Bodystorming hat z.T. den Charakter eines Rollenspiels. Auch beim Bodystorming haben die Teilnehmenden Rollen und simulieren eine Situation oder ein Szenario, um die Perspektive der Anwender:innen zu verstehen. Allerdings ist Bodystorming körperbetonter, die Szenarien zielen weniger auf gesprochene Dialoge ab, sondern mehr auf Bewegung, Handlung und körperliche Interaktion.
Die Szenarien können zudem prototypartig sein. Anstelle des noch nichtexistierenden Produkts kann auch ein symbolischer Gegenstand treten, mit dem die Agierenden so umgehen, als wäre er schon funktionsfähig.
Planung und Vorbereitung des Szenarios sind deshalb entscheidend für eine erfolgreiche Durchführung. Genauso wichtig ist eine aktive und aktivierende Moderation, welche die Teilnehmenden zur Produktivität motiviert, d.h. sie in Bewegung setzt und zu physischer Interaktion ermutigt.
Sie müssen darauf vorbereitet sein, dass einige Teilnehmer:innen möglicherweise nicht in der Lage sind, sich auf diese Art von Aktivität einzulassen oder sich daran zu beteiligen. Um den Prozess nicht zu bremsen, sollten Sie dies frühzeitig erkennen und für diese Teilnehmenden andere Rollen oder Aufgaben bereithalten. Vielleicht sind im Szenario auch passive Rollen möglich oder Sie geben diesen Teilnehmenden eine beobachtende Rolle.
Die persönlichen Erfahrungen der Teilnehmenden können sehr intensiv sein. Planen Sie deshalb ausreichend Zeit für die Reflexion und Auswertung ein. Die gesammelten Erlebnisse, Eindrücke und Erkenntnisse der Teilnehmenden aus dem Bodystorming müssen im Nachgang mit geeigneten Methoden weiter analysiert werden, um weitere Erkenntnisse und daraus folgende Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Dies erfordert zusätzliche Zeit und Ressourcen.
Beispiel Produktentwicklung
Das Unternehmen KaloPhysis, das medizinische Messgeräte für den Privatbedarf herstellt, möchte ein neues elektronisches Gerät entwickeln, das Menschen dabei hilft, ihre Fitnessziele zu erreichen. Kundenumfragen haben ergeben, dass insbesondere ältere Menschen mit den üblichen Fitness-Apps und Gadgets wenig anfangen können, aber dennoch gerne etwas für Ihre Fitness unternehmen wollen.
Um herauszufinden, wie ein solches Produkt aussehen könnte, das bei der Zielgruppe von KaloPhysis Anklang findet, beschließt das Projektteam, ein Bodystorming mit geeigneten Personen durchzuführen.
Schritt 1: Definieren Sie das Problem und die Ziele!
In diesem Schritt geht es darum, das Problem oder die Herausforderung, die Sie lösen möchten, genau zu definieren. Achten Sie dabei darauf, dass das Problem klar und präzise beschrieben ist und dass alle Teilnehmenden dasselbe Verständnis haben. Um das Problem zu definieren, können Sie eine Reihe von Fragen stellen, z.B.:
- Wie zeigt sich das Problem?
- Was sind die wichtigsten Herausforderungen?
- Was sind die Auswirkungen des Problems?
- Wie wird das Problem aktuell angegangen?
Es gibt zahlreiche Methoden, um Probleme einzugrenzen und zu definieren. Unter anderem können Ihnen die Shainin-Methode zur Problemformulierung (Homing-In), der Voraussetzungsbaum oder die Kraftfeldanalyse dabei helfen.
Sammeln Sie unbedingt verschiedene Perspektiven auf das Problem, indem Sie mit Beteiligten oder Expert:innen sprechen und vorhandene Daten analyisieren. Das trägt dazu bei, das Verständnis des Problems zu vertiefen und die Effektivität des Bodystorming zu erhöhen.
Sobald das Problem oder die Aufgabenstellung klar definiert ist, benötigen Sie konkrete Ziele, die Sie mit dem Bodystorming erreichen wollen. Beschreiben Sie, welchen spezifischen, überprüfbaren und realistischen Beitrag das Bodystorming zur Lösung beitragen kann. Sie können auch einen Zeitrahmen und ein Budget festlegen, um sicherzustellen, dass das Bodystorming effektiv und effizient ist.
Beispiel Produktentwicklung
Die Projektgruppe definiert als Problem: Viele Menschen über 60 haben Schwierigkeiten, für sportliche Tätigkeiten motiviert zu bleiben und ihre Fitness-Ziele aufrechtzuerhalten.
Als Ziel der Bodystorming-Workshops definiert die Gruppe: Wir wollen herausfinden, mit welchen Funktionen ein elektronisches Gerät seine Benutzer:innen dabei unterstützen kann, ihr Fitness-Programm dauerhaft zu verfolgen.
