Über das Für und Wider eines Kick-off-Meetings gibt es unterschiedliche Ansichten. Der am meisten geäußerte Vorbehalt in der Praxis lautet: "In der Zeit, in der wir uns unnütz von Auftraggeber und Projektleitung berieseln lassen, hätte ich schon die erste User Story / die erste Aufgabe erledigen können."
Äußerungen wie diese weisen auf den häufigsten und schwerwiegendsten Fehler bei der Durchführung von Kick-off-Meetings hin: Projektverantwortliche sehen es als Präsentations- und Werbeveranstaltung ihres Projekts an und nicht als erste gemeinsam Aktion des Projektteams.
Ihr Ziel bei der Gestaltung und Durchführung eines Kick-off-Meetings sollte also sein, dass auch die schlimmsten Meeting-Muffel in der Auswertung sagen: "Das Meeting empfand ich als sehr nützlich, weil ich jetzt wesentlich effizienter mit der Arbeit beginnen kann und den Überblick habe, worauf wir hinauswollen."
Zweck eines Kick-off-Meetings
Der Charakter des Kick-off-Meetings sollte davon geprägt sein, die Teilnehmenden zu Mitwirkenden zu machen. Die Vermittlung von Inhalten dient somit ausschließlich dazu, die Projektbeteiligten zu befähigen, ihre Rollen wahrzunehmen und ihre Aufgaben zu erfüllen.
Fragen und Anmerkungen zu anderen Themen, wie z.B. eine Diskussion zu fachlichen Problemen, sind nicht Teil des Kick-off-Meetings. Verweisen Sie hier auf die vor dem Team liegende Projektdurchführung und legen Sie den Fokus des Meetings auf folgende Fragen:
- Was ist die Vision des Vorhabens? Was wollen wir gemeinsam erreichen?
- Wer gehört zum Team und welche Interessen gibt es?
- Wie gestalten wir unsere Zusammenarbeit, wer hat welche Rolle und welche Teamregeln gibt es?
- Wie packen wir es an, welche Methodik verwenden wir?
- Was machen wir, wenn wir Hilfe brauchen?
Das Kick-off-Meeting dient somit dazu, die Teamarbeit zu initiieren. Hierfür ist ein Integrationsprozess erforderlich, der eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ermöglicht. Inhalt dieses Prozesses sind die Kerndaten des Projekts, sein Zustandekommen und die Rahmenbedingungen. Dadurch erhält das Team die notwendige Orientierung, um handlungsfähig zu werden.
Dieser Integrationsprozess kann grundsätzlich auf drei Arten gestaltet werden: formal, produktorientiert und teamorientiert. In der Praxis wird meist eine Mischform realisiert werden, bei der alle drei Aspekte in einer dem Vorhaben angemessenen Weise behandelt werden.
Formales Kick-off-Meeting
Das formale Kick-off-Meeting läuft wie in den Lehrbüchern oder auf zahlreichen Internetseiten von Software-Herstellern und Beratungsunternehmen beschrieben nach einer Standard-Agenda ab:
- Begrüßung durch die Projektleitung (5 Minuten)
- Statement des Auftraggebers (10 Minuten)
- Vorstellungsrunde (15 Minuten)
- Präsentation des Projekts und des Projektplans (30 Minuten)
- Kaffeepause (15 Minuten)
- Erläuterung der Vorgehensweise (15 Minuten)
- Präsentation des Projektorganigramms und der Rollen (15 Minuten)
- Möglichkeit für Fragen (15 Minuten)
- Feedbackrunde (10 Minuten)
- Verabschiedung (5 Minuten)
An diesen zwei Stunden, die durch eine fünfzehnminütige Kaffeepause unterbrochen werden, ist nichts Schlechtes, aber die Gefahr ist groß, dass die meisten Teilnehmer:innen lediglich Zuhörer:innen bleiben und sich weder Teamgeist noch Motivation entwickelt. Sie hat den Charakter einer Informationsveranstaltung; der größte Teambuildingeffekt wird durch die Kaffeepause erzielt. Die Teammitglieder werden die Bedeutung, die dem Projekt beigemessen wird, an der Qualität des angebotenen Snacks beurteilen: Gibt es lediglich Kekse oder frisch vom Bäcker gelieferte Backwaren?
