Keine Angst vor dem Scheitern Was zeichnet eine positive Fehlerkultur aus?

Teil 1:
Grundlagen schaffen

Haben Sie Angst, dass Ihnen in der Arbeit ein Fehler passiert? Falls ja, scheint die Fehlerkultur in Ihrem Unternehmen nur sehr schwach ausgeprägt zu sein – für neue Ideen und Innovationen ist kein Raum. Dabei ist der Weg zu einer positiven Fehlerkultur überaus lohnenswert, wie Birgit Mallow und Dr. Gerd Kopetsch zeigen. Sie stellen in diesem zweiteiligen Beitrag eine Reifegradskala vor, die die verschiedenen Ausprägungen einer Fehlerkultur beschreibt. Das Modell dient zur Diagnose des Status Quo und gibt Anregungen, wie sich die Fehlerkultur eines Unternehmens verbessern lässt.

Keine Angst vor dem Scheitern Was zeichnet eine positive Fehlerkultur aus?

Teil 1:
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Haben Sie Angst, dass Ihnen in der Arbeit ein Fehler passiert? Falls ja, scheint die Fehlerkultur in Ihrem Unternehmen nur sehr schwach ausgeprägt zu sein – für neue Ideen und Innovationen ist kein Raum. Dabei ist der Weg zu einer positiven Fehlerkultur überaus lohnenswert, wie Birgit Mallow und Dr. Gerd Kopetsch zeigen. Sie stellen in diesem zweiteiligen Beitrag eine Reifegradskala vor, die die verschiedenen Ausprägungen einer Fehlerkultur beschreibt. Das Modell dient zur Diagnose des Status Quo und gibt Anregungen, wie sich die Fehlerkultur eines Unternehmens verbessern lässt.

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"Scheitern" und "Fehler" sind seit ein paar Jahren "in" – zumindest wenn man die Diskussion über diese Begriffe verfolgt. Eine wachsende Anzahl an Ratgebern bestätigt diesen Trend. Suchte man Anfang 2015 im Internet unter dem Stichwort "Scheitern" nach Büchern, lieferte das Suchergebnis über 400 verzeichnete Titel. Zeitschriften widmen mittlerweile den "Chancen des Scheiterns" einen Schwerpunkt oder ein Sonderheft (wie z.B. "Der Spiegel – Wissen: Richtig scheitern. Wie Niederlagen zum Erfolg führen können", 01/2015 oder zfo – Zeitschrift für Organisation, 04/2014).

In diesem Zusammenhang liest man dann sinngemäß immer auch die Forderung: "Wir brauchen eine gute Fehlerkultur!" Gemeint ist damit eine "gute Kultur, mit Fehlern umzugehen" bzw. "ein Unternehmen / eine Organisation / ein Projekt hat eine gute Art und Weise, mit Fehlern umzugehen". Die Gründe für den Ruf nach einer "positiven Fehlerkultur" sind vielfältig.

Fehler? Machen wir nicht!

Dabei hat besonders Deutschland mit dem Thema "Fehlerkultur" offensichtlich kein gutes Verhältnis. Denn einen Fehler offen einzugestehen, ist in vielen Unternehmen ein großes Risiko: kleinere und größere Missgeschicke oder gar ein gescheitertes Projekt verantwortet zu haben, führt in Deutschland schnell zu einem Karriereknick. Und wer gar als Unternehmer scheitert, erhält kaum eine zweite Chance. Der Wirtschaftspsychologe Michael Frese hat in einer Studie 61 Länder zu Fehlertoleranz untersucht und fand Deutschland und Singapur auf den beiden letzten Plätzen (vgl. Frese et al., 2011).

