Critical Chain Project Management Die Kritische Kette – kritische Anmerkungen aus der Praxis

von Uwe Keller

Die Befürworter von Critical Chain Project Management (CCPM) versprechen, die Laufzeiten von Projekten durch radikalen Verzicht auf individuelle Pufferzeiten und das Staffellaufprinzip um rund 30% verkürzen zu können. Auch Uwe Keller war zunächst von diesen Ideen begeistert, musste jedoch bald erkennen, dass die Patentrezepte der CCPM in der Praxis nicht greifen. Punkt für Punkt analysierte er anhand seiner Erfahrungen die Annahmen und Herangehensweisen der CCPM. Seine Schlussfolgerung ist, dass die Terminplanung des CCPM von realitätsfernen Annahmen ausgeht und deswegen auch nicht die versprochene Beschleunigung erzielen kann. Dennoch empfiehlt er, sich unvoreingenommen mit den Argumenten der CCPM auseinander zu setzen, da diese zu Recht die wunden Punkte des üblichen Projektmanagements kritisieren – wie z.B. das gängige Prinzip, Ressourcen im Multitasking mehreren Projekten gleichzeitig zuzuordnen.

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Critical Chain Project Management Die Kritische Kette – kritische Anmerkungen aus der Praxis

von Uwe Keller

Die Befürworter von Critical Chain Project Management (CCPM) versprechen, die Laufzeiten von Projekten durch radikalen Verzicht auf individuelle Pufferzeiten und das Staffellaufprinzip um rund 30% verkürzen zu können. Auch Uwe Keller war zunächst von diesen Ideen begeistert, musste jedoch bald erkennen, dass die Patentrezepte der CCPM in der Praxis nicht greifen. Punkt für Punkt analysierte er anhand seiner Erfahrungen die Annahmen und Herangehensweisen der CCPM. Seine Schlussfolgerung ist, dass die Terminplanung des CCPM von realitätsfernen Annahmen ausgeht und deswegen auch nicht die versprochene Beschleunigung erzielen kann. Dennoch empfiehlt er, sich unvoreingenommen mit den Argumenten der CCPM auseinander zu setzen, da diese zu Recht die wunden Punkte des üblichen Projektmanagements kritisieren – wie z.B. das gängige Prinzip, Ressourcen im Multitasking mehreren Projekten gleichzeitig zuzuordnen.

Als 1997 der US-amerikanische Berater und Autor Dr. Eliyahu M. Goldratt seine Engpasstheorie (Theory of Constraints) auf das Projektmanagement übertrug, glaubten viele, endlich den "Heiligen Gral" des Projektmanagements gefunden zu haben. Geschickt verpackte Goldratt seine Theorie der Terminplanung in Projekten, die er "Kritische Kette" (Critical Chain) nannte, in einen locker geschriebenen Roman (Goldratt, 1997). Werbewirksam sprach er darin von einer Verringerung der Projektdurchlaufzeiten um 30% und mehr.

Der Charme der Critical-Chain-Methode liegt in ihrem einfachen und überschaubaren Denkansatz: Die Zeitpuffer aller einzelnen Vorgänge werden zu einem einzigen gemeinsamen Projektpuffer zusammengefasst. Die Methode erscheint universell anwendbar. Einzig für die Ermittlung der Kritischen Kette, dies ist der zeitbestimmende Weg durch den Netzplan, ist eine Software-Berechnung notwendig.

Anfang 2000 war ich als Kundenberater für ein Software- und Beratungshaus tätig. Dieses vertrieb eine Planungssoftware, die als eine der ersten Netzplantechnik nach Critical Chain Project Management (CCPM) beherrschte. Als meine Kollegen und ich damals in Vorträgen diese neue Methode vorstellten, reagierten viele Teilnehmer regelrecht euphorisiert. Bald begleiteten wir erste Kunden bei der Einführung von CCPM.

Die Realität war jedoch ernüchternd. Trotz intensiver Anstrengungen aller Beteiligten schien die Methode nicht zu greifen und wurde von allen Kunden wieder eingestellt. Das geschah meist stillschweigend, denn niemand gibt gerne zu, sich getäuscht zu haben. Wahrscheinlich mussten nicht nur wir diese Erfahrung machen, sondern auch viele andere Teams, denn in den folgenden Jahren wurde es recht still um CCPM. Erst seit ein bis zwei Jahren scheint es eine Renaissance zu geben, zumindest wird es wieder von einigen Beratern aktiv propagiert. Lassen Sie mich einige Erfahrungen darlegen, warum der genial einfach erscheinende Denkansatz von Goldratt nicht die erhofften Wirkungen erbrachte und wo sich meiner Einschätzung nach die Grenzen des CCPM abzeichnen.