Das formale Kick-off-Meeting hat dennoch folgende Vorteile:
- Es fügt sich reibungslos in den Arbeitsalltag ein
- Es gibt keine Überraschungen und die Komfortzonen der Beteiligten bleiben unangetastet.
- Der Informationsbedarf der Beteiligten, um die Arbeit am Projekt aufzunehmen, wird gedeckt.
- Die Teilnehmenden können sich während der Veranstaltung die für sie interessanten Aspekte herausholen und die übrige Zeit still für sich arbeiten.
Das formale Kick-off-Meeting eignet sich deshalb für folgende Projekte:
- Einfache Standardprojekte, die einem bekannten Ablauf folgen
- Projekte mit Teams, deren Mitglieder sich bereits kennen und die schon mehrfach zusammengearbeitet haben
- Projekte in einem stabilen Umfeld, das am Projekterfolg interessiert ist
- Projekte mit hoher Erfolgsaussicht (mehr als 80%)
Erfolgsfaktoren für das formale Kick-off-Meeting
Vermutlich die Mehrzahl aller Kick-off-Meetings laufen nach diesem Schema ab. Um es erfolgreich zu gestalten beachten Sie folgende Punkte:
- Begrüßen Sie die Teilnehmenden beim Hereinkommen persönlich und wechseln Sie einige Worte mit ihnen.
- Sorgen Sie für ein angenehmes Ambiente. Sorgen Sie mindestens für einen störungsfreien Raum mit guter Ausleuchtung und Akustik sowie komfortabler Bestuhlung.
- Halten Sie die Präsentationen kurz und prägnant. Regen Sie die Vortragenden an, interaktive Elemente einzubauen.
- Setzen Sie kleine methodische Varianten ein. Bei der Vorstellungsrunde können Sie z.B. Zweierpaare bilden, und die Partner:innen sich im Plenum gegenseitig vorstellen lassen.
- Achten Sie auf ein qualitativ hochwertiges Catering für die Kaffeepause.
- Halten Sie den Ball flach. Es geht lediglich um ein zu erledigendes Projekt, nicht um die Rettung der Welt.
Produktorientiertes Kick-off-Meeting
Hier stehen die Vision und das zu erreichende Ziel im Mittelpunkt. Die Teilnehmenden sollen das Gefühl bekommen, an einer sinngebenden, wichtigen Sache mitzuwirken. Dies ist nicht durch frontale Präsentationen erreichbar. Die Teilnehmenden müssen in direkten Kontakt mit dem Projektgegenstand kommen und sich mit ihm physisch beschäftigen.
Für produktorientierte Kick-off-Meetings liefern die sogenannten 4Cs nach dem Konzept "Training from the Back of the Room" von Bowman einen guten Ansatz (Bowman, Sharon L.: Training from the Back of the Room! 65 Wege in Trainings Raum fürs Lernen zu schaffen, 2021). Die 4Cs stehen für: Connections, Concepts, Concrete Practice und Conclusions. Sie beschreiben ein didaktisches Modell, das sich nicht nur für Fortbildungen, sondern auch für die Anfangsphase von Projektteams ausgezeichnet eignet.
Übertragen auf das Kick-off-Meeting können die 4Cs bedeuten:
- Connections: Die Teilnehmenden, der:die Trainer:in und der Inhalt sollen miteinander verbunden werden. Es gilt, Anknüpfungspunkte zu finden, die z.B. auf Erfahrungen oder Interessen beruhen. Im Kick-off-Meeting stellt natürlich das startende Projekt den zentralen Anknüpfungspunkt dar. Aber es gilt, dies erlebbar zu machen. Für die Verbindung der Beteiligten untereinander sind zudem auch ihre jeweiligen Erfahrungen und Qualifikationen wichtig. Die Verbindung der Teilnehmenden mit dem Projektgegenstand können Sie auf vielfältige Weise herstellen: Sie können z.B. als Location die für das zu erstellende Produkt vorgesehene Produktionshalle wählen oder eine Arbeitseinheit einplanen, in der die Teammitglieder sich mit den künftigen Anwender:innen austauschen.
- Concepts: Dieser Aspekt beschreibt das Aneignen neuer Informationen und ihre Umwandlung zu Wissen der Teilnehmenden. Im produktorientierten Kick-off-Meeting geht es dabei in erster Linie um die Präsentation der Produktvision und des Lösungsansatzes. Begleitend kann es sinnvoll sein, sich mit der zu verbessernden Ausgangssituation oder Wettbewerbsprodukten zu beschäftigen.
