Lassen Sie mal – ich mach das schon! Oder: Warum schneller meist länger dauert

Abteilungsleiter Dr. Erich Kümmerer sitzt an seinem Schreibtisch und hat alle Hände voll zu tun. Die neue Service-Abteilung, die sein Unternehmen von einem Dienstleister gekauft hat, will integriert werden. Der neue Vertriebschef möchte möglichst sofort die damit verbundenen neuen Leistungen bewerben, hat aber nichts in der Hand, was er präsentieren könnte. Das Projektentwicklungsteam für das schon lange erwartete neue "M315" hat seit zwei Wochen einen Krankenstand von fast 50% und zwei der Kollegen sind "im Burnout". Das heißt sie befinden sich in einer psychosomatischen Klinik und werden vor dem Herbst nicht mehr auftauchen, wahrscheinlich nicht mehr vor Weihnachten.

 

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Lassen Sie mal – ich mach das schon! Oder: Warum schneller meist länger dauert

Abteilungsleiter Dr. Erich Kümmerer sitzt an seinem Schreibtisch und hat alle Hände voll zu tun. Die neue Service-Abteilung, die sein Unternehmen von einem Dienstleister gekauft hat, will integriert werden. Der neue Vertriebschef möchte möglichst sofort die damit verbundenen neuen Leistungen bewerben, hat aber nichts in der Hand, was er präsentieren könnte. Das Projektentwicklungsteam für das schon lange erwartete neue "M315" hat seit zwei Wochen einen Krankenstand von fast 50% und zwei der Kollegen sind "im Burnout". Das heißt sie befinden sich in einer psychosomatischen Klinik und werden vor dem Herbst nicht mehr auftauchen, wahrscheinlich nicht mehr vor Weihnachten.

 

Abteilungsleiter Dr. Erich Kümmerer sitzt an seinem Schreibtisch und hat alle Hände voll zu tun: Die neue Serviceabteilung, die sein Unternehmen von einem Dienstleister gekauft hat, will integriert werden. Der neue Vertriebschef möchte möglichst sofort die damit verbundenen neuen Leistungen bewerben, hat aber nichts in der Hand, was er präsentieren könnte. Das Projektentwicklungsteam für das schon lange erwartete neue "M315" hat seit zwei Wochen einen Krankenstand von fast 50% und zwei der Kollegen sind "im Burnout". Das heißt sie befinden sich in einer psychosomatischen Klinik und werden vor dem Herbst nicht mehr auftauchen, wahrscheinlich sogar nicht mehr vor Weihnachten.

Dr. Kümmerer kriegt jedes Problem in den Griff

Bis jetzt hat Dr. Kümmerer alles noch gut in den Griff zu bekommen. Lediglich zwei Aushilfen haben bislang genügt, um die wichtigsten Sachen zu regeln. Auch eine Umbesetzung in der Konstruktion hat Zeitersparnisse gebracht. Vor langer Zeit hat Dr. Kümmerer eines verinnerlicht: Was er selber macht, das gelingt schnell und zuverlässig. Dr. Kümmerer ist für seine Abteilung insgesamt zu einer Art Zeitsparkasse geworden, denn er liefert viel schneller als alle anderen perfekte Lösungen.

Bei seinen insgesamt ca. 140 Mitarbeitern ist er ausgesprochen beliebt. Sie sehen in ihm den Menschen, der fast alle Probleme, an denen sie alltäglich zu scheitern drohen oder die einfach nur lästig sind, in den Griff bekommt. Dr. Kümmerer gilt als hilfsbereit, kreativ und immer ansprechbar. Ihm ist bewusst, wie sehr ihn seine Mitarbeiter schätzen und er setzt sich wo er kann für sie ein.

Sogar der Betriebsrat pflegt ein kollegiales Verhältnis zu Dr. Kümmerer. Und die meisten Dinge werden ohne großes Aufheben und ohne komplizierte Verträge oder gar Betriebsvereinbarungen auf Augenhöhe und nebenbei geregelt. Auch die Projektleiter finden in Dr. Kümmerer immer eine helfende Hand.

