Change-Projekte mit Retrospektiven steuern
Change-Projekte mit Retrospektiven steuern
Sucht man in einschlägig bekannten Online-Shops nach Büchern zum Thema "Change Management", erhält man über 75.000 Treffer – ein Hinweis darauf, dass dieses Thema bereits seit Jahrzehnten heiß diskutiert wird. Doch trotz dieser Flut an Büchern, gibt es bis heute scheinbar keinen Königsweg, mit dem sich Change-Initiativen erfolgreich durchführen lassen. Wie sonst ist es zu erklären, dass immer noch über 70% aller gestarteten Change-Management-Projekte nicht erfolgreich zu Ende geführt werden (McKinsey, 2008). In Fällen, in denen auch die Firmenkultur von den Veränderungen betroffen ist, sind es sogar über 90%.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. John Kotter, einer der führenden Köpfe im Change Management hat in seinem Buch "Leading Change" acht Ursachen für diese vielen Misserfolge aufgeführt (Kotter, 1995):
- Gefühl für Dringlichkeit fehlt
- Dem Change-Management-Team fehlt es an der nötigen Macht, Dinge umsetzen zu können
- Keine Vision
- Vision wird nicht ausreichend kommuniziert
- Hindernisse werden nicht entfernt
- Keine kurzfristigen Erfolge
- Der Sieg wird zu früh erklärt
- Die Veränderung wird nicht ausreichend etabliert
Aus der Sicht von John Kotter bauen diese acht Dinge aufeinander auf und man muss jedes dieser Probleme eines nach dem anderen angehen. Im Großen und Ganzen stimme ich John Kotter zu, allerdings glaube ich, dass sich diese acht Punkte auf vier Erfolgsfaktoren im Change Management reduzieren lassen und ein rein serielles Vorgehen nicht immer zielführend ist.
Dieser zweiteilige Beitrag beschreibt einen praxiserprobten Prozess, der bereits in mehreren Change-Initiativen erfolgreich zum Einsatz kam. Im ersten Teil stelle ich zunächst die vier Erfolgsfaktoren für Change-Projekte vor und beschreibe im Anschluss, wie Sie den Kick-Off-Workshop eines Change-Projekts sinnvoll gestalten können. Im Mittelpunkt des zweiten Teils erfahren Sie dann, wie sich die Retrospektive als zentrales Steuerungselement eines Change-Prozesses einsetzen lässt.
Die vier Erfolgsfaktoren im Change Management
Bei den meisten Unternehmen heutzutage handelt es sich um sog. komplexe, adaptive Systeme, also Systeme, die sich ihrer Umgebung kontinuierlich anpassen. Solche Systeme haben den Nachteil, dass sich nicht vorhersehen lässt, wie diese auf Reize, wie z.B. eine Veränderung, reagieren werden. Es können Vermutungen angestellt werden, aber eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht. Aus diesem Grund muss man einen Change-Prozess so flexibel und einfach wie möglich gestalten, damit dieser sich an Veränderungen im System anpassen kann. Ein solcher Prozess ruht auf den folgenden Säulen, die vier Erfolgsfaktoren für Change-Projekte:
- Klare Vision und Ziele
- Klares Verständnis für den augenblicklichen Zustand
- Ein umfassendes Verständnis der bereits vorhandenen Tools im Change Management
- Feedbackschleifen
Klare Vision und Ziele
Es ist interessant, wie viele Unternehmen einen Change-Prozess starten, ohne sich ausreichend Gedanken gemacht zu haben, was eigentlich das Ziel dieser Veränderung sein soll. Das beste Beispiel hierfür sind die vielen agilen Transitionen (z.B. nach Scrum), die fehlschlagen, weil sich die Unternehmen vorher überhaupt nicht überlegt haben, was sie damit eigentlich erreichen wollen. Das Thema "Scrum" war und ist ein großer Hype, jeder will dabei sein und das war vielen schon Grund genug, diesen Prozess einzuführen.
Wenn man aber nicht weiß, wohin man will und sich keine messbaren Ziele gesetzt hat, ist es nur schwer möglich, einen zielgerichteten Change-Prozess in Gang zu setzen. Solche Change-Initiativen sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Klares Verständnis für den augenblicklichen Zustand
Wer sich schon einmal auf seinem Handy mithilfe einer Navigationssoftware den richtigen Weg zeigen lassen wollte, kennt sicher auch das Problem eines fehlenden GPS-Signals. Aber ohne diese Information ist die Navigationssoftware nicht in der Lage, den richtigen Weg zu weisen. Und wenn man nicht weiß, wo man gerade steht, ist es nur schwer möglich, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen.
Genau das gleiche Problem liegt vor, wenn ein Change-Prozess gestartet wird. Am Anfang muss immer eine Bestandsaufnahme stehen, um den Startpunkt exakt zu bestimmen. Nur wenn man weiß, wo man steht, kann man sich überlegen, welches die nächsten sinnvollen Schritte sind. Wichtig ist hierbei, ehrlich zu sein und sich nichts vorzumachen. Das Management sieht die augenblickliche Situation meist rosiger, als die Mitarbeiter ein paar Ebenen tiefer.
Ein umfassendes Verständnis der bereits vorhandenen Tools im Change Management
Einen Change-Prozess zu steuern, ist keine einfache Aufgabe und funktioniert nur dann, wenn das Change-Management-Team ein möglichst umfassendes Verständnis über die existierenden Tools hat. Es ist also durchaus sinnvoll, sich das ein oder andere der über 75.000 Bücher zu diesem Thema zur Brust zu nehmen, um sich ausführlich darüber zu informieren.
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