Gruppe tut und warum das für die Gruppe und deren Kontext wichtig ist (Bild 2).
- Er gibt der Gruppe im Rahmen ihrer Initiative Orientierung, stellt einen Prüfstein für jegliches Tun inklusive Entscheidungen dar und ist die Grundlage für Fokussierung.
- Er rechtfertigt die Initiative im Kontext – beispielsweise der umliegenden Organisation: "Warum ist die Initiative für die Organisation wichtig? Warum sollte die Organisation Ressourcen in die Initiative investieren?"
Bild 2: Die Bestandteile eines anziehenden Purpose
Hierzu überlegt sich die Gruppe zunächst, was die Initiative tut bzw. was die Aufgaben der Initiative sind. Bei bereits angelaufenen Initiativen fragen Sie die Teilnehmenden: "Wofür investieren Sie Ihre Zeit im Rahmen der Initiative? An was arbeiten Sie? Was bringt die Initiative hervor?" Bei neuen Initiativen fragen Sie: "Woran werden Sie arbeiten? Was wird die Initiative hervorbringen?"
Lassen Sie die Gruppe mithilfe von 1-2-4-All die wichtigsten Aktivitäten – das wichtigste Was sammeln. Fordern Sie dazu im "4"-Schritt auf, sich auf die relevanten, wichtigsten Aspekte zu einigen. Arbeiten Sie insbesondere bei größeren Gruppen mit verbalen Filtern, indem Sie im "All"-Schritt beispielsweise fragen: "Gibt es eine Vierergruppe, die ein entscheidendes Was gefunden hat und dieses teilen will?" In Folge werden zunächst wenige Vierergruppen Aspekte teilen. Davon werden weitere Vierergruppen ermutigt, ebenfalls ihre Resultate zu präsentieren.
Vertrauen Sie darauf, dass die Gruppe selbst entscheiden kann, was relevant und wichtig ist und was "relevant" und "wichtig" bedeutet. Bei P2P geht es genau darum, dass die Teammitglieder für sich selbst die Bedeutung ihres Vorhabens bewusst wahrnehmen und dann auch vertreten.
Fragen Sie die Gruppe nun, basierend auf diesem kollektiven "Was", warum dieses für die gemeinsame Initiative und deren Kontext wichtig und relevant ist. Verwenden Sie dazu wieder 1-2-4-All und sammeln Sie erneut per verbalem Filter die Kernaspekte: "Ist eine Vierergruppe auf ein wirklich wichtiges Warum gestoßen, das uns Antrieb gibt und unserer Initiative Relevanz verleiht?"
Bild 3: Das Was und das Warum stellt den Purpose der Gruppe dar
Sprechen Sie den gemeinsamen Purpose (Bild 3) aus und machen Sie klar, dass dies nun die Grundlage der Initiative und vor allem die Basis für die vier folgenden Eckpfeiler darstellt: "Alle weiteren Schritte fußen auf unserem gemeinsam Purpose. Dieser ist nun der Prüfstein für alle verbleibenden Eckpfeiler. Ist der Purpose allen klar?"
Möglicherweise will die Gruppe den Purpose daraufhin noch ein wenig verfeinern. Planen Sie daher in etwa 10–15 Minuten ein, um den Purpose zu überarbeiten. Führen Sie etwa ein weiteres 1-2-4-All durch, um Ergänzungen und Anpassungen zu integrieren. Achten Sie darauf, dass die Gruppe den Purpose lediglich um Details ergänzt und sich nicht in einer Diskussion verliert. Brechen Sie dazu ausufernde Diskussionen ab und weisen Sie darauf hin, dass mehrere Sichtweisen erstmal in Ordnung sind und der Purpose im weiteren Verlauf von P2P iterativ verfeinert wird.
Die folgenden vier Schritte laufen nach demselben Schema ab: Die Eckpfeiler gemeinsam festlegen und verfeinern.
Beispiel: Digitale Transformation als gemeinsamer Purpose
Das Führungsteam erarbeitet zunächst in Vierergruppen Versionen des "Was" und "Warum" mittels eines 1-2-4-All. Dann werden die Vierergruppen gemischt und die Ergebnisse miteinander in einem zweiten 1-2-4-All verwoben. Am Ende ergänzt die Gruppe die für sie stärksten Formulierungen im "All"-Schritt. Die Gruppe kommt auf den gemeinsamen Purpose: "Wir verantworten und gestalten die digitale Transformation. Das ist uns wichtig, weil wir maßgeblich dazu beitragen, den Erfolg unserer Organisation auszubauen, Potenziale zu heben und Raum für digitale Transformation zu schaffen."