Portfoliomanagement für den Betriebsfrieden "Whatever it takes!" Willkommen im privaten Projekt-Paradies?
“Whatever it takes”, ein Satz den wohl jeder Projektleiter gerne von seinem Auftraggeber hören möchte. Nur ist der Satz leider nicht die Lösung und das macht Klaus D. Tumuscheit im folgenden Beitrag sehr deutlich. Auch als Projektleiter ist es wichtig als Multiprojektmanager zu handeln und den Auftraggeber zu führen, wenn dieser das große Ganze aus den Augen verliert.
Portfoliomanagement für den Betriebsfrieden "Whatever it takes!" Willkommen im privaten Projekt-Paradies?
“Whatever it takes”, ein Satz den wohl jeder Projektleiter gerne von seinem Auftraggeber hören möchte. Nur ist der Satz leider nicht die Lösung und das macht Klaus D. Tumuscheit im folgenden Beitrag sehr deutlich. Auch als Projektleiter ist es wichtig als Multiprojektmanager zu handeln und den Auftraggeber zu führen, wenn dieser das große Ganze aus den Augen verliert.
Einmal habe ich das erlebt, wovon Projektleiter und Teammitglieder träumen – viele ein Leben lang vergebens. Ich traf einen glücklichen, aber völlig verdutzten Projektleiter. Er berichtete mir vom soeben absolvierten Briefing mit seinem C-Level-Auftraggeber: "Ich habe mein ganzes Berufsleben auf diesen einen Satz gewartet und jetzt sagt ihn ein Topmanager in Bezug auf mein Projekt: 'Hauen Sie ins Projekt rein, was immer nötig ist. Sie bekommen alle Ressourcen, die Sie brauchen!' Und dann sagt er diesen Satz: 'Whatever it takes!'" Willkommen im Projekt-Paradies! Wirklich?
Das Projekt-Paradies?
Es war die totale Aufwertung seines Projekts, endlich aus dem Vollen schöpfen zu können. Fast so wie damals Draghi in der Weltfinanzkrise, als er versicherte, dass die EZB praktisch endlos Geld schöpfen würde, um den Euro zu retten: Whatever it takes! Und die Spekulanten, die schon auf den Fall des Euro spekuliert hatten, zogen von dannen. Alle, denen Projekte am Herzen liegen, warten insgeheim darauf, einmal im Leben den Draghi-Satz zu hören. Der Satz hat nur einen Haken.
Europa ist kein Projekt
Draghi konnte den Satz sagen, weil er die Macht und die Mittel hatte und die Mittel waren de facto endlos. Eine Zentralbank kann Geld schöpfen bis ihr der Arm wehtut. Das ist der Haken: In der wirklichen Projektwelt sind die Mittel in aller Regel eben nicht endlos.
Die wirkliche Welt abseits der EZB ist ein Nullsummenspiel: Was ich einem bestimmten Projekt an Wohltaten zuschustere, muss ich anderen Projekten wegnehmen. Wenn ich vorne ein Projekt zum Lieblingsprojekt küre, fallen hinten einige von der Rampe, weil in einem Unternehmen die Ressourcen und die Menschen eben nicht endlos vorhanden sind.
Das Nullsummenspiel
Draghi konnte besorgte Bürger und EU-Regierungen wirksam trösten – in jedem normalen Unternehmen passiert das Gegenteil: Der Projektleiter mit dem zur Prio1 erhobenen Projekt ist zufrieden und 20 Kolleginnen und Kollegen schlafen nachts schlecht, weil dieser Eine ihnen die Leute und die Ressourcen wegnimmt. Dieses Wissen wiederum lässt auch diesen Einen nicht mehr gut schlafen, weil er weiß: Die Kolleginnen und Kollegen halten mich jetzt für Papas Liebling oder für einen verdammten Egoisten. Natürlich will dieser Eine für sein Projekt nur das Beste! Doch dafür von den Kolleginnen und Kollegen stigmatisiert werden? Ein Dilemma – ohne Ausweg?
Das Dilemma
Weil ihn dieses Dilemma umtrieb, suchte der Projektleiter meine Unterstützung. Er wollte sich auf keinen Fall auf Kosten anderer Projekte "bereichern". Was er damit ausdrückte, war, dass eigentlich er das Multi-Projektmanagement informell übernehmen wollte – wenn es schon kein anderer tat. Er wollte die anderen Projekte schützen. Doch wie?
Das Tröstliche an solchen Dilemmata: Es gibt eine Lösung. Man muss nur etwas graben. Also gruben wir. Wir gruben unter anderem die Motivation des hochrangigen Auftraggebers aus: Er wollte sich mit einem äußerst erfolgreichen Prestige-Projekt gegenüber den anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung profilieren – was im Endeffekt problematisch für alle anderen Projekte werden konnte. Und wie so oft steckte auch in diesem Problem bereits die Lösung.
