Klopfen Sie Steine oder bauen Sie eine Kathedrale?
Klopfen Sie Steine oder bauen Sie eine Kathedrale?
"Eine Reihe kleiner Willensakte
bewirkt ein bedeutendes Resultat."
Charles Baudelaire (1821-1867),
französischer Dichter
Wie bereits Baudelaire wusste, treiben zwei wichtige Faktoren das operative Projektgeschäft voran: Die Motivation der Ausführenden und die Aufteilung in kleine, sofort umsetzbare Aufgaben. Beides hängt eng miteinander zusammen, denn die Erfolgserlebnisse über Erreichtes fördern die Motivation und eine hohe Motivation führt zu ergebnisorientiertem Arbeiten. Aber in einer zunehmend komplexeren und von vielen, nicht mehr überblickbaren Zusammenhängen geprägten Welt scheint es nicht so einfach möglich, in kleinen, überschaubaren Zusammenhängen zu arbeiten: Globale Strategien, Business Pläne, Masterpläne und vieles andere mehr sind großartige Lektüre, initiieren aber keine Handlungen.
Neu ist das Spannungsfeld zwischen subjektiv empfundener Komplexität einer großen Aufgabe und operativer Umsetzung in kleinen Schritten jedoch keineswegs, wie uns die berühmte Geschichte von den beiden mittelalterlichen Steinmetzen lehrt, von denen der eine schlechtgelaunt ist, weil er "nur Steine klopfe" und der andere fröhlich singend arbeitet, weil er "eine Kathedrale baue". In gewisser Weise arbeitete der zweite Steinmetz bereits "agil": Er erstellte in kurzen, überschaubaren Arbeitseinheiten zwar keine "kleinen, auslieferbaren Kathedralen", dafür aber kleine, auslieferbare Teile der großen Kathedrale.
Das ist letztlich der Trick des agilen Projektmanagements: Es gibt dem Projektteam das selbstbestimmte Arbeiten zurück, indem es gleichzeitig die große Aufgabe deutlich macht und sie in rasch umsetzbare Teilergebnisse strukturiert. Genau dies ist der zentrale Gedanke des Beitrags "Wie 'Agile' die Produktentwicklung revolutioniert" von Heinz Erretkamps. In ihm schildert er lebendig und eindrucksvoll, wie agile Vorgehensweisen nicht nur bei der Software-Entwicklung, sondern auch im Maschinenbau, speziell im Automotive, die Komplexität beherrschbar machen. Der Clou dabei ist: Agilität erhöht durch die Stärkung der Teamautonomie die Geschwindigkeit, verbessert die Steuerungsmöglichkeiten und erhöht vor allem die Flexibilität des Gesamtprojekts. Denn im Gegensatz zum Mittelalter ist heute in der Industrie 4.0 gefordert, dass sich auch das Endergebnis im Laufe seiner Erstellung anpassen lässt.
Viel Vergnügen beim Lesen wünschen Ihnen
Petra Berleb und das Team des Projekt Magazins
Lesen Sie auch in unserer Ausgabe 10/2016 vom 18. Mai 2016:
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