SQ3R fördert ein strukturiertes Leseverfahren, indem es klare Schritte vorgibt. Diese bewirken, dass Lesen nicht nur ein passiver Akt ist, sondern ein bewusster Prozess der Informationsaufnahme und -verarbeitung wird: Die Lesenden denken aktiv über den Text nach, stellen Fragen und wiederholen das Gelesene. Dies fördert eine umfassende und nachhaltige Wissensaufnahme. Bild 1 gibt einen Überblick über die fünf Schritte von SQ3R.
Bild 1: Die fünf Schritte der SQ3R Methode
Survey (Überblick): In diesem Schritt ermitteln Sie die relevanten Elemente des Textes, um sich auf diese zu konzentrieren. Gegebenenfalls können Sie bereits hier die Lektüre des Textes beenden, falls er nicht die erhofften Informationen enthält. Vor dem eigentlichen Lesen (Schritt 3) verschaffen Sie sich einen Überblick über Aufbau, Inhalt und Schwierigkeitsgrad des lesenden Textes. Dazu benutzen Sie Inhaltsverzeichnis, Abbildungen und weitere hervorgehobene Merkmale.
Question (Fragen): Ziel dieses Schritts ist es, die Konzentration für das Lesen des Textes zu fördern. Hier formulieren Sie Fragen auf der Basis Ihres Wissens zum Thema oder formulieren Fragen aus den Überschriften des Textes. Durch diese Fragen fokussieren Sie sich auf das Thema und Sie schweifen beim Lesen nicht ab. Die Fragen versetzen das Gehirn in einen aktiven Modus und der Lesestoff wird selektiv in Bezug auf das Informationsbedürfnis gelesen.
Read (Lesen): Dies ist der zentrale und auch zeitaufwendigste Schritt. Sie lesen aktiv den Text, indem Sie Textstellen unterstreichen oder markieren und Kommentare am Textrand anbringen. Dabei fertigen Sie auch Notizen zum Text oder Zusammenfassungen von Textstellen an.
Recall (Erinnern): Ziel dieses Schritts ist es, das Gelesene in das Langzeitgedächtnis zu bringen. Mit Hilfe der Markierungen und Zusammenfassungen wiederholen Sie den Inhalt des Textes. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die Inhalte dauerhaft im Gedächtnis behalten.
Review (Zusammenfassen und Wiederholen): Abschließend geht es darum, ein Verständnis für den gesamten Text und die in ihm dargestellten Zusammenhänge zu erhalten. Hierzu erstellen Sie aus den gewonnen Einzelinformationen eine Zusammenfassung. Dieser Schritt sollte mehrmals durchlaufen werden, um die Informationen langfristig zu behalten.
Ich erkläre SQ3R am Beispiel des Artikels ″Künstliche Intelligenz im Projektmanagement. Teil 1: Grundlagen und Einsatzgebiete″ von Marc Bollmann und Andreas Janiak hier im projektmagazin.
Die Beispiele dienen lediglich zur Anregung. Je nach Leseinteresse können individuell andere Schwerpunkte gesetzt sein.
Schritt 1: Verschaffen Sie sich einen Überblick!
Entgegen der üblichen Gewohnheit vieler Menschen lesen Sie mit der SQ3R-Methode nicht einfach "drauflos". Vielmehr verschaffen Sie sich zuerst einen Überblick über den Text, indem Sie sich über Aufbau, Struktur und Inhalt des Textes orientieren. Auf diese Weise erhalten Sie innerhalb weniger Minuten einen Überblick über den Text.
Ziele dieses Schrittes sind:
- einen Überblick über den Text zu erhalten
- eine Vorstellung vom Thema zu bekommen
- ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie schwer der Text ist und welchen Stil der:die Autor:in hat
- abschätzen, wie viele Seiten Sie sinnvollerweise je Lesesitzung lesen werden können
Sie erhalten damit Antwort auf die drei folgenden Fragen:
- Was werde ich durch das Lesen des Textes erfahren?
- Welche Struktur hat der Text?
- Lohnt es sich, den Text zu lesen?
Falls Sie die letzte Frage mit ″Nein″ beantworten sollten, dann ist es nicht sinnvoll, den Text zu lesen. Suchen Sie lieber nach einem anderen Text, der Ihren Informationsbedarf besser deckt.
Sie gewinnen den Überblick in sechs Teilschritten:
Teilschritt 1: Lesen Sie bewusst den Titel des Textes!
Bereits der Titel enthält wichtige Aussagen über den Text. Dies erschließen Sie sich mit den folgenden Fragen:
- Was ist der Inhalt des Textes?
- Welchen Schwerpunkt setzt der:die Autor:in?
Beispiel:
Der Titel des Artikels besteht aus drei Teilen: Dachzeile, Titel und Untertitel:
″Der Traum von stabilen und zuverlässigen Projektplänen
Künstliche Intelligenz im Projektmanagement
Teil 1: Grundlagen und Einsatzgebiete″
Frage: Was ist der Inhalt des Textes? Antwort: Der Artikel beschreibt den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Projektmanagement in positiver Weise.
Frage: Welchen Schwerpunkt setzen die Autoren? Antwort: Der Beitrag ist der erste Teil einer Serie und stellt Grundlagen und Einsatzgebiete dar.
Teilschritt 2: Studieren Sie das Inhaltsverzeichnis!