Gibt es die versteckten Pufferzeiten wirklich?

Goldratt geht in seiner Theorie davon aus, dass die Mitarbeiter immer einen zeitlichen Puffer aufschlagen, wenn sie für eine Aufgabe die Dauer abschätzen. Deren Vorgesetzte fügen weitere Puffer hinzu, so dass sich über mehrere Hierarchien hinweg letztendlich ein überdimensionierter Sicherheitspuffer ergibt, der die Laufzeit der Projekte unnötig verlängert. Goldratt schlägt vor, die zeitlichen Puffer aus jedem einzelnen Vorgang herauszunehmen und einen vernünftig dimensionierten, gemeinsam benutzbaren "Projektpuffer" ans Ende des Projekts zu stellen.

Wenn Arbeitsaufwände zu Dauern werden

Das klingt logisch, berücksichtigt aber nicht das typische Schätzverhalten in der Realität. In den meisten Projekten werden meiner Erfahrung nach Arbeitsaufwände und nicht Bearbeitungsdauern geschätzt. Häufig wird bei den Schätzungen der Fehler begangen, anschließend die Aufwände mit Dauern gleichzusetzen. Wenn ein Mitarbeiter für eine Aufgabe einen reinen Arbeitsaufwand von fünf Tagen schätzt, dann wird dies oft mit einer Bearbeitungsdauer von fünf Arbeitstagen gleichgesetzt. Der Mitarbeiter meinte jedoch vierzig Stunden Arbeitszeit für diesen Vorgang, den er vielleicht innerhalb eines Zeitraums von sieben bis zehn Tagen erbringen wird. Diese Verwechslung von Arbeitsaufwänden mit Vorgangsdauern führt damit bereits zu einem unrealistisch kurzen, nicht haltbaren Terminplan. Dieser Plan enthält eben keine Zeitpuffer, von denen Goldratt in seiner Methode ausgeht.

Der Auftraggeber bestimmt den Termin

Zusätzlich üben Wunschtermine der Auftraggeber einen hohen Druck auf die Terminpläne aus. Um den Auftrag zu erhalten, kommt es immer wieder vor, dass sich der Vertrieb auf unrealistische Lieferzeiten für das Projektergebnis einlässt.

In einem Bereich eines namhaften Elektrogeräteherstellers in Thüringen sollten wir mit der Einführung der Critical-Chain-Methode ein zeitkritisches Projekt retten. Eine komplette traditionelle Projektplanung existierte bereits. Nach einer Einführungsveranstaltung in die Critical-Chain-Methode forderten wir die Mitarbeiter auf, ihre korrigierten Schätzungen abzugeben. Um Zeitdauern ohne versteckte Sicherheitspuffer zu erhalten, sollten die Mitarbeiter von der Annahme ausgehen, dass die Aufgaben bekannt seien, alle Inputs vollständig vorlägen und ohne jegliche Störung bzw. zeitliche Unterbrechung daran gearbeitet werden könne. Dies hatte erstaunlicherweise zur Folge, dass viele der herkömmlich geplanten Dauern sogar nach oben korrigiert wurden. Bei einer Analyse dieses Symptoms stellt sich heraus, dass sich die bisherige Schätzung stark am Terminwunsch des Auftraggebers orientiert hatte. Letztendlich ergab dies am Ende der neuen Planung eine längere Laufzeit für das Projekt als nach der ursprünglichen Planung. Da wir während der Schätzungen jegliche Terminwünsche außen vor ließen, erhielten wir nun realistischere Einschätzungen des notwendigen Arbeitsaufwands und der sich daraus ergebenden voraussichtlichen Projektdauer.

Risiken werden ignoriert statt eingeplant

In vielen Projekten ist ein sorgfältiges Risikomanagement leider noch die Ausnahme. Häufig fallen Aufwandsschätzungen viel zu optimistisch aus, da die Mitarbeiter die Risiken und Probleme in der Projektdurchführung unterschätzen oder ausblenden.