- Concrete Practice: Im Trainingszusammenhang geht es bei diesem Aspekt darum, das Gelernte einzuüben – Concrete Practice dient also dazu, das Gelernte zu vertiefen und zu verankern. In Projekten hingegen ist die konkrete Umsetzung das eigentlich Ziel. Im produktorientierten Kick-off-Meeting bereiten die Elemente des Concrete Practice bereits die eigentliche Projektarbeit vor. Die Teilnehmenden werden dabei zu Mitwirkenden. Es soll die Stimmung entstehen: Lasst es uns anpacken! Eine Möglichkeit besteht z.B. darin, dass die Teilnehmenden in Gruppenarbeit Mockups (z.B. ein Papiermodell) des Produkts erstellen oder eine Szene spielen, die das funktionierende Produkt zum Inhalt hat.
- Conclusions: Bei Trainings meint Conclusions den Praxistransfer des Gelernten und damit den krönenden Abschluss der Veranstaltung. Beim Kick-off-Meeting hingegen geht es hier erst richtig los. Die Conclusions, d.h. das Wer und das Wie der Umsetzung sind ja zentraler Inhalt der Agenda. Die Teilnehmenden beschäftigen sich mit dem gewählten Lösungsansatz, prüfen den Projektplan, diskutieren z.B. den Project Canvas und erarbeiten gemeinsam erste Schritte.
Das produktorientierte Kick-off-Meeting eignet sich grundsätzlich natürlich für alle Projekte, die einen konkreten Output liefern sollen. Insbesondere sind dies:
- Produktentwicklungen
- Bauvorhaben und Infrastrukturprojekte
- Projekte mit hohem Innovationsgrad
Teamorientiertes Kick-off-Meeting
Grundgedanke dieses Formats ist, dass der Faktor Mensch den größten Einfluss auf den Projekterfolg hat. Dementsprechend stehen die Stakeholder:innen im Mittelpunkt, allen voran die wichtigsten: die Mitglieder des Projektteams selbst.
Bekanntlich entwickeln sich Teams nach dem von Bruce Tuckman 1965 beschriebenen Modell in den vier Phasen Forming, Storming, Norming und Performing. Im Rahmen des Kick-off-Meetings ist es kaum möglich, diese Phasen vollständig zu durchlaufen, aber sie können vorbereitet und eingeübt werden. Hierfür eigenen sich insbesondere spielerische Gruppenarbeiten wie z.B. Escape the Boom, Marshmallow Challenge oder Lego® Serious Play®. Weitere Anregungen finden Sie unten im Abschnitt "Elemente für Teambuilding".
Das teamorientierte Kick-off-Meeting eignet sich insbesondere für:
- Neu zusammengesetzte, funktionsübergreifende und interdisziplinäre Teams
- Projekte, bei denen die Kollaboration des Teams der entscheidende Erfolgsfaktor ist, z.B. Veranstaltungen, Organisationsentwicklung, Gemeinwesenprojekte.
Vorbereitung
Das Kick-off-Meeting steht repräsentativ für das Projekt. Der Eindruck, den die Beteiligten von der Organisation und dem Ablauf des Kick-off-Meetings haben, prägt auch ihren Eindruck vom Projekt und bestimmt die Projektkultur. Bereiten Sie deshalb das Kick-off-Meeting sorgfältig vor und seien Sie sich seiner Bedeutung bewusst!
Definieren Sie den Kreis der Teilnehmenden
Erstellen Sie auf Basis der Umfeldanalyse Ihres Projekts und unter Berücksichtigung des Stakeholdermanagements die Liste der Personen, die am Kick-off-Meeting teilnehmen sollten. Mindestens das Projektkernteam, die Mitglieder des Lenkungsausschusses und der:die Auftraggeber:in sollten dabei sein.
Größe und Zusammensetzung des Teilnehmerkreises haben einen wesentlichen Einfluss auf das Format des Kick-off-Meetings. Sollen z.B. möglichst alle Betroffenen und Beteiligten dabei sein, so können Großgruppenformate für die Veranstaltung sich als geeignet erweisen (siehe Abschnitt "Varianten").
Definieren Sie Zeitrahmen und Format
Größe und Umfang des Vorhabens, Zahl der Teilnehmenden und das Projektumfeld (z.B. Unternehmenskultur) grenzen Zeitrahmen und Format meistens bereits stark ein. Orientieren Sie sich im Minimum am oben beschriebenen formalen Kick-off-Meeting.
