Missverständnisse ausräumen mit der Differenzialtechnik
Konflikte sind nicht immer auf rein emotionale Belange zurückzuführen, oft sind auch sachliche Missverständnisse dafür verantwortlich. Mit der Differenzialtechnik kann man diese Missverständnisse offenlegen und den Konflikt leicht in den Griff bekommen. Wilfried Reiter stellt die Methode vor.
Missverständnisse ausräumen mit der Differenzialtechnik
Konflikte sind nicht immer auf rein emotionale Belange zurückzuführen, oft sind auch sachliche Missverständnisse dafür verantwortlich. Mit der Differenzialtechnik kann man diese Missverständnisse offenlegen und den Konflikt leicht in den Griff bekommen. Wilfried Reiter stellt die Methode vor.
Besteht zwischen verschiedenen Teammitgliedern ein Konflikt, wissen viele Projektmanager nicht, wie sie sich verhalten sollen. Geht es dabei um persönliche Abneigung, Neid oder Verletzungen, ist eine schnelle Lösung meist nicht möglich. Oft liegt die Ursache jedoch weniger tief, z.B. wenn der Konflikt auf sachliche Missverständnisse zurückzuführen ist. Mit der hier vorgestellten Technik können Sie solche Konflikte leicht in den Griff bekommen.
Missverständnis als Konfliktursache
Besteht ein Konflikt aufgrund eines sachlichen Missverständnisses, geht es nicht um unterschiedliche Meinungen, sondern darum, dass eine Partei nicht genau verstanden hat, was die andere eigentlich meint. Deshalb muss zunächst das Missverständnis ausgeräumt werden - der Konflikt löst sich dann meist von selbst. Die hier vorgestellte Technik hilft Ihnen dabei, Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennbar zu machen und so den Konflikt zu lösen. Ich nenne sie deshalb Differenzialtechnik.
Beispiel
In einem Projektteam sagt eine Partei: "Lasst uns die neue Technik einsetzen!" Eine andere Partei sagt: "Seid ihr verrückt? Die ist doch noch gar nicht ausgereift! Wir holen uns doch keine blutige Nase und setzen das Projekt in den Sand, bloß weil ihr ein neues Spielzeug ausprobieren wollt!" Und schon entwickelt sich eine hitzige Debatte mit starker Abwehrhaltung auf beiden Seiten, was über kurz oder lang zum Konflikt führt.
Nehmen Sie als Projektleiter in einem solchen Fall die kontroversen Meinungen der beiden Seiten unparteiisch auf und arbeiten Sie deren unterschiedliche Positionen heraus. Dazu können Sie die sechs Fragen der Differenzialtechnik verwenden. Bevor Sie den Beteiligten die Fragen stellen, legen Sie als Regel fest, dass nur die Person oder Partei spricht, die gerade befragt wird, und die andere zuhören und keine Einwände vorbringt.
Die sechs Fragen der Differenzialtechnik
Sind die Verhaltensregeln für die Befragung geklärt, können Sie mit dem Interview beginnen. Beiden Konfliktparteien stellen Sie die folgenden sechs Fragen. Bitten Sie Ihren Gesprächspartner jeweils um eine einfache und kurze Antwort.
- Was genau wollen Sie mit Ihrer Position ausdrücken?
- Was bringt es Ihnen, wenn wir uns Ihrer Meinung anschließen und Ihren Vorschlag annehmen?
(Bitten Sie Ihren Gesprächspartner um eine möglichst konkrete Antwort. So erfahren Sie, welches Interesse hinter der geäußerten Meinung steht.) - Was könnte uns Ihr Vorschlag bringen?
- Welche Probleme entstehen, wenn wir uns für Ihren Vorschlag entscheiden?
- Können wir diese Probleme bewältigen?
- Gibt es objektive Kriterien, mit denen wir die Qualität dieser Lösung bewerten können?
Nachdem Sie beide Seiten gefragt haben, lassen Sie sie überlegen, wie sie die Informationen und Ansichten der jeweils anderen Partei in ihre eigene Sichtweise aufnehmen können.
Vorteile der Differenzialtechnik
Mittels der Differenzialtechnik werden die sachlichen Aspekte betrachtet und die Sichtweisen beider Parteien wertgeschätzt. Die Erfahrung zeigt, dass die Parteien sich annähern, wenn sie überlegen, wie sie den Standpunkt der anderen Seite berücksichtigen könnten. Auf diese Weise wird die Spannung im Team gelöst und die Projektarbeit geht wieder leichter voran.
Sie können die Differenzialtechnik auch einsetzen, wenn Sie nicht sicher sind, ob die Ursache tatsächlich ein sachliches Missverständnis ist. Gründet der Konflikt tiefer, ist der Sachkonflikt nicht das eigentliche Problem, sondern wird von einer Partei oder von beiden Parteien nur vordergründig geführt, um darüber den eigentlichen Konflikt - z.B. ein persönliches Ressentiment - auszutragen. In diesem Fall führt die Differentialtechnik ebenfalls dazu, dass der Sachkonflikt beendet wird, denn die Parteien müssen ihre Argumente offen legen und erklären. Der persönliche Konflikt bleibt allerdings bestehen und muss möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt in einem persönlichen Gespräch mit den Mitarbeitern geklärt werden. (Siehe hierzu auch den zweiteiligen Artikel "Konfliktbewältigung in Projekten" von Gero Lomnitz).
Mehr zu diesem Thema finden Sie in dem Buch "Die nackte Wahrheit über Projektmanagement" von Wilfried Reiter, Orell Füssli Verlag AG, Zürich.
Frank M
25.03.2009