Kennen Sie die "Dass-Falle"? Sie lauert auf die wichtigsten Aussagen eines Texts und verschlingt sie dann in einem Satz – einem Nebensatz. Dort werden sie neutralisiert und verlieren ihre Wirkung. Die Adressat:innen des Texts nehmen sie dadurch weniger intensiv wahr und sehen oft genug einfach über sie hinweg.
Wenn die Wichtigkeit im Nebensatz verschwindet
So erging es Vicky Wichtig mit ihrer Warnung vor einem Lieferantenausfall. Vicky ist Einkäuferin bei einem Automobilzulieferer. Sie ist bestens vernetzt und hat ihr Ohr am Marktgeschehen. Deshalb erfuhr sie auch früh von den drohenden Ausfällen bei einem Lieferanten von Spezialdichtungen. Da sie nicht für Dichtungen zuständig ist, informierte sie ihren Kollegen René Relax per Mail:
"Hallo René, wie mir eine zuverlässige Kontaktperson vertraulich berichtete, gibt es Hinweise darauf, dass die Dichtungskunst GmbH Schwierigkeiten bei der Rohstoffbeschaffung hat und deshalb Gefahr besteht, dass es Verzögerungen oder sogar Ausfälle bei ihren Lieferungen geben könnte."
René Relax ist ein alter Hase, den nichts so leicht aus der Ruhe bringt. Er kennt die Gerüchteküche, die von drohenden Insolvenzen, Fusionen, Aufkäufen, Lieferschwierigkeiten, personellen Umbrüchen und anderen einschneidenden Ereignissen nur so brodelt. Nach "zuverlässige Kontaktperson vertraulich berichtete" war er bereits nur noch mit halber Aufmerksamkeit dabei. Nach "gibt es Hinweise, dass" und "Gefahr besteht, dass" bewirkte der eigentliche Inhalt nur noch ein Schulterzucken bei ihm. Pflichtgemäß prüfte er die Risikoliste und erhöhte die Eintrittswahrscheinlichkeit des Lieferantenausfalls von 20% auf 25%.
So befreien Sie Ihre Botschaft aus dem Nebensatz
Das geschilderte, fiktive Beispiel ist keineswegs aus der Luft gegriffen. Machen Sie selbst die Probe aufs Exempel:
Holen Sie sich einfach ein altes Projektdokument, z.B. einen Statusbericht, ein Fachkonzept, einen Business Case oder einen Projektauftrag. Suchen Sie, wie oft darin das Wörtchen "dass" vorkommt. Greifen Sie sich ein paar Beispiele heraus und prüfen Sie, wo die eigentliche Aussage des Satzes steht: links oder rechts von "dass"? Hier einige typische Beispiele:
- Die Marktstudie zeigte, dass wir 7% Marktanteil verloren haben.
- Es ist besonders wichtig, dass bei einem Sturz aus 1 m Höhe das Gerät nicht beschädigt wird.
- Die Stakeholder:innen fordern, dass der ursprünglich vereinbarte Termin unbedingt eingehalten wird.
- Im Abschlussbericht der Machbarkeitsstudie steht, dass die vorgeschlagene Technik geeignet ist.
All diese Aussagen sind eindeutig und klar formuliert. Sie enthalten wichtige Informationen für das jeweilige Projekt. Aufmerksame Leser:innen nehmen diese Informationen problemlos wahr und berücksichtigen sie angemessen bei ihren Entscheidungen.
Unterstützen Sie die Konzentration Ihrer Leser:innen!
Die Sache hat nur einen Haken: Projektbeteiligte müssen sehr viel lesen, und niemand kann ununterbrochen völlig konzentriert sein. Es ist unvermeidlich, dass wir mal etwas "überlesen" oder in seiner Bedeutung nicht richtig einschätzen. Damit dies weniger häufig passiert, kann der:die Autor:in eines Texts eine ganze Menge tun. Die wichtigste Maßnahme: Formulieren Sie die zentralen Aussagen in Hauptsätzen und nicht in Nebensätzen!
Dummerweise verführt uns die deutsche Sprache zu Nebensätzen in immer tieferer Verschachtelung. Der Deutschunterricht trägt leider seinen Teil dazu bei, dass wir, trotz besseren Wissens, das wir in der praktischen Erfahrung erwerben, stolz darauf sind, wenn wir, fast wie bei einem Schachspiel, eine komplizierte Satzkonstruktion erstellen, die sich über mehrere Zeilen hinwegzieht und so viele Kommas enthält, dass der:die Leser:in am Ende nicht mehr weiß, womit der Satz begann, geschweige denn seine Hauptaussage klar vor dem inneren Auge hätte.
Doppelpunkttechnik und die Lesbarkeit
08.09.2022
Ich mache es kurz mit einem Zutat aus dem Artikel: "..., kann der:die Autor:in eines Texts eine ganze Menge tun." Wie lesbar ist das?