Sehr häufig hörten wir vom Projektteam in Thüringen "Vorausgesetzt, es läuft alles glatt, brauchen wir nur …". Das Verständnis, dass vieles eben nicht optimal läuft, war zu wenig ausgeprägt. Darum ergänzten wir z.B. ihre Testreihe um zusätzliche Testreihen, weil sich in der Vergangenheit herausgestellt hatte, dass meist ein bis zwei oder sogar noch mehr Folgetests erforderlich waren.

"Studentensyndrom" in der Arbeitswelt?

Goldratt vermutet nicht nur viele versteckte Sicherheiten, sondern unterstellt zudem, dass Mitarbeiter ständig ihre Aufgaben aufschieben, was er als "Studentensyndrom" bezeichnet. Er suggeriert, dass Mitarbeiter mit der Arbeit so spät wie möglich beginnen, um sich am Anfang der Aktivität einen Frei(zeit)raum zu verschaffen. Bereits das Klischee des lockeren Studentenlebens stimmt heute nicht mehr. Eine Übertragung des angenommenen Studentenverhaltens auf das der Arbeitenden in der Wirtschaft halte ich jedoch auf jeden Fall für den falschen Denkansatz.

Ich glaube kaum, dass sich Ihre Mitarbeiter bei ihrer Arbeit mit Hilfe des Studentensyndroms einen erholsamen Freiraum genehmigen. Sind diese nicht meist vollständig mit Arbeit eingedeckt und wissen deshalb sogar manchmal nicht, welche Aufgabe sie als erstes in Angriff nehmen sollen? Dass tatsächlich immer wieder Aktivitäten aufgeschoben werden, ist wohl eher im Multi-Tasking und Multi-Projecting begründet: Auftraggeber und Vorgesetzte erwarten in allen parallel ablaufenden Aktivitäten einen Fortschritt. Leider bleibt dem Mitarbeiter oft gar nichts anderes übrig, als einige Aufgaben erst einmal liegen zu lassen und sich um drängendere Aktivitäten zu kümmern, obwohl ein serielles Bearbeiten prinzipiell effizienter und konstruktiver wäre.

Auch das eigene Zeit- und Selbstmanagement spielt eine Rolle. Wir müssen akzeptieren, dass nicht jeder Mitarbeiter in der Lage ist, systematisch seine wichtigen und vordringlichen Aufgaben zu bewerten und zu organisieren.

Bis zu 30% schneller?

Es klingt verführerisch: Critical Chain verspricht eine Verkürzung der Projektdauer von bis zu 30% und mehr. Alles durch das Vermeiden der versteckten Puffer? Langweilen sich Ihre Mitarbeiter tatsächlich im Projekt? Wohl eher nicht. Ich vermute, dass die Ursachen der berichteten Erfolge nichts mit der Anwendung der Critical-Chain-Methode zu tun haben.

Viele Unternehmen verfügen zwar über langjährige Projekterfahrung, jedoch oft über wenig Erfahrung in systematischem Projektmanagement. Jedes systematische Vorgehen - egal, ob nach traditionellen Projektmanagement-Methoden, Critical Chain, SCRUM oder anderen Vorgehensmodellen - zwingt die Organisation dazu, in den Aufbau eines systematischen und effizienten Projektmanagements zu investieren. Dabei werden Prozesse, Regeln und Verantwortlichkeiten erstmals klar definiert, wovon die Projekte natürlich profitieren, da sie damit durchaus effizienter und schneller abgewickelt werden können.

Ein zweiter Faktor führt ebenfalls zu den geschilderten, unglaublichen Erfolgen der Critical-Chain-Methode. Bei der Einführung der Methode wenden sich zertifizierte Berater des Goldratt-Instituts vorzugsweise an das höhere Management oder an die Geschäftsführung. Gern wählt man ein Pilotprojekt aus, an dem man die Erfolge demonstrieren möchte. Dieses Projekt hat dann oberste Priorität im Unternehmen; es wird zu jedem gewünschten Zeitpunkt mit ausreichend Ressourcen ausgestattet - leider nicht selten zu Lasten der anderen Projekte.

Halbieren der geschätzten Dauer - halbe Arbeit?

Um eine belastbare Planung vorzunehmen, müsste man aus den bereits angeführten Gründen eigentlich zusätzliche Aufwands- und Zeitpuffer im Projektplan hinterlegen, um Planungsfehler, Risiken und organisatorische Schwächen auszugleichen.