Ein Betriebsklima zum neidisch werden

Das Betriebsklima wird von allen als hervorragend bezeichnet. Die Kegelvereinskameraden des Teamleiters Meierdiercks, die nicht in der Firma oder in Kümmerers Abteilung arbeiten, entwickeln seit längerem Neidgefühle.

Dr. Kümmerers Frau arbeitet als stellvertretende Chefin einer kleinen Spedition, daher ist das Paar es gewohnt, keine allzu lange gemeinsame Freizeit zu haben. Beide sind stolz auf ihren beruflichen Erfolg.

Doch die heile Welt zeigt bereits erste Risse. Die Geschäftsführung hat in letzter Zeit Hinweise bekommen (von Kunden oder anderen Konzern-Abteilungen) dass nicht nur Lieferfristen immer seltener eingehalten werden, sondern auch immer öfter die Produktion kurzzeitig stillsteht. Aber das sind nur zwei von vielen Symptomen. Die Beschwerden häufen sich, dass es z.B. oft zu lange dauert, bis die Kümmerer-Abteilung auf eine Anfrage reagiert. Als Geschäftsführer Meisenbrinck Dr. Kümmerer wegen dieser Hinweise anruft, hebt Kümmerer nicht ab.

Von der Pike auf gelernt

In diesem Moment ist Dr. Kümmerer damit beschäftigt, gemeinsam mit dem Vorarbeiter Mauerbrenner ein halbautomatisches Förderbandsystem wieder auf Vordermann zu bringen, um es dem rückenleidenden Mauerbrenner wieder zu erleichtern, die versandfertigen Waren auf die täglich eintreffenden Kleintransporter zu verladen.

Schließlich ist Dr. Kümmerer gelernter Schlosser und das soll sich hier bezahlt machen! Gemeinsam mit Mauerbrenner – einem seiner glühendsten Anhänger – schneidet er gerade aus Produktionsresten einen Ersatz für eine zerbrochene Halterung, als ein weiterer Anruf ins Leere läuft. Ein Kunde, der dringend ein Ersatzteil benötigt, landet auf Kümmerers auf dem Schreibtisch liegenden Handy (bzw. auf dessen Mailbox), wohin der Anruf wegen der noch fehlenden Integration der Serviceabteilung geleitet wurde.

Überraschend unselbstständig

Dr. Kümmerer wird schließlich von der Geschäftsführung gedrängt, in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen. Man ist entschlossen etwas frischen Wind – in Form eines neuen, von außen kommenden Abteilungsleiters – in das Unternehmen zu bringen.

Während seiner Einarbeitung ist Kümmerers Nachfolger unangenehm überrascht, dass selbst die Teamleiter und Projektleiter der Abteilung kaum selbständig entscheiden und handeln. Sie scheinen insgesamt nicht besonderes kompetent zu sein – trotz aller vorhandenen Ausbildungs- und Weiterbildungszertifikate.

Die Frage, die sich Dr. Kümmerers im Ruhestand stellt – und auch der neue Abteilungsleiter, der zunächst in Personalunion das Integrationsprojekt für die Serviceabteilung übernommen hat: Was hätte Dr. Kümmerer anders machen können? Ist es möglich, gleichzeitig ein exzellentes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern zu haben und sich den eigenen Management-Aufgaben zu widmen, für die man als Führungskraft (oder Projektleiter) bezahlt wird?

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Alle Kommentare (6)

Carsten
Kettner
Dr.

Das Problem ist wechselseitig; die MA verlassen sich auf den AL (der wird's schon richten) und engagieren sich nicht mehr darin eigene Lösungen zu finden und sich selbst zu organisieren. Die Frage ist, was war zuerst da? Hat der AL kein Vertrauen in seine Mannschaft? Dann muß er alles selbst machen? Kann er nicht loslassen von den Arbeiten seiner Indianer und findet selbst nicht in die Rolle des Häuptlings? Fühlt er sich gar unwohl in dieser Rolle und kann sie nicht ausfüllen und macht daher als Übersprungshandlung "Indianer-Jobs"? Es ist daher leicht anzunehmen, dass der AL als Ausweichmanöver um seine eigenen eigentlichen Aufgaben herum die Detailarbeit seiner MA übernimmt. Diese lassen dann natürlich gerne arbeiten. Möglich, dass ihnen auch das Selbstbewußtsein abhanden gekommen ist, die Detailarbeit selbst besser regln zu können. Es ist möglich, ein exzellentes Verhältnis zu den MA zu haben und selbst den Job zu machen, den man als AL hat, aber es gehört Vertrauen in die MA und in deren Fähigkeiten. Die MA können über sich hinauswachsen, wenn sie an der längeren Leine sich verwirklichen können - am Ende steht das Ergbnis, das zu einer bestimmten Zeit in bestimmter Qualität vorliegen muß.

