VUCA verlangt eine neue Denklogik Der Komplexität mit neuem Bewusstsein begegnen

Komplexität Hero 1719

Stacey Matrix, Agilität, Kultur-Entwicklungsworkshop – Methoden und Strategien zum Umgang mit Komplexität gibt es zuhauf. Doch was es nach Autorin Silke Nierfeld eigentlich braucht, ist ein neues, ganzheitliches Bewusstsein, das noch weit über das agile Mindset hinausgeht. Wie Sie dieses erlangen können, erfahren Sie im Beitrag.

Management Summary

VUCA verlangt eine neue Denklogik Der Komplexität mit neuem Bewusstsein begegnen

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Stacey Matrix, Agilität, Kultur-Entwicklungsworkshop – Methoden und Strategien zum Umgang mit Komplexität gibt es zuhauf. Doch was es nach Autorin Silke Nierfeld eigentlich braucht, ist ein neues, ganzheitliches Bewusstsein, das noch weit über das agile Mindset hinausgeht. Wie Sie dieses erlangen können, erfahren Sie im Beitrag.

Management Summary

Komplexität ist das herausragende Thema unserer Zeit. Es ist ein globales, alles umfassendes Phänomen, welches sämtliche Lebensbereiche betrifft. Die Komplexität von Menschen – ihre Bewusstseinsstruktur – hat sich in der Evolution in Wechselwirkung mit der Komplexität der Welt entwickelt. Dieser dynamische Prozess ist durch Digitalisierung und Globalisierung in Schieflage geraten, weil die Komplexität der Welt exponentiell gestiegen ist.

Nicht nur die Anzahl der Akteure hat sich vermehrt, sondern vor allem die Anzahl der Interaktionen ist sprunghaft gestiegen. Märkte, die ursprünglich weit voneinander entfernt waren, stehen plötzlich miteinander in Konkurrenz und das bei sehr unterschiedlichen Produktionsbedingungen. Die Anzahl der Wettbewerber sowie der Innovationsdruck erhöhen sich stetig und die Wechselwirkungen der Phänomene sind schon lange nicht mehr überschaubar.

Den eigenen Komplexitätslevel steigern und neues Bewusstsein erlangen

„Jedes komplexe Problem löst sich auf einer komplexeren Ebene“, so lässt sich Ashby´s Gesetz, eine der wesentlichen Erkenntnisse der Kybernetik vereinfachen. Lösungen für einen souveränen Umgang mit den veränderten Umständen müssen also in einer komplexeren Betrachtungsweise der Dinge liegen, in einer anderen Bewusstseinsstruktur. Hier sind wir bereits am Kernpunkt des Problems: Komplexität kann immer nur auf der eigenen oder einer weniger komplexen Stufe verstanden werden. Alles was über dem eigenen Komplexitätslevel liegt, kann nicht in seiner vollen Komplexität und Funktionalität erkannt werden und wird deshalb abgewertet.

Dieser Artikel wird Sie fordern, sich auf ein neues Weltbild einzulassen. Das geschieht nicht aus Provokation oder Marketinggründen. Es ist notwendig, um Komplexität als Chance zur individuellen und gesellschaftlichen Reife zu begreifen und die Einfachheit auf der anderen Seite der Komplexität zu erreichen.

Komplexität muss zunächst in ihrer Multidimensionalität verstanden werden. Wenn sich die eigene Komplexität – das Bewusstsein – weiterentwickelt, dann verbinden sich Effizienz und Leichtigkeit zu einer neuen Qualität, zu einer größeren Tiefe von Leben. Der deutsch-schweizerische Philosoph, Bewusstseinsforscher und Kulturanthropologe Jean Gebser nennt es "das spielende Gelingen". Aber der Reihe nach.

Die VUCA-Welt ist mehr als nur komplex

„VUCA“ ist ein Akronym, ein Kunstwort, welches vom amerikanischen Militär geschaffen wurde, um die gestiegene Komplexität bei der Definition von Zielen zu beschreiben. Weil „VUCA-Welt“ eine umfängliche Beschreibung der komplexen Welt und ihrer Auswirkungen ist, hat sich der Begriff im Unternehmensbereich etabliert und sollte nicht als temporäres Buzzword verkannt werden.

Volatilität

Volatilität – heißt Unbeständigkeit. Aus der Perspektive der Betriebswirtschaftslehre ist das negativ, weil der wichtigste Aspekt bisheriger Strategien, die Planbarkeit, entfällt. Aus einer anderen Perspektive jedoch bedeutet Unbeständigkeit mehr Chancen für mehr Menschen. Wenn sich die Dinge immer wieder ändern; neue Berufe, Branchen, Moden und Wertesysteme entstehen, sind viel mehr Optionen vorhanden, mit denen sich der Einzelne identifizieren kann. Die Unbeständigkeit bringt immer wieder neue Nischen mit sich. Dadurch wir die Welt diverser, lebendiger und dynamischer.

