"Hätte ich bloß …" Effektiveres Entscheiden in Projekten
"Hätte ich bloß …" Effektiveres Entscheiden in Projekten
Eine der wesentlichen Anforderungen an einen Projektmanager besteht darin, möglichst effektiv und möglichst "richtig" oder "gut" zu entscheiden. Diese Anforderung existiert, seit es Projekte gibt. Sie zu erfüllen, wird in den kommenden Jahren allerdings eine immer größere Herausforderung. Gründe sind die zunehmende Komplexität und die enorme Dynamik, mit der Entwicklungen verlaufen – sowohl auf den Märkten, als auch im "Inneren" projektorientierter Organisationen. Beschäftigt man sich allerdings etwas näher mit dem Thema "Entscheiden", wird klar, wie stark dieses beeinflusst ist von "Alltags-Psychologie", eigenen Erfahrungen, guten Ratschlägen aus dem Umfeld, Empfehlungen aus Veröffentlichungen die man liest, usw. Die Einflussfaktoren sind somit vielfältig und damit wird auch klar, dass es nicht so einfach ist, die Effizienz von Entscheidungen zu steigern.
Folgende Probleme sind z.B. mit dem Thema "Entscheiden" verbunden.
- Folgt man der althergebrachten Meinung, dass man für eine Entscheidung möglichst alle wichtigen Informationen zur Bewertung von Sachverhalten oder Alternativen braucht, stößt man schnell an Grenzen. Denn oft sind diese Informationen in Projekten nicht schnell oder nicht umfassend genug verfügbar.
- Entscheidungen haben mit möglichen Alternativen zu tun: Wenn bereits mehrere überzeugende Alternativen bekannt sind, kann man zwischen diesen gut abwägen. Wenn man dagegen noch auf der Suche nach möglichen Lösungen ist und zudem unter Zeitdruck steht, stürzt man sich oft auf die einzige bestehende "Alternative" und entscheidet damit ins Blaue hinein. Denn nicht immer zeigen sich diejenigen Alternativen von Anfang an, die tragfähige Lösungen ermöglichen – sie bleiben dann evtl. unberücksichtigt.
- Das Bild vom Ablauf einer Entscheidung gleicht dem eines Hosenkaufs: Man braucht eine Hose und wählt in einem Fachgeschäft aus mehreren "die Richtige" aus. Die Kriterien, nach denen man dabei entscheidet, macht man sich selten bewußt. Im Projektgeschäft sollte man sich diese Kriterien klar machen – allerdings hat man hier oft nicht ausreichend Zeit, um die verfügbaren "Hosen" vor der Entscheidung "anzuprobieren" oder die Folgen des Kaufs detailliert bzw. eindeutig abschätzen zu können.
- Die genannte Komplexität, aber auch die bestehenden Strukturen in den Unternehmen sind wahrscheinlich mitverantwortlich für ein weiteres Phänomen: In vielen Projekten gibt es Entscheidungsstaus oder Entscheidungen werden verschoben, bis sie sich erübrigt haben. Das hat mit informellen oder formalen Macht-Konstellationen, mit ineffektiven Prozessen, mit Arbeitsüberlastung u.a. zu tun.
- Üblicherweise geht man davon aus, dass eine Entscheidung, sobald sie gefallen ist, auch umgesetzt wird. In der Projektarbeit ist das aber oft nicht der Fall: "Schön, dass wir entschieden haben" – es passiert trotzdem nichts oder die Umsetzung "lahmt", wird verzögert, usw. Was ist los? Es könnte an dem häufig benannten "Dilemma" hängen: Egal, wie ich entscheide, es wird jemandem weh tun oder auch negative Folgen haben (für mich, das Team oder …).
- In der Organisation (oder in der Linie) werden Entscheidungen gefällt, die der Projektleiter akzeptieren muss. Umgekehrt werden dessen Entscheidungen jedoch in der Organisation oft ignoriert – selbst wenn er sie als "lessons learned" kommuniziert.
Dieser Artikel will dazu beitragen, dass Entscheidungsprozesse in Projekten effektiver werden. Dies geschieht auf zwei Wegen: zum einen gibt der Beitrag Hinweise, wie sich die Rahmenbedingungen verbessern lassen, um Entscheidungen anders anzugehen und Chancen besser zu nutzen. Zum anderen erläutert er auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse, wo unser Denken über Entscheidungsprozesse überholt ist – wir uns also innerlich neu orientieren müssen, um anders handeln zu können. Und jeder weiß: Eine solche Neuorientierung im Handeln lässt sich nicht über das Abarbeiten von Checklisten oder die Anwendung allgemeiner "Rezepte" erreichen – sondern nur, wenn man ausprobiert, reflektiert und sich neue Verhaltensmuster angewöhnt.
Insofern regen wir hier an, dass Sie unsere Beispiele und Fragen bzw. Aussagen auf Ihre eigene Praxis übertragen und reflektieren, wo Sie was verändern könnten oder müssten. Wenn Sie sich diese Mühe machen, werden Sie einen signifikanten Unterschied feststellen: Einerseits werden Sie eine Entlastung spüren und andererseits werden Sie entdecken, wo Sie in Ihrer Praxis konkret ansetzen können, um wirklich anders und effektiver entscheiden zu können.
Beispiel
Zum Einstimmen ein typisches Beispiel für eine teure Fehlentscheidung: "Wir wollen möglichst viele Leute zufrieden machen – haben aber die Ressourcen gar nicht dafür!"
In einem High-Tech-Unternehmen sollte ein neues Customer-Relationship-Management-System (CRM-System) eingeführt werden. Der Geschäftsbereich "Diagnostik-Geräte-Entwicklung" und die IT-Abteilung wollten die Chance nutzen und im Rahmen dieses Projekts Verbesserungsideen sammeln, z.B. für die optimale Gestaltung der Datenerfassung oder für das Tracking der Kundenbetreuung. Beide Bereiche waren sich zunächst darin einig, dass weltweit alle betroffenen Firmenmitarbeiter aufgefordert werden sollten, ihre Wünsche und Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Bei der Prüfung der eingegangenen Requests stellte die IT-Abteilung allerdings schnell fest, dass sich einerseits eine Menge Redundanzen mit den Features des bestehenden Systems ergaben und andererseits die Menge der gewünschten Änderungen an Prozessen und Software mit den gegebenen Ressourcen auf keinen Fall umsetzbar sein würde. Obwohl die Führungs-Crew des Projekts aus erfahrenen Managern bestand, hatten sie die Entscheidung anscheinend getroffen, ohne die Folgen ausreichend abgeschätzt zu haben.
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