 

Ja, genau so, Herr Dr. Kettner, Danke für den Beitrag! Dass dieser Teufelskreis vielerlei Gründe hat ist klar. Deswegen empfiehlt es sich als Führungskraft auch, sich laufend darüber klarzuwerden, warum etwas so ist wie es ist und nicht einfach im "Kurzschluss" sozusagen das "Heft in die Hand" zu nehmen und "symptomatisch" Probleme zu lösen! Schönen Grüß, Detlef Scheer

 

Guest

Den Beitrag finde ich wunderbar, er spiegelt so schön die Realität wieder... Persönlich habe ich das oft genug erlebt. Die Aufgabe einer Führungskraft wird oft nicht verstanden. Aber meist nicht nur von der Hauptperson, sondern auch vom gesamten Umfeld. Die Führungskraft hat gefälligst im Alltag mitzuarbeiten, die Führung muss nebenbei erledigt werden. Dass so etwas nur sehr begrenzt klappt, zeigt dieser Beitrag schön auf. Noch schöner wäre es, wenn diese Tatsache allgemein akzeptiert würde. Beste Grüße Jürgen Flemming

 

Guest

Lieber Herr Flemming! Solange bei uns Menschen zu Führungskräften "befördert" werden (nicht ausgebildet), WEIL sie so gute Experten auf ihrem Gebiet sind, wird sich da vermutlich tatsächlich nichts ändern. Danke für Ihren Kommentar! Schöne Grüße, Detlef Scheer

 

Alexander
Kort

Vielen Dank für den Beitrag. Er zeigt wunderbar das Missverständnis zwischen Fach- und Führungskraft auf. Im deutschen wie auch englischen Sprachgebrauch gibt es für beide Richtungen die treffenden Bezeichnungen: Führungskraft/Manager vs. Fachkraft/Expert Anhand dieser sprachlichen Unterscheidung wird für mich bereits deutlich, wo bei den jeweiligen Jobs das Hauptaugenmerk liegt: bei der Führungskraft auf "Führung" und bei der Fachkraft auf dem "Fachlichen". Und jeder kann sich in die jeweilige Richtung spezialisieren und weiterentwickeln. Leider ist Führung in der Regel schlecht messbar. Wenn ich Mitarbeiter durch zuhören und Feedback motiviere, wie messe ich dann meine "Führungsleistung". Wieviel habe ich dann geführt? Oder habe ich nur Wege zurückgelegt und "geredet"? Die Leistung einer Fachkraft hingegen lässt sich gut messen: Anzahl beendeter Aufgaben, benötigte Zeit, etc. In diesem Sinne - frohes Schaffen! Beste Grüße Alexander Kort

 

Guest

Lieber Alexander Kort! Danke für Ihren Hinweis! Auch das ist ein erhebliches Problem im Führungsalltag. Meine Kunden aus den mittleren oder oberen mittleren Management-Ebenen beklagen fast uni-sono, dass ihre eigenen Chefs Beurteilungen lieber aus dem Weg gehen, was die "Führungsleistung" angeht und sich lieber auf den Erfolg beispielsweise einer Abteilung in fachlicher und finanzieller Hinsicht stützen, um die eigene Führungskraft zu beurteilen. Je mehr gegenseitiges Verhaltensfeedback und je offener die Kommunikation, desto näher kommt man hier der Wirklichkeit. Es erfordert allerdings auch Mut, Führungsleistung zu beurteilen, bzw. einzuschätzen. Und der scheint auch hier und da nicht besonders ausgeprägt zu sein. Schönen Tag noch! Detlef Scheer