Uncertainty

Uncertainty – Unbestimmtheit erfordert eine neue Kompetenz, nämlich die Fähigkeit, Unsicherheit zu ertragen. Unbestimmtheit bedeutet aber nicht nur Unsicherheit, sondern auch Freiheit und Raum, das eigene Selbst zu erforschen und innerlich zu wachsen. Individuation nennt C. G. Jung diesen Prozess der Ganzwerdung (lateinisch individuare, „unteilbar / untrennbar machen“), der ein Leben lang andauert. Wer frei ist von der Bestimmtheit Rollen ausfüllen zu müssen, die andere für ihn definieren, der kann Talent, Sinn und Freude in den Fokus rücken.

Complexity

Complexity – Komplexität bedeutet, dass die Dinge dynamisch sind, viele Facetten haben und immer weitere Eigenschaften emergieren. Komplexe Systeme lassen sich nicht in Einzelteile zerlegen, sondern nur in ihrer Ganzheit beobachten und handhaben. Ashby´s Gesetz besagt im Original, dass die Varietät des Steuerungssystems mindestens ebenso groß sein muss, wie die Varietät der auftretenden Störungen, damit es die Steuerung ausführen kann. Das bedeutet, dass Menschen eine höhere Varietät an Handlungsmöglichkeiten entwickeln müssen, um in der VUCA-Welt klarzukommen.

Ambiguity

Unklarheit oder Mehrdeutigkeit ist eine Zustandsbeschreibung, die den stillen Vorwurf erhebt, es müsse so etwas wie Eindeutigkeit geben. Der Anspruch auf Eindeutigkeit wiederum leitet sich aus der Vorstellung von Objektivität ab. Objektivität basiert aber auf einem systemischen Fehler unserer Denklogik. Indem Subjekt und Objekt getrennt werden, präziser gesagt, das Subjekt aus der Betrachtung der Welt entfernt wird, glaubt man, Objektivität erzielen zu können.

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Alle Kommentare (20)

Guest

top Bericht, mit guten Querbeziehungen in das private und berufliche Umfeld. Holismus wird mein persönliches Vertiefungsthema.

Gernot
Hoebel

Guter Überblick über die Handlungsnotwendigkeiten interessante Einblicke!

Guest

Ja, ein sehr guter Artikel und ein Niveausprung.
Was können wir tun, um dies zu befördern?
Die hier beschriebene integrale Weltsicht, siehe auch Ken Wilber, Graves, Beck, kann alle Disziplinen einen und voranbringen.
Danke

Hallo Frau Reithmeier,
was wir tun können, ist Mitgefühl und Freundlichkeit in dem gleichen Maße zu stärken, wie die kognitive Entwicklung voranschreitet. Die integrale Theorie ist ein hervorragendes Werkzeug, aber leider fokussiert sie häufig intellektuelle Hochflüge. Nur die Transzendenz von Egoismen, die Erweiterung der Perspektive auf ein größeres "Wir" bringt vertikale Entwicklung und die Chance auf Win-win-win Lösungen.

Frank
Märtins
Dipl.-Inf.

wie weiter? Herr Rieger macht dazu in seinem Kommentar einen guten Vorschlag.
Ich bin gespannt auf den nächsten Schritt in Richtung eines handhabbaren Werkzeugs , mit dem ich die neue Denkweise (Haltung/Einstellung) konkret umsetzen kann (Handlung/Verhalten).

Guten Tag Herr Märtins,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich habe Ihre Frage schon an die Autorin weitergeleitet und bin gespannt auf ihre Antwort. Wenn Sie ein gut anwendbares Werkzeug gefunden haben, lassen Sie uns (die Redaktion) und die Community gerne daran teilhaben. Das gäbe einen spannenden weiteren Artikel.

Herzliche Grüße aus der Redaktion
Magdalena Riesch

Hallo Herr Märtins,
das Werkzeug sitzt zwischen unseren Ohren, es ist und bleibt der Verstand. Wenn man das eigene Denken und Handeln beobachtet, also das Selbst zum Objekt einer höheren Reflektionsstufe macht, kann man die Muster und Filter erkennen, durch die man die Welt betrachtet. Aus einer "das ist so" Haltung kann dann eine "ich sehe es so" Haltung werden, welche die Möglichkeit einräumt, die Dinge auch aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das lässt sich gut trainieren, indem man bei Diskussionen die Rollen tauscht und Positionen vertritt, welche nicht mit der eigenen Meinung konform sind.

Franz Josef
Katterbach

Der Mensch solle sich ab und an auf die Meta-Ebene begeben und sich und die anderen Akteure aus dieser Perspektive betrachen und bewerten - damit gelangt er zu genau diesen Erkennntnissen.

