Virtuelle Teams
Virtuelle Teams
Virtuelle Projektteams sind heute mehr denn je Realität in der Projektarbeit. Der Begriff "virtuell" leitet sich dabei aus der Tatsache ab, dass solche Teams sich aufgrund räumlicher Distanzen selten persönlich treffen. Sie arbeiten also eher in virtuellen denn in realen Strukturen und Räumen zusammen. Dieser Beitrag beschreibt, warum Unternehmen immer häufiger virtuelle Projektteams gründen, und verdeutlicht an einem Fallbeispiel Eigenschaften und Besonderheiten dezentraler Projektstrukturen. Projektleiter erhalten Tipps für den Aufbau virtueller Teams.
Ursachen für den Trend zum virtuellen Team
Es gibt drei Ursachen für den Trend zum virtuellen Team, die in den wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre begründet sind.
1. Die Welt ist gleich groß geblieben und doch näher zusammengerückt.
Die Gründe dafür, dass die Welt zusammengerückt ist, liegen zum einen in den modernen Kommunikationsmedien, die die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch erleichtern und dabei helfen, Distanzen zu überbrücken. Zum anderen ermöglichen es schnelle Transportmittel, Personen und Güter selbst über große Entfernungen wirtschaftlich zu transportieren. Daher spielen traditionelle Kriterien wie etwa die geographische Nähe zur Unternehmenszentrale bei der Standortwahl nur mehr eine untergeordnete Rolle. Unternehmensstandorte und Kooperationspartner werden nach Kompetenz- und Kostenkriterien ausgesucht.
Virtuelle Teams sind die Folge dieser Veränderungen. Ein Beispiel ist das Technologiezentrum in Bangalore, Indien. Fast alle Technologiefirmen von Rang und Namen gründeten dort Kompetenzzentren für die Softwareentwicklung, aus deren Ressourcenpools sich nun Projekte bedienen. So wird jedes Projekt eines Unternehmens, das spezifisches Know-how eines solchen Kompetenzzentrums nutzt, automatisch zum virtuellen Team.
2. Geographische Neuordnung der wirtschaftlichen Gewichte.
Im Zeichen von wirtschaftlicher Liberalisierung und Entwicklung entstehen neue Märkte in Regionen, in denen es diese bisher nicht oder nicht in diesem Ausmaß gab. Ein Beispiel dafür ist China. In solchen Märkten müssen die Unternehmen vor Ort Präsenz zeigen. Dies gilt insbesondere dort, wo politische Gegebenheiten die Gründung von Joint Ventures mit einheimischen Unternehmen vorschreiben, die wesentliche Teile der Wertschöpfungskette abdecken. Auch hier ist China ein Beispiel.
Früher lagerten Unternehmen aus den westlichen Industrienationen häufig nur arbeitsintensive Fertigungen aus. Heute dagegen erbringen Partnerbetriebe in den Zielmärkten beziehungsweise in Ländern mit günstigeren Produktionsbedingungen mehr und mehr Entwicklungsaktivitäten selbst. Damit entstehen weit verteilte Projektteams, die ein Abbild dieser Entwicklung darstellen.
3. Outsourcing oder organisatorische Auslagerung von Teilen der Wertschöpfungskette.
Unternehmen wählen ihre Kooperationspartner nach den Kriterien hohe Zuverlässigkeit, Kompetenz und Verfügbarkeit aus. Sie betrachten die Fixkosten aber heute viel kritischer als früher. Dies verstärkt den Trend, Leistungen von außen zuzukaufen. Subkontraktoren können im Gegensatz zu internen Abteilungen bei entsprechender Vertragsgestaltung kurzfristig auf- oder abgebaut werden, sodass Kapazitätsanpassungen sehr viel weniger Kosten verursachen. Auch durch diesen Trend werden Projektteams häufiger als früher zu virtuellen Teams.
Ein Beispiel
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:
- Sie sind Projektleiter für ein Anlagenprojekt in einem Maschinenbauunternehmen (z.B. Bau einer Fertigungsstraße).
- Ihren Dienstsitz haben Sie in der Unternehmenszentrale in Köln.
- Was die Teamfunktionen angeht, so sind neben Ihrem Management auch das Produktmarketing und der Projektkaufmann an diesem Standort angesiedelt.
- Ihre Produktentwickler und Konstrukteure dagegen arbeiten an einem anderen Standort in Deutschland, nämlich in einem Design Center Ihres Unternehmens in München. Von dort werden auch die Monteure geschickt.
- Teile der Konstruktion werden von Partnerfirmen in London (Großbritannien) zugekauft.
- Die Fertigung ist aus Kostengründen zum Großteil nach Tschechien verlagert worden.
- Einzelne, besonders arbeitsintensive Komponenten bezieht Ihr Unternehmen aus seiner Fertigung in Malaysia.
- Da viele Standardkomponenten und Leistungen zugekauft werden, benötigen Sie intensiven Kontakt zum Einkauf. Dieser wurde nach Portugal verlegt.
- Ihre gesamte Lieferlogistik wickelt ein großer deutscher Logistikanbieter mit Sitz in Frankfurt ab, mit dem Ihr Unternehmen einen Rahmenvertrag abgeschlossen hat.
- Der Kunde wiederum sitzt in Paris, Frankreich. In der Pariser Niederlassung Ihres Unternehmens arbeitet auch der zuständige Vertriebsmann.
Und fertig ist das Teampuzzle. Sie haben also Ihre Projektteam-Funktionen auf acht Standorte verteilt, davon vier im europäischen Ausland und eine in Asien. Dies ist ein durchaus gängiges, aber nichtsdestotrotz komplexes Szenario. In den meisten Fällen sind Ihnen die Standorte durch die Infrastruktur des Unternehmens fest vorgegeben. Darauf müssen Sie sich also einstellen.
Eigenschaften virtueller Teams
Was sind die Charakteristika eines virtuellen Teams?
- Räumlich weit verteilte Kompetenzen.
- Hoher Grad an Spezialisierung der einzelnen Teammitglieder und eine damit verbundene hohe Arbeitsteilung im Projektteam.
- Hochgradig diversifiziert in Bezug auf Nationalitäten (interkulturelle Teams), Standortkulturen (z.B. Fertigung gegenüber Hauptquartier) und Fachkulturen (interdisziplinäre Teams).