Dieser zweiteilige Beitrag zeigt Ihnen die Merkmale einer negativen und einer positiven Fehlerkultur. Mit der Fehlerkultur-Reifegradskala stellen wir ein Modell mit verschiedenen möglichen Ausprägungen für eine Fehlerkultur vor. Dieses Modell kann zur Diagnose dienen, aber auch Anregungen zur Entwicklung einer besseren Fehlerkultur geben. Im zweiten Teil geben wir zudem einige Tipps, welche Maßnahmen sich auf dem Weg zu einer positiven Fehlerkultur in der Praxis bewähren.

Bild 1: Fehler können vielfältige Ausprägungen haben.
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Fehler als Experimente und Lernchance

Eine negative Fehlerkultur verhindert Innovationen und das gilt derzeit als eines der großen Hindernisse für die deutsche Wirtschaft. Denn Kreativität und schnelle Innovationen erfordern, dass man auch einmal in die "falsche Richtung" denkt, um daraus zu lernen und neue Ideen weiterzuentwickeln oder zu korrigieren. Auf diesem Prinzip basieren moderne Vorgehensweisen wie Lean StartUp, Business Model Generation oder Design Thinking (vgl. Ries 2011 oder Osterwalder 2010). Für die Produktentwicklung in einem komplexen Umfeld gelten agile Vorgehensweisen wie Scrum als adäquate Herangehensweise. Aber gerade die Kernprinzipien "transparency, inspect and adapt" lösen in Unternehmen mit einer negativen Fehlerkultur oft Ängste und Widerstände auf verschiedenen Ebenen aus.

Grundidee all dieser modernen Ansätze ist, Fehler möglichst früh zu machen, um daraus zu lernen, um Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren und damit "Wege zu verkürzen". Auch der Begriff der lernenden und sich aus ihren Erfahrungen emergent weiter entwickelnden Organisation fällt in diesem Zusammenhang.

Bild 2: Fehler früh finden und bearbeiten (Quelle: Henrik Kniberg, Spotify: culture over process).

Die Bedeutung einer positiven Fehlerkultur für den Projekterfolg hat eine im Mai 2015 veröffentlichte Studie des BPM-Labors von Prof. Dr. A. Komus belegt: Sie ergab, dass bei 83% der erfolgreichen Projekte die gelebte Kultur Fehler als unvermeidlich und als Chance zum Lernen und zur Entwicklung von Innovationen akzeptiert hat. 72% der nicht erfolgreichen Projekte gab an, dass keine positive Fehlerkultur gelebt wurde.

Die negative Fehlerkultur

Eine "negative Fehlerkultur" ist meist damit verbunden, dass Fehler vertuscht werden. Es werden kontinuierlich inadäquate Entscheidungen getroffen, um die falschen Entscheidungen der Vergangenheit nicht einzugestehen und korrigieren zu müssen – oder Entscheidungen werden ganz vermieden.

Fortsetzungen des Fachartikels

Teil 2:
Die neue Kultur verankern
Fehler sind toll! Sie decken bisher ungeahnte Potentiale auf und sind Wegbereiter für Innovationen. Wer keine Angst vor Fehlern hat, denkt kreativ, probiert etwas aus und generiert neue Ideen.

Alle Kommentare (2)

Beate
Friedrich

Das Spannende ist jetzt natürlich, das für den Kopf Offensichtliche auch aus dem Bauch heraus umsetzen zu können. Kriegen wir auch in Deutschland so eine Fehlerkultur hin? Musik, Dichtung etc. können wir. Aber Fehler? Wo wir so gerne vorausschauend im Detail alles durchplanen? Vielleicht hilft die Studie von Prof. Komus, um Stück für Stück eine weitere Stufe im Modell zu erklimmen. Und natürlich dieser Artikel ;-)

 

Liebe Beate Friedrich, da sprechen Sie eine wichtige Hürde an... Sehen wir es als Prozess der kleinen Schritte an: immerhin wird ein Artikel veröffentlicht, der sich traut, die Hauptworte "Fehler" und "Kultur" als zusammengesetztes Substantiv im Titel zu führen. Es kann also nur aufwärts gehen ;-) Liebe Grüße - Birgit Mallow und Gerd Kopetsch