Selbstorganisation und Strukturiertheit
So kann man sicherlich ein Projekt nur dann strukturiert und zielgerichtet leiten, wenn man selbst gut organisiert ist und eine strukturierte Arbeitsweise hat. Ein gutes Ablagesystem zum Finden von Informationen allgemein und sinnvolle Projektablagen im Speziellen sowie ein guter Überblick sind für mich Grundvoraussetzungen, um bei einem Projekt "on top" zu sein und zu bleiben, auch wenn es mal etwas brenzlig wird.
Oftmals genügt schon ein schneller Blick auf den Desktop eines Bewerbers: Ist der überfüllt, mit vielen ungeordneten Icons/Verknüpfungen, oder organisiert, geordnet nach den wichtigsten Arbeitsthemen? Gleiches gilt für die Outlook Inbox: ist die aufgeräumt, abgearbeitet und/oder sortiert in eine strukturierte Ablage, oder überfüllt mit vielen ungelesenen Nachrichten? Daran kann man schon ganz gut erkennen, wie jemand arbeitet…
Methodik und Praxis
Oft sieht man aber schon im Bewerbungsschreiben einige Hinweise auf das Bewerberlevel. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich kenne einerseits eine Menge guter Projektmanager ohne Zertifikat und anderseits auch viele mit einem solchen, die von Projektmanagement keine Ahnung haben.
Immerhin geben erworbene Zertifizierungen einen Hinweis auf eine mehr oder weniger fundierte Ausbildung, z.B. anhand von Best Practices, und damit die Möglichkeit zur Selbstreflexion des eigenen (Projekt-)Handelns. Autodidakten hatten hingegen nur dann eine Chance zum gedeihlichen Lernen, wenn sie auch gute Vorbilder hatten…
Wir empfehlen zum Thema Projektmanagement
PMWelt 2025 - Transformation jetzt!
Transformation jetzt! Menschen. Projekte. KI.
Die PMWelt vereint Fachkompetenz pur und brandaktuelle Themen – aus allen Bereichen des Projektmanagements, dem Einsatz von KI und der digitalen Transformation. Tanken Sie Praxiswissen, das Sie unmittelbar in Ihrem Projektalltag einsetzen können.
Mehr Infos
Und natürlich sollte der Lebenslauf bzw. die Projekthistorie des Kandidaten auch Aufschluss über den Erfolg vergangener Projekte geben, also ob er diese im Zeitplan, im Budget und in der erwarteten Qualität abgeliefert hat. Andernfalls sollte man den Kandidaten gezielt zu wichtigen Projekten in seiner Vita befragen.
Im Bewerbergespräch erfährt der im Projektmanagement geübte Interviewer auch, ob der Kandidat seine Methodik(en) verstanden hat und situativ, d.h. aus einer ausreichenden Bandbreite schöpfend und ohne Dogmen anwendet. (Evangelisten ersetzen nur die Irrtümer des einen mit denen eines anderen Ansatzes.)
People Skills
Häufig wird beim Kandidatencheck unterschätzt, wie wichtig die sogenannten "weichen" Faktoren sind – insbesondere, wenn man Fachspezialisten zu Projektleitern "hochlobt". Tatsächlich ist jedoch einer der Hauptaufgaben beim Job des Projektleiters, Mitarbeiter zu motivieren und Zusammenarbeit zu fördern. Da die Teammitarbeiter in der Regel ihre Aufgaben möglichst ungestört erledigen möchten, gehört dazu z.B. darauf zu achten, dass es möglichst wenige und kurze (d.h. gut strukturierte) Meetings gibt.
Zeigt der Bewerber einen Hang zum Micro-Management (was oft bei Projektleitern aus der technischen Fachmannschaft auftritt), so wird er seinen Job als Projektmanager schnell vernachlässigen und sich in Krisensituationen auf sein Fachgebiet zurückziehen. Gute Teamplayer setzen dagegen auf Eigenverantwortung, Rollen und Delegation und halten die Ergebnisse strukturiert nach.
Nicht jeder Kandidat besitzt zudem die zweite wichtige "weiche Zutat", nämlich Führungsqualität. Diese muss ein guter Projektmanager sowohl gegenüber Mitarbeitern als auch in Richtung seiner Entscheider/Vorgesetzten haben - und einsetzen wollen, denn nicht jeder möchte führen. Der Fokus sollte dabei auf guten Entscheidungen liegen, die das Projekt vorwärts bringen. Überhaupt zeigen gute Projektmanager ganz allgemein ein ausgeprägtes Stakeholder und Change Management, und sie reden Tacheles!
