Virtuelle Teams
Virtuelle Teams
Ein virtuelles Team zu führen stellt besondere Anforderungen an den Projektleiter. Diese Artikelreihe liefert Tipps und Hilfsmittel, die die Arbeit mit virtuellen Teams erleichtern. Der erste Teil, "Die Rolle des Projektleiters beim Aufbau virtueller Teams" beschrieb die Unterschiede zwischen virtuellen und konventionellen (konzentrierten) Teams und zeigte, wie der Projektleiter wirkungsvolle Kommunikations- und Entscheidungswege aufbauen kann. Der zweite Teil, "Architektur der Zusammenarbeit in virtuellen Teams", enthielt Ratschläge zum Aufbau tragfähiger Teamstrukturen.
Im vorliegenden dritten Teil erfahren Sie, was Sie als Projektleiter tun können, um über einen längeren Zeitraum eine gute Zusammenarbeit der Teammitglieder zu gewährleisten. Es werden sechs Maßnahmen vorgestellt, die dabei helfen, ein virtuelles Team zu pflegen:
- Schaffen Sie ein gemeinsames Verständnis von den Geschäftsprozessen
- Vereinbaren Sie Verhaltensziele
- Strukturieren Sie die Projektkommunikation
- Dokumentieren Sie das Projekt
- Etablieren Sie eine Meetingkultur
- Fördern Sie die Identifikation mit dem Projekt
Diese Maßnahmen sind in jedem Projekt wichtig. Für virtuelle Teams ist ihre Bedeutung aber besonders groß, da sie helfen, geographische und kulturelle Barrieren zu überwinden, wie sie insbesondere in virtuellen Teams auftreten. Diese Barrieren wurden als Komplexitätsfaktoren im zweiten Teil der Artikelserie erörtert.Je nach den individuellen Gegebenheiten in Ihrem Projekt sollten Sie die einzelnen Maßnahmen unterschiedlich gewichten und entsprechend anwenden. Priorisieren Sie, denn Sie werden nicht alles auf einmal etablieren können. Beginnen Sie an den Punkten, bei denen die größten Defizite bestehen, und setzen Sie die Maßnahmen um, ohne die die weitere Arbeit zum Stillstand käme. Haben Sie beispielsweise neue Mitarbeiter rekrutiert, dann ist es Ihre wichtigste Aufgabe, diese arbeitsfähig zu machen, indem Sie zunächst ihre Rollen und die Geschäftsprozesse im Projekt besprechen. Kümmern Sie sich erst danach um die Meetingkultur und die Identifikation mit dem Projekt. In einer soliden Organisation mit vielen erfahrenen Mitarbeitern dagegen besteht bei den Geschäftsprozessen wenig Handlungsbedarf. Hier müssen Sie zuerst für eine gute Zusammenarbeit und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Projekt sorgen.
Schaffen Sie ein kollektives Verständnis von den Geschäftsprozessen
Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist, dass die Projektbeteiligten gemeinsame Prozesse und Vorgehensweisen kennen und sie anwenden. Die folgende Liste enthält einige der wichtigsten Vorgänge rund um das Projekt, für die Sie als Projektleiter verantwortlich sind:
- Projektmanagement (z.B. Richtlinien der Planung und Abwicklung)
- Risikomanagement
- Vertragsmanagement, Umgang mit Änderungsaufträgen (Change Orders) und Claim Management
- Betriebswirtschaftliche Prozesse (z.B. Projektkalkulation, Projektfinanzierung, Angebots- und Rechnungsstellung)
- Konfigurationsmanagement
- Qualitätsmanagement
- Projekteinkauf, Bestellungen und Verrechnungen
- Fertigungs- und Lieferlogistik
In konzentrierten Teams werden offene Fragen zu einzelnen Vorgängen häufig erst dann geklärt, wenn sie gerade aktuell sind. Oft genügt dafür ein Anruf oder ein Treffen mit dem Verantwortlichen. Als Projektleiter müssen Sie viele Vorgänge also nicht im Vorfeld detailliert festlegen, sondern können bei Bedarf aktiv werden. In virtuellen Teams ist das anders. Hier geschieht es leicht, dass bestimmte Fragen ungeklärt bleiben, weil Sie nichts davon wissen und deshalb nichts tun können, um für Klärung zu sorgen. Sie erfahren erst davon, wenn Sie durch Zufall darauf stoßen oder wenn bereits Probleme entstanden sind und diese bis zu Ihrer Hierarchiestufe hinauf weitergereicht wurden. Eine nachträgliche Schadensbehebung erfordert viel Energie - und ist oft vermeidbar.
Vergegenwärtigen Sie sich zu Projektbeginn, welche Prozesse für Ihr Projekt relevant sein werden oder werden können. Sprechen Sie mit Ihren Teammitgliedern über diese Prozesse und ihre Bedeutung und darüber, wie sie in der Praxis gelebt werden. Vereinbaren Sie, wie mit Änderungen der Abläufe umgegangen werden soll und wer gegebenenfalls informiert und einbezogen werden muss.
In den meisten Unternehmen existieren festgelegte Prozesse. Gibt es im Einzelfall keine Richtlinie oder eingeführte Praxis, müssen Sie den entsprechenden Prozess für das Projekt gemeinsam mit den Teammitgliedern entwickeln und in die Projektablaufplanung integrieren. Bedenken Sie dabei: Es besteht immer ein Unterschied zwischen demschriftlich niedergelegten und dem gelebten Prozess. Ersterer ist sozusagen das Gesetz, letzterer die Auslegung. Je nachdem, wie genau der beschriebene Prozess den Geschäftsfall abbildet, wird er mehr oder weniger gut gelebt. Betrachten Sie daher den dokumentierten Prozess als Grundlage, aber seien Sie besonders in virtuellen Teams offen für Verbesserungsvorschläge. Oft existieren in den Außenstellen völlig andere Rahmenbedingungen als in der Zentrale, in der die Handbücher verfasst werden.
Achten Sie sehr genau darauf, dass die Mitarbeiter sich an die vereinbarten Vorgehensweisen halten. Seien Sie aber kein Paragraphenreiter, wenn Sie die Vorgehensweisen festlegen. Handeln Sie pragmatisch - vor allem, wenn ein Mitarbeiter bessere Lösungen vorbringt als Sie.
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