Volker
Schiffermüller

Sehr guter Artikel den ich weiterempfehlen kann. Ich habe einige sehr wichtige konstruktive Anregungen erhalten.

Volker
Schiffermüller

Mit kaum einem anderen Artikel habe ich mich danach so befasst wie mit diesem. Endlich mal ein Beitrag der sich mit dem Thema "Komplexität" umfassend auseinandersetzt.

Volker
Schiffermüller

Ein sehr spannender und interessanter Artikel der mir viele Impulse gegeben hat.

Volker
Schiffermüller

Mit kaum einem anderen Artikel habe ich mich so intensiv befasst wie mit diesem Artikel. Vielen Dank für die vielfältigen Anregungen.

Rolf
Thomann

Für mich persönlich (bisher) das redaktionelle PM-Highlight 2019

Christoph
Kümmritz

Sehr geehrte Frau Nierfeld,
Ihr Artikel ist spannend und hat zum Nachdenken angeregt. Auf die Frage: Wie gehe ich mit Komplexität um? Habe ich allerdings mehr Fragen als Antworten erhalten. Durch die zahlreichen Bezüge zu Systemtheorie, Hollismus, Inegration von Zuständen, Transzendenz und Sätzen wie "Die transzendentale Struktur des Geistes, die zeitlose, non-lokale, nicht sequenzielle Wesenhaftigkeit von Geist, lässt sich mit der dualistisch operierenden Ratio nicht erfassen." fällt es mir unglaublich schwer den Artikel in seinen tatsächlichen und gewinnbringenden Aussagen zu erfassen. Tatsächlich fühle ich mich nicht nur mit der vorherrschenden Komplexität überfordert, sondern beim Lesen des Artikels auch mit bei dem Versuch, Verständnis für den Umgang damit aufzubauen. Schafft man es als durchschnittlich intelligenter Mensch überhaupt, sich eine Denkweise anzueignen, die bei komplexen Systemen Klarheit verschafft? Oder benötigt man dazu spirituelle Hilfe? (auch das klingt in dem Artikel etwas mit). Und noch eine Anmerkung: Immer zu versuchen, die Dinge in seiner Gesamtheit zu betrachten, macht erfahrungsgemäß annähernd handlungsunfähig. Gerade hier setzt nach meinem Verständnis Agilität und Iteration an, da trotz Komplexität ein Handlungsspielraum geschaffen wird. Ich bedanke dennoch mich für die zahlreichen Denkanstöße durch diese Lektüre!

Hallo Herr Kümmritz,

ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Bedenken öffentlich formulieren, denn so kann ich darauf eingehen.
Der Umgang mit Komplexität ist deshalb so herausfordernd, weil unser Denken seit der Aufklärung auf den rationalen Teil reduziert wurde.
Der Geist hat also ein paar Hundert Jahre Entwicklungsdifferenz aufzuholen. Den Geist zu entwickeln steht in Zusammenhang mit emotionaler Reife. Stellen Sie sich vor, wir würden schon Kindern beibringen, wie man mit Gefühlen umgeht. Dass man selbst darüber entscheiden kann, wer oder was einen nervt, herabsetzt oder stresst. Wie klug könnte man dann handeln! Bewusstsein ist keine Frage der Intelligenz, sondern der Vernetzung von Ratio und Geist. Der beständige Wechsel zwischen der Meta-Ebene und dem Konkreten bringt Klarheit und Handlungsfähigkeit.
Beste Grüße

Silke Nierfeld

"Der Geist hat also ein paar Hundert Jahre Entwicklungsdifferenz aufzuholen" - und das in einem Umfeld ständiger Anspannung durch Informationsflut und sonstigen Immissionen. Hiermit verzögern wir ganz maßgeblich unsere geistige Entwicklung - nicht im Sinne von Wissensentwicklung (Wissenstreppe North), sondern in der Weitereintwicklung unser geistigen Fähigkeiten -> der Abstand wächst eher noch an, bis der Umkehreffekt eintritt, an dem wir extrem betrachtet nicht mehr gesamtgesellschafltich Denken und Handeln -> Egoismus

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Magdalena
Riesch

Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns noch immer über die vielen positiven Kommentare zu diesem Beitrag. Wenn Sie die Themen "Neue Denkstruktur" oder "Wie Change gelingt" weiterhin interessieren, dürfte der zwischenzeitlich erschienene Beitrag von Frau Nierfeld spannende neue Denkanstöße bieten: https://www.projektmagazin.de/artikel/change-management-unternehmenskul…

Auch zum neuen Beitrag freuen sich die Autorin und die Redaktion sich über regen Austausch.

Viele Grüße
Die Redaktion des projektmagazins