Wie sich die digitale Bildungsrevolution auf Projektmanager auswirkt
Wie sich die digitale Bildungsrevolution auf Projektmanager auswirkt
Die brandaktuelle Publikation von Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt "Die digitale Bildungsrevolution" zeigt anschaulich Herausforderungen und Umbrüche, denen das Lernen in den kommenden Jahrzehnten unterworfen sein wird. Hauptgegenstand des Buchs ist die Schulbildung, die sich nach Ansicht der Autoren massiv verändern wird. Ich bin davon überzeugt, dass sich diese Veränderungen auch massiv auf die Qualifizierung von Projektleitern und Führungskräften auswirken werden.
Das Lernen von Morgen
Nach Meinung der Buchautoren stellt die klare Trennung zwischen kognitiv erlernbaren Themen und den persönlichen und sozialen, direkt anwendbaren Kompetenzen den ersten Hebel der von ihnen prognostizierten Bildungsrevolution dar. Das theoretische Wissen über Methoden, Modelle etc. wird via perfekt gemachter Videos und Webinare (MOOCs) aufbereitet und über Youtube oder spezielle Lernplattformen konsumiert. Damit wird eine Top Qualifikation (Videos und Webinare von ausschließlich den besten Präsentatoren) einer breiten Zielgruppe zugänglich. Das Wissen aus der Praxis dagegen, also Erfahrungen von Praktikern mit Umsetzungs-Hilfen, erarbeiten sich die Lernenden analog in Präsenz-Workshops, Gruppenarbeiten oder Situations-Simulationen.
Das wiederholte "Vorbeten" von kognitiven Inhalten wird sich erübrigen, weshalb die meisten, die heute als Lehrer oder Trainer tätig sind, eine neue Rolle übernehmen werden: die des begleitenden Lern-Tutors, Mentors und Unterstützers des sozialen Lernens.
Individualisierung des Lernens
Der zweite Hebel der Revolution betrifft eine sich zeitgleich vollziehende Individualisierung des Lernens. Ein Widerspruch zur ersten Hypothese des Massenlernens? Nur auf den ersten Blick.
Die Individualisierung des Lernens funktioniert mittels elektronischer Kompetenzüberprüfung und Lernfortschrittsmessung. Mittels dieser werden die Lerninhalte und –formen individuell auf den Lerntyp (z.B. visuell oder auditiv, analytisch oder narrativ), das Vorwissen und den Lernfortschritt angepasst.
Dabei werden die Fortschritte der Lernenden laufend gemessen und dementsprechend ganz individuell Geschwindigkeiten, Übungen, Tests und Anreize gesetzt. Durch eine spielerische Förderung – z.B. durch das Verpacken der Lerninhalte in Wettbewerbe – und eine parallele Forderung des Lernenden steigt sogar die intrinsische Lernmotivation, Lernen wird spannend und reizvoll.
Projektmanagement-Qualifizierung der Zukunft – alles wie bisher, nur ein wenig intensiver?
Einige werden nun einwenden, dass die genannten Hypothesen zur digitalen Bildungsrevolution wenig Neues bringen, da sie schon immer gesagt hätten, dass die Zukunft des Lernens beim erfahrungsbasierten Lernen liegt und dass der Lernende sich ja kognitives Wissen aus dem Internet holen könne. Oder dass die Zukunft des Lernens in der Verwendung von e-learning Programmen läge.
Die Lösung liegt dann ja wohl nur im etwas intensiveren Vermarkten des Bisherigen, im sich Zeit nehmen fürs Lernen und in der besseren Praxisorientierung. Einfach mehr vom Selben.
Die neue Welt des Lernens
Ich bin allerdings der Meinung, dass Lernen in Zukunft ganz anders funktionieren wird als heute, es wird sich sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrenden massiv verändern. Dieser durch die Digitalisierung verursachte Change wird wahrscheinlich sogar einen ähnlich disruptiven Charakter annehmen, wie er in anderen Branchen bereits im Gange ist, wie z.B. die Medienproduktion oder auch im Automobil- und Maschinenbau.
Lernen auf Vorrat wird im Angesicht der täglichen Aufgabenvielfalt, des steigenden Leistungsdrucks und der erhöhten Performance- Anforderungen immer weniger möglich sein. Dementsprechend werden die kognitiven Lerninhalte als kleine Happen (fünf- bis maximal zehnminütige Lerneinheiten) zur Verfügung gestellt, die auch zwischendurch bewältigbar sind – leicht nutzbar und aufbereitet für die verschiedenen Lerntypen.
Die intrinsische Motivation, sich mit Freude und Neugierde laufend weiter zu entwickeln, alte Muster immer wieder auf ihren Nutzen hin zu hinterfragen und Neues, Innovatives auszuprobieren wird zum zentralen Treiber werden.
Daneben brauchen wir soziale Lernformate, die Spaß und Herausforderung vereinen, und gleichzeitig kontinuierlich den Lernfortschritt erkennbar machen (Fortschrittsmotivation durch laufendes Erkennen von messbaren Entwicklungen).
Folglich sind die Ausbildungsinstitute gefordert, über leicht zu nutzende Lernplattformen kleine Happen und regelmäßige soziale Lernformate zur Verfügung zu stellen. Parallel dazu müssen sie den Lernfortschritt des individuell Lernenden zu jedem Zeitpunkt erfassen und die nächsten Lernschritte dazu angepasst anbieten ("Lern-Roadmap").
Die regelmäßige Anpassung erfordert wahrscheinlich die Sammlung und Nutzung einer Fülle von Daten über den Lernprozess jedes Einzelnen (Big Data). Die Notwendigkeit zur Dokumentierung und Nutzung dieser Daten werden zu vielen Diskussionen zum Thema Datenschutz führen.
Zusätzlich werden die bisherigen Trainer als Lern-Tutoren, Coaches oder auch Reflexionspartner im Hinblick auf die Lern-Roadmap eine ganz neue Rolle einnehmen, die viel näher am individuellen Entwicklungsfortschritt der Lernenden dran ist (vergleichbar mit den Betreuern an Elite-Universitäten) und daraus ein viel direkteres Feedback für den erfolgreichen Transfer erhalten.
Wie das Neue Lernen funktionieren kann
Für mich als Projektleiterin oder Führungskraft wird es wichtig sein, dass:
- die nachhaltige Wirksamkeit und Überprüfbarkeit des Lernens im Vordergrund steht,
- spielerisches Lernen in kleinen Happen verfügbar ist (die neue Lerndiät?!),
- sowohl kognitiv Erlernbares, als auch sozial Erlebbares zeitlich und räumlich auf mich angepasst sind und
- die Lernformen je nach Lerntyp, Vorwissen und Lernfortschritt laufend adaptiert werden, sodass ich regelmäßig Fortschritte erkenne und meine Motivation, "dran zu bleiben", angeregt wird.
Ich freue mich auf Meinungen und Anregungen zur "Bildung von Morgen, dem Neuen Lernen"! – Auch und vor allem in Bezug auf das Feld der Erwachsenenbildung.
Alfred Mahringer
25.03.2016