Leider praxisfern
22.05.2023
Ich verstehe die Idee, aber das ist etwas für Jugend-/Schul- und Freizeitgruppen.
Ich sehe diese Methode nicht ernsthaft in einem Meetingraum einer Büroetage angewendet - womöglich sogar im Beisein von Vorstandsmitgliedern.
Vielen Dank für Ihren…
23.05.2023
Vielen Dank für Ihren Kommentar! Ich verstehe Ihre Bedenken bezüglich der Anwendung von Bodystorming in einem Meetingraum bzw. im Beisein von Vorstandsmitgliedern. Ich habe die Methode bereits etliche Male eingesetzt und kann Ihnen versichern, dass Bodystorming durchaus seine Berechtigung auf einen Platz in der Geschäftswelt hat: Durch physische Interaktionen und das Nachspielen verschiedener Szenarien werden neue Erkenntnisse und Perspektiven entwickelt, wodurch wiederum die Kreativität und das Engagement der Teilnehmer:innen gesteigert wird. Das Ergebnis sind innovative Lösungen.
Wie bei jeder Methode ist es auch hier absolut notwendig, den Kontext und die Teilnehmer:innen zu berücksichtigen, aber die Tatsache, dass Vorstandsmitglieder anwesend sind, sollte nicht als Hindernis betrachtet werden. Im Gegenteil, das Einbeziehen von Führungskräften trägt meiner Erfahrung nach sogar dazu bei, dass innovative Ideen direkt von der oberen Hierarchieebene unterstützt werden. Bodystorming fördert auch eine offene und kollaborative Kultur, in der auch Führungskräfte aktiv an kreativen Lösungsansätzen beteiligt sein sollten.
Wie alle Methoden muss auch Bodystorming angemessen vorbereitet, moderiert und auf die spezifischen Bedürfnisse des Workshops abgestimmt werden. Eine sorgfältige Planung und die Kommunikation der Ziele und Vorteile dieser Methode sind wichtig, um eventuelle Vorbehalte abzubauen.
Es lohnt sich auf jeden Fall, Bodystorming eine Chance zu geben und ihr Potenzial als Ergänzung zu anderen Methoden in der Praxis zu erkunden.
Mehr Praxis geht eigentlich kaum ...
23.05.2023
Lieber Herr Lux,
vielen Dank für Ihren Kommentar und die kritische Hinterfragung der Methode Bodystorming.
Als verantwortlicher Redakteur für den Methodenbereich bemühe ich mich, ein möglichst breites Spektrum von Methoden für viele Einsatzgebiete und viele Anwender:innen bereit zu stellen.
Jugendgruppen gehören ehrlicherweise gesagt nicht zu den von mir ins Auge gefassten Anwender:innen, schon allein deswegen, weil es dort eher kaum um Produktentwicklung und das Sich-Versetzen in die Kundenperspektive geht. Die jetzt gerade in das Berufsleben einsteigende Generation (d.h. die sog. "Millenials" und "Gen-Z") sehe ich sehr wohl als wesentliche Kundengruppe an. Zudem entwickelt sich unter dem Schlagwort "Gamification" ja seit einigen Jahren eine neue Kultur von Fortbildung und Methodik.
Das mag nicht für jede Zielgruppe geeignet sein. Nur ist eine Methode deswegen schlecht oder generell im Business-Kontext nicht einsetzbar?
Ich vermute aus Ihrer enttäuschten und abwertenden Reaktion, dass Sie auf der Suche nach Kreativitätsmethoden für ein traditionelles Unternehmensumfeld mit Team-Mitgliedern aus der sog. "Boomer"-Generation sind (zu der ich übrigens auch gehöre). Und vermutlich konnten Sie sich es sich ganz einfach nicht vorstellen, dass diese gesetzteren Damen und Herren bereit wären, sich auf diese Weise mit einer Aufgabenstellung zu beschäftigen. Mag sein. Ich habe schon Überraschendes erlebt.
Nun, dann setzen Sie doch ganz einfach eine der vielen anderen Kreativitätsmethoden ein! Mind Mapping, Six Thinking Hats, Walt-Disney-Methode, Bisoziation, und, und, und ... es gibt hier so viele Möglichkeiten für jede Konstellation.
Vielleicht können Sie ja sogar Ihr Team von Design Thinking überzeugen? Wenn Hasso Plattner von SAP davon begeistert ist, sollte das doch ein gutes Argument selbst für Vorstände sein. Und von Design Thinking zu Body Storming ist der Schritt dann nicht mehr wirklich groß.
Es würde mich freuen, wenn Sie aus Ingrids Antwort und meinen Überlegungen vielleicht die eine oder andere Anregung mitnehmen können.
Alles Gute und viel Erfolg in Ihren Projekten,
Georg Angermeier