Die Methoden Moderation von Arbeitsgruppen und Workshop können Ihnen helfen, das angemessene Format zu finden.
Organisieren Sie Räumlichkeiten, Ausstattung und Catering
Das Ambiente hat einen großen Einfluss auf die Stimmung der Teilnehmenden. Achten Sie deshalb darauf, rechtzeitig passende Räumlichkeiten zur organisieren, die sowohl effizientes Arbeiten als auch entspannte Pausen ermöglichen.
Der Veranstaltungsort braucht keineswegs freizeitorientiert sein, er darf durchaus in engem Bezug zum Projekt stehen. Wenn Sie z.B. ein Projektbüro oder einen Obeya eingerichtet haben, sollten Sie versuchen, das Kick-off-Meeting in dessen Nähe durchzuführen.
Hat das Projekt selbst einen direkten räumlichen Bezug, z.B. bei einem Infrastrukturprojekt, so kann es motivierend wirken, das Kick-off-Meeting direkt vor Ort durchzuführen. In diesem Fall müssen Sie einen entsprechend höheren Aufwand für die Ausstattung (z.B. Bestuhlung, Moderationsmöglichkeiten) betreiben.
Gleichen Sie laufend mit der Entwicklung des Veranstaltungs-Programms ab, ob Räumlichkeiten und Ausstattung für die Anforderungen geeignet sind.
Sowohl für die Motivation der Teilnehmenden als auch für das Teambuildung ist das Catering von großer Bedeutung. Knausern Sie hier nicht.
Entwickeln Sie das Programm
Entscheiden Sie als erstes, ob Sie ein formales, produktorientiertes oder teilnehmerorientiertes Kick-off-Meeting machen wollen bzw. welchen Stellenwert diese Aspekte haben sollen.
Stellen Sie dann die Elemente des Programms zusammen (siehe folgende Abschnitte), schätzen Sie die jeweiligen Dauern ab und benennen Sie die Personen, die diese Elemente gestalten. Stimmen Sie den Inhalt des Programms mindestens mit dem:der Auftraggeber:in ab.
Wählen Sie die Methoden aus und bereiten Sie diese vor
Stellen Sie für die einzelnen Programmpunkte die dazu passenden Methoden zusammen. Bei einem formalen Kick-off-Meeting werden reine Präsentationen dominieren, bei produkt- oder teamorientierten Kick-off-Meetings können Sie aus einer Vielzahl von Moderationsmethoden auswählen. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie aus dem Kick-off-Meeting keine Methodenschulung machen.
Bereiten Sie Unterlagen und Präsentationen vor
Stimmen Sie mit den anderen Verantwortlichen für die ausgewählten Elemente ab, wer welche Unterlagen und Präsentationen bis wann erstellt. Sie sollten unbedingt alle rechtzeitig vor dem Kick-off-Meeting vorliegen haben, um sie inhaltlich zu prüfen und dafür zu sorgen, dass sie prägnant und gut verständlich sind.
Planen Sie den Ablauf und erstellen Sie die Tagesordnung
Als Grundgerüst für die Planung des Ablaufs kann Ihnen die oben beschriebene Tagesordnung des formalen Kick-off-Meetings dienen. Ordnen Sie die gesammelten Elemente des Programms in einer sinnvollen zeitlichen Reihenfolge an und schätzen Sie die jeweiligen Dauern realistisch ab. Achten Sie auf ausreichende Pausenzeiten. Wenn der gesetzte Zeitrahmen für das gesamte Meeting dadurch überschritten wird, streichen Sie Elemente. Versuchen Sie niemals, durch das Verkürzen der sinnvoll gewählten Dauern mehr Inhalt in dieselbe Zeit zu quetschen.
Erstellen Sie die endgültige Tagesordnung und stimmen Sie diese mit den wichtigsten Beteiligten ab.
Verschicken Sie die Einladung mit Tagesordnung und Unterlagen
Laden Sie die Teilnehmenden rechtzeitig ein, so dass diese sich anhand der Unterlagen auf das Kick-off-Meeting vorbereiten können. Gestalten Sie Einladung und Tagesordnung nach Möglichkeit passend zum Projekt, z.B. mit einem aussagekräftigen Projektnamen und Projektlogo.