Im Bewerbergespräch achte ich zudem auf Augenkontakt, Verbindlichkeit und Konsequenz, die Indikatoren für gute Führung sind. Um aus Mitarbeitern ein erfolgreiches Team zu machen, braucht es auch ganz viel Authentizität, indem man das, was man einfordert, auch selbst vorlebt…
Im Vorstellungsgespräch
Leider treffe ich in Vorstellungsgesprächen sehr oft auf Bewerber, die sich vielleicht über die Webseite etwas auf das Unternehmen vorbereitet haben, zum ausgeschriebenen Job jedoch nur wenig bzw. sehr allgemein gebrieft sind. Das mag auch in vielen Fällen mit dem vorgeschalteten Auswahlprozess, z.B. über Recruiter oder den Einkauf zusammenhängen, mit dem man oft die Billigsten statt den Besten erhält…
Ein Kandidat für eine Projektleiter-Position muss kein ausgesprochener Fachmann sein (s.o.), wichtig sind aber eine Affinität und ein Interesse an der Aufgabe, am "Betreff" des Projekts.
Opportunistische Bewerber oder solche, die sich mal "anders als bisher" beweisen wollen, lehne ich grundsätzlich ab. Hingegen honoriere ich die altbekannten Tugenden für Potenzial: Motivation, Neugier, Scharfblick, Engagement und Entschlossenheit.
Ein interessierter Kandidat versucht sein Verständnis über das Projekt und die Erwartungen des Auftraggebers zu vertiefen. Mich interessiert da vor allem der genaue Projektinhalt und –umfang, auch z.B. ob es sich um Green Field oder Brown Field Projekt, eine Erstinstallation oder eine Migration von Legacy handelt usw.
Das Projekt Setting, etwa Unternehmen, Branche, Status, Lieferanten, Stakeholder, Teamgröße und ‑Zusammensetzung, ob bestimmte Mitarbeiter dem Projekt exklusiv zugewiesen sind und ob diese an einem Ort oder virtuell verbunden arbeiten usw. ist für die Beurteilung der zu übernehmenden Aufgabe essenziell.
Weitere Fragen des Kandidaten sollten die Report- bzw. Eskalationswege im Projekt und seine eigenen Kompetenzen klären, etwa ob eine Doppelspitze mit einem technischen Projektleiter oder mit dem eines Lieferanten vorgesehen ist. Und schließlich sollte Klarheit über die Modalitäten der eigenen Einarbeitung bis zur Übernahme der Projektverantwortung erzielt werden.
Selbstredend sollten der Interviewer bzw. die Gesprächspartner im Interview auf all diese Fragen auch selbst ausreichend vorbereitet sein. Und vielleicht sollte man auch bereit sein, nach der genauen Auftragsklärung auch noch einmal über den Preis zu reden. Die von vielen Vermittlern verlangte Honorarangabe ohne vorherige, genügende Aufgabenprüfung halte ich für unseriös…
Profiling zur Vorbereitung
Um den richtigen Projektmanager für ein Projekt zu finden, braucht es eine gute Vorbereitung. In den Sanierungsprojekten, die ich wieder auf den "Pfad der Tugend" zurückführe, übernehme ich selbst oft die Suche nach einem geeigneten internen Nachfolger und wende die oben genannten Kriterien an. Die nachfolgende Checkliste fast nochmal die wichtigsten Punkte zusammen und hilft auch für neue Projekte, die gerade aufgesetzt werden sollen.
Bei Bedarf unterstütze ich Sie auch gerne bei der Kandidatensuche.
Checkliste: Was macht einen guten Projektmanager aus?
Selbstorganisation und Strukturiertheit
- Gutes Ablagesystem zum Finden von Information, sinnvolle Projektablagen
- Überblick
- Desktop überfüllt oder organisiert
- Outlook Inbox ist aufgeräumt oder überfüllt mit vielen ungelesenen Nachrichten
Methodik und Praxis
- Zertifizierungen
- Erfolgreiche Projekte
- Situativ angewandte Methodik ohne Dogmen
People Skills
- Mitarbeiter motivieren und Zusammenarbeit fördern
- Eigenverantwortung, Rollen, Delegation, wenige & strukturierte Meetings
- Führungsqualität (gegenüber Mitarbeitern und Entscheidern/Vorgesetzten), Fokus auf gute Entscheidungen
- Ausgeprägtes Stakeholder und Change Management, redet "Tacheles"
- Augenkontakt, Verbindlichkeit, Konsequenz
- Authentizität
Im Vorstellungsgespräch
- Affinität und Interesse an der Aufgabe, nicht opportunistisch
- Projektinhalt und –umfang, z.B. Green Field vs. Brown Field, Erstinstallation vs. Migration
- Projekt Setting (Unternehmen, Branche, Status, Lieferanten, Stakeholder, Teamgröße und ‑zusammensetzung, dedizierte Mitarbeiter, virtuell vs. co-located usw.)
- Report- bzw. Eskalationswege
- Eigene Kompetenzen, Doppelspitzen
- Einarbeitung
- Profiling!
Würde ich alles…
13.09.2019
Würde ich alles unterschreiben und ergänzen mit:
- Selbstreflektion
- Fähgikeit, eigene Grenzen zu kennen
Gruß Uschi Ringwald