Eine mögliche Lösung
Unser Lösungsansatz war, die Motivation des Top-Hierarchen nicht zu verdammen, sondern zu nutzen. Wir entwarfen ein mögliches Vorgehen. Der Projektleiter sollte wieder Kontakt mit seinem Auftraggeber aufnehmen und in etwa sagen: "Wenn Ihnen dieses Projekt so sehr am Herzen liegt, stelle ich Ihnen zunächst drei Szenarien zur möglichen Realisierung vor." Diese drei Projekt-Szenarien entwarfen wir gemeinsam – und "schmuggelten" in diese Darstellung auch die jeweiligen Konsequenzen für andere Projekte ein. Plus Vorschläge, wie man diese Konsequenzen vermeiden oder verringern könne, z.B.: "Wenn wir diese drei Spezialisten von Projekt X abziehen, kaufen wir deren Arbeitspakete von Projekt X einfach extern ein, über folgende Dienstleister mit folgenden Kosten." Und so weiter. Der Projektleiter und ich waren gespannt, ob das funktionieren würde.
Den Auftraggeber führen
Wir spekulierten auf die großen Ehrgeiz des Auftraggebers: Aus den Szenarien würde er erkennen, dass ihm ein "zu erfolgreiches" eigenes Projekt zwangsweise auf die Füße fallen würde, weil 20 andere Projektleiter rebellieren und, schlimmer noch, deren Projekte nolens volens scheitern oder zumindest wenig vorankommen würden. Damit würde er sich mit Sicherheit den Tadel der Geschäftsleitung einhandeln. An dieser Stelle bemerkte der Projektleiter trocken: “Auf diese Idee wäre ich spontan nicht gekommen. Ich habe mich bislang hauptsächlich darüber aufgeregt, wie ein Auftraggeber alle anderen Projekte derart kannibalisieren kann und dass er mich damit in eine unmögliche Situation bringt.” Wie reagierte der mächtige Auftraggeber?
Und alle gewinnen
Der Auftraggeber war begeistert. Er sagte dem Projektleiter sinngemäß: "Wie schön, dass Sie sich verantwortungsvoll um wirklich alle Aspekte meines Projekts kümmern – selbst jene Aspekte, die nichts mit dem Projekt selbst zu tun haben. Damit schützen Sie unsere Flanke." Das wollte der Projektleiter nicht unbedingt – was geht ihn die Karriere des Hierarchen an? Doch wenn dessen Flanke geschützt ist, sind es auch alle anderen Projekte – und alle gewinnen. Und das haben wir wem zu verdanken?
Wer hat die Macht?
Dieses nicht nur in diesem Fall bewährte Vorgehen bewirkt, strategisch betrachtet, eine Umkehrung der Machtverhältnisse. Eigentlich ist der Hierarch der Mächtige und weist den armen kleinen Projektleiter an: "Kannibalisiere andere Projekte!" Doch der Projektleiter dreht den Spieß um und zeigt dem Mächtigen eine Lösung auf, die ohne "Schlachtopfer" auskommt.
Fazit: Der viel weniger mächtige Projektleiter muss sich auch von mächtigen Hierarchen nichts aufoktroyieren lassen. Warum nicht? Weil er formell mächtiger ist? Nein, das ist er nicht. Warum dann? Ganz einfach: Weil er weiß, wie’s geht. Weil er weiß, wie Projektmanagement und insbesondere Multi-Projektmanagement funktioniert, bleibt er am Drücker. Das ist die Kunst der Kompetenz.
Managing up
Der Projektleiter präsentierte dem Topmanager seine drei Szenarien und sagte: "Wir haben drei Konzepte entwickelt, auch in Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen von den anderen Projekten. Jetzt können Sie sich aussuchen, was das Beste für Sie und unser Projekt ist!" Welcher Topmanager hört diesen Satz nicht gerne? Ich auch.
Mir imponiert es, wenn Projektleiter nicht kaninchenängstlich vor hohen Hierarchen buckeln, sondern das Heft des Handelns in die Hand nehmen und die Führung übernehmen. Und wenn Kolleginnen und Kollegen, die sich den Angstschweiß von der Stirn wischen, weiter mit den nötigen Ressourcen ihre Projekte verfolgen können – und dem verantwortungsvollen und umsichtigen Kollegen Respekt zollen. Mein Kunde befürchtete, dass seine Kollegen ihn geißeln würden, wenn er ihnen die Ressourcen stiehlt, selbst wenn das auf Anweisung von oben geschah. Jetzt schimpfen sie nicht auf ihn. Jetzt sind sie ihm dankbar.