Im nächsten Schritt erschließen Sie sich die Spannweite des Textes. Durch die Lektüre des Inhaltsverzeichnisses erhalten Sie einen ersten Überblick über die Inhalte und den Aufbau des Textes. Dazu helfen Ihnen die folgenden Fragen:
- Wie gliedert der:die Autor:in den Text (chronologisch, logisch, etc.)?
- Lässt sich aus den Kapitelüberschriften eine Logik erkennen?
Beispiel:
Das Inhaltsverzeichnis des Beispielartikels (s.o.) listet folgende Abschnitte auf:
- ″So löst KI Herausforderungen im Projektmanagement
- Wo Machine Learning im Projektmanagement sinnvoll ist
- Barrieren für Maschinelles Lernen (ML) überwinden
- Einsatz von Machine Learning im Projektmanagement
- Wie geht es mit dem Maschinellen Lernen im PM weiter?
- Weiterführende Information: Reinforcement Learning″
Frage: Wie gliedern die Autoren den Text? Antwort: Die Autoren gliedern den Text nach fachlichen, logisch aufeinander aufbauenden Aspekten: Lösungen für KI im Projektmanagement – sinnvolle Einsatzgebiete – Hinderungsgründe – konkrete Einsatzgebiete – künftige Entwicklungen.
Frage: Lässt sich aus den Kapitelüberschriften eine Logik erkennen? Antwort: Die Autoren stellen überblicksartig grundlegende fachliche Aspekte des Einsatzes von KI im Projektmanagement dar.
Teilschritt 3: Studieren Sie die Überschriften und einleitenden Sätze!
Im Teilschritt 2 haben Sie Überschriften im Inhaltsverzeichnis gelesen. Jetzt lesen Sie diese im Text selbst ergänzt um die ersten Sätze der jeweiligen Abschnitte. Bei umfangreicheren Texte wie z.B. einem Fachbuch können Überschriften auch Untertitel haben, die ebenfalls weitere Informationen liefern. Einen weiteren inhaltlichen Hinweis erhalten Sie, wenn Sie den letzten Satz (bzw. die letzten Sätze) des Kapitels lesen. So können Sie feststellen, ob Ihnen Inhalte bereits bekannt sind, oder der Text für Sie völlig neu ist. Hierbei sind die folgenden Fragen hilfreich:
- Welche zentralen Aspekte werden in dem Kapitel angesprochen?
- Welche Inhalte kommen Ihnen bekannt vor?
- Welche Kapitel scheinen anspruchsvoll zu sein?
Beispiel:
Überschrift und die ersten beiden Sätze von Abschnitt 1 lauten:
″So löst KI Herausforderungen im Projektmanagement
Künstliche Intelligenz ist nach Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) die wichtigste Basistechnologie unserer Zeit. 2010 sei der Beginn des Zeitalters des Maschinellen Lernens, versichert Bitkom.″
Frage: Welche zentralen Aspekte werden in diesem Kapitel angesprochen? Antwort: Grundlagen und Bedeutung von KI.
Frage: Welche Inhalte kommen Ihnen bekannt vor? Antwort: Es geht um Basiswissen KI
Teilschritt 4: Lesen Sie die Einführung, Zusammenfassungen und den Klappentext!
Einführungen, Zusammenfassungen und Klappentexte sind Elemente, die bereits Inhalte des Textes et-halten. Äquivalente Elemente in einem Artikel sind Abstracts bzw. Management Summarys. In ihnen fassen Autor:innen aus ihrer Sicht die Inhalte zusammen. Damit können Sie sich bereits mit den Inhalten des Textes vertraut machen.
Teilschritt 5: Studieren Sie die Abbildungen!
Der Spruch ″Ein Bild sagt mehr als tausend Worte″ gilt auch für die Abbildungen und Tabellen in einem Text. Fotos, Grafiken, Diagramme und Tabellen enthalten Inhalte des Textes in einem Zusammenhang. Hier erhalten Sie schon die wichtigsten Aussagen.
Beispiel
Der Artikel (s.o.) enthält insgesamt fünf Bilder, die einzelne Zusammenhänge und Prozesse visualisieren.
Teilschritt 6: Lesen Sie die Hervorhebungen im Text!
Manche Autor:innen verwenden unterschiedliche Mittel, um die Leser:innen bei der Rezeption ihres Artikels zu unterstützen und ihnen zu zeigen, was ihnen beim Verfassen besonders wichtig erschien. Solche Lesehilfen sind z.B. Hervorhebungen, Marginalien, Merksätze, Informationskästen, Zusammenfassungen am Ende des Kapitels oder weitere Erläuterungen in Fußzeilen. Auch ein Glossar, das am Anfang oder am Ende des Buches eingefügt ist, stellt eine Lesehilfe dar.
Jetzt haben Sie den Überblick – wollen Sie weitermachen?
Nach diesen sechs Schritten haben Sie schon einen ersten Eindruck vom Inhalt des Textes bekommen. Wenn Sie die folgenden Fragen beantworten, rekapitulieren Sie für sich, was Sie bisher über den Text wissen:
- Worüber informiert der Text?
- Welche Struktur hat der Text?
- Lohnt es sich, ihn zu lesen?
Beispiel
Frage: Worüber informiert der Text? Antwort: Der Text enthält Grundlagenwissen zu KI und beschreibt Einsatzmöglichkeiten im Projektmanagement.
Frage: Welche Struktur hat der Text? Antwort: Der Text ist nach gegenwärtigen und künftigen Einsatzgebieten von KI strukturiert.
Frage: Lohnt es sich ihn zu lesen? Antwort: Ja, da ich Grundlagenwissen zu Thema KI und Projektmanagement haben möchte.