Exklusiv-Interview mit Tom DeMarco: Illusion "Überstunden"
Exklusiv-Interview mit Tom DeMarco: Illusion "Überstunden"
Tom DeMarco ist in Deutschland vor allem bekannt durch seinen Projektmanagement-Roman "Der Termin" und "Wien wartet auf Dich", in dem der Mensch als Schlüsselfaktor um Erfolg und Misslingen von DV-Projekten dargestellt wird. "Wien wartet auf Dich" ist in der 1. Auflage in den USA bereits 1987 erschienen und hat so manche Unternehmensentscheidung in Bezug auf das Arbeitsumfeld von Mitarbeitern als kontraproduktiv entlarvt. |
Tom DeMarco und Tim Lister kämpfen in diesem Buch gegen den alten Volksglauben an, mehr Produktivität lasse sich allein durch immer bessere Technologie erreichen. Stattdessen stellen sie die menschlichen Aspekte und die Teamsoziologie in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Sie zeigen auf, wie DV-Manager oder Projektleiter die geballte Energie freisetzen können, die in ihren Systementwicklern schlummert, und wie sie durch richtige Gestaltung des Arbeitsumfelds die Kreativität und Qualität ihrer Systeme drastisch verbessern können.
Petra Berleb hatte auf der Conquest 2000 die Gelegenheit, Tom DeMarco nach seinen Erfahrungen der letzten 13 Jahren zu befragen. Sie wollte wissen, wie sich das Management in der Zwischenzeit verändert hat.
Veränderte Denkweise
PM: Sie haben das Buch "Peopleware" (in Deutschland "Wien wartet auf Dich") 1987, also schon vor 13 Jahren, veröffentlicht. Sehen Sie inzwischen Veränderungen in der Denkweise des Managements?
DeMarco: Das Buch wurde 1999 in einer zweiten Auflage neu herausgegeben. Wir haben zwischen beiden Versionen dazugelernt. Es gibt Änderungen in der Herangehensweise, neue Ideen, von denen uns unsere Leser berichtet haben. Die haben wir jetzt mit hineingenommen.
Firmen widersetzen sich
Die wichtigere Frage ist: Hat das Buch eine Wirkung gehabt? Ich denke, jeder Teil des Buchs hatte einen deutlichen Einfluss, mit Ausnahme eines Abschnitts: Des Versuchs, das äußere Arbeitsumfeld zu verbessern. Die Unternehmen zu veranlassen, Arbeitsplätze ruhiger zu gestalten, etwas mehr Privatsphäre zu gewähren. Sie haben sich da stark widersetzt. Speziell dagegen, Geld auszugeben für so etwas.
Unternehmen, die unseren Rat befolgt haben, florieren. Während andere anscheinend unfähig sind, sich zu reformieren. Darüber bin ich sehr unglücklich. Leider machen junge Unternehmen, "Dot.coms", die gleichen Fehler: Sie stecken nicht genug Geld in das Arbeitsumfeld. Sie verschwenden einen Teil der Kapazitäten Ihrer Mitarbeiter, weil deren Arbeitsplatz zum Beispiel eine laute Geräuschkulisse hat, keine positive Arbeitsatmosphäre bietet.
Erfolge im Teambereich
Die Erfolge gab es eher im Teambereich. Vor der Veröffentlichung von "Wien wartet auf Dich" verkündeten die Leute, wie sehr sie auf Teamarbeit setzen. Doch viele Manager sahen sich gleichzeitig durch das Team in ihrem Selbstverständnis bedroht. Denn wenn Mitarbeiter sehr stark in eine Arbeitsgruppe eingebunden und darin verwurzelt sind, lassen sie sich nicht mehr so leicht von einem Vorgesetzten als "Autorität" beeinflussen. Da kommt die Autorität dann aus der Gruppe. Viele Manager, die versuchen, solche Teams zu führen, haben das Gefühl, dass ihre eigene Autorität versagt. Dass sie vom Team herausgefordert und hinterfragt wird.
Die Hauptwirkung von "Wien wartet auf Dich" war, dass Manager besser verstehen: Sie sind wichtig, auch wenn sich ihre Teams als "anti-autoritär" verstehen. Das zu akzeptieren ist ein niedriger Preis, den sie zahlen müssen für das, was sie im Gegenzug von den Teams bekommen: Zusätzliches Engagement und Einsatz für die Arbeit. Das war der große Erfolg des Buchs.
Illusion "Überstunden"
PM: Sie propagieren in Ihrem Buch "Wien wartet auf Dich", dass sich kreatives Chaos positiv auf die Mitarbeiterleistung auswirkt, während zu starre Regeln sie in ihrer Leistungsfähigkeit zu sehr einschränkt.