Stattdessen empfiehlt CCPM , die Dauern sogar deutlich zu reduzieren. Goldratt empfiehlt eine Dauer, bei der man annehmen kann, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% eingehalten wird. Manche Berater interpretieren dies schlicht als eine Reduzierung der bisherigen Vorgangsdauern um 50%. In Kombination mit dem oben erläuterten Missverständnis zwischen Arbeitsaufwand und Bearbeitungsdauer führt dies in vielen Fällen zusätzlich zu einer Kürzung des ohnehin zu knapp geschätzten Aufwands um 50%.

Arbeiten ohne Termine

In Goldratts Gedankengebäude gibt es nur ein Ziel: den Projektendtermin. Nach seiner Auffassung interessieren Zwischentermine oder Meilensteine nicht, denn sie könnten zu unerwünschten Stopps führen. Er skizziert eine ideale Welt, in welcher der schon bereitstehende Mitarbeiter nur auf den Abschluss der Vorgängeraktivität wartet, um sich nahtlos in seine Arbeit zu stürzen und diese so schnell wie möglich abzuschließen ohne sich von irgendetwas ablenken zu lassen. Diese Übergabe vergleicht er mit einem Staffellauf, bei dem ein Läufer den Stab ohne zu stoppen an den nächsten Läufer weiterreicht.

Gibt es im traditionellen Projektmanagement das von Goldratt kritisierte Warten auf den geplanten Starttermin des Nachfolgevorgangs wirklich? Sicherlich mag es aus Gründen unzureichender Kommunikation oder aufgrund von höherer Priorisierung anderer Aktivitäten zu Unterbrechungen im Projektablauf kommen. Dennoch arbeiten meiner Erfahrung nach die meisten Mitarbeiter sehr verantwortungsbewusst zusammen und vermeiden mit einem hohen Maß an Eigeninitiative unnötige Stopps.

Betrachten wir einmal das von Goldratt gewählte Bild des Staffellaufs. Hier wartet der Läufer auf seinen Einsatz, läuft seinen Streckenabschnitt mit höchstem Einsatz und kann sich dann von seiner Anstrengung erholen. Aber in unserer Projektlandschaft laufen viele "Staffelläufe" - also Projekte - gleichzeitig ab, an denen der Mitarbeiter teilnehmen muss. Er stolpert also von einem Staffellauf in den nächsten. Vielleicht muss er manchmal sogar zwei Stäbe gleichzeitig in der Hand halten. Wie lange kann ein Läufer ohne Unterbrechung sprinten? Wie lange erbringt ein Mitarbeiter überdurchschnittliche Leistung, ohne die Motivation zu verlieren?

Im traditionellen Projektmanagement schaffen Zwischentermine und Meilensteine den notwendigen Spannungsbogen im Projekt, den Wechsel zwischen Laufen und Sprinten. Falls "die Puste" nicht reicht, geht der Mitarbeiter auch mal im Schritt. Meilensteine motivieren dazu, Kraftressourcen zu sammeln und sich auf den nächsten wichtigen Termin in Sichtweite zu konzentrieren.

Das Erreichen von Meilensteinen stellt für alle Projektbeteiligten einen wichtigen Zwischenerfolg auf dem langen Weg zum Projektabschluss dar. Dies gibt einerseits dem Auftraggeber das Vertrauen in das Gelingen des Projekts und erlaubt andererseits den Projektmitarbeitern, stolz auf die bisherige Leistung zu sein. Der Motivationsschub kann dabei ganz erheblich zum Projekterfolg beitragen.

Zudem führte sicherlich in manchen Projekten der Termindruck auch zum Überdenken des bisherigen inhaltlichen Projektkonzepts, so dass dieses durch eine alternative, clevere und bessere Lösung ersetzt wurde.

Critical Chain kennt - außer dem Termin für das Projektende - keinen terminlichen Druck. Einzelne Vorgänge werden nicht terminiert. Zwischentermine und Meilensteine gibt es nicht. Der Mitarbeiter bearbeitet seine Aufgabe so lange, wie er das als sinnvoll erachtet. Die Notwendigkeit, wegen Termindrucks nach alternativen Lösungen zu suchen, besteht für ihn kaum. Da es keine Termine gibt, wird das sog. "Parkinsonsche Gesetz" eher verstärkt als unterbunden. Das Parkinsonsche Gesetz bezeichnet den Effekt, dass ein Mitarbeiter lieber die ihm übertragene Aufgabe weiter ausgestaltet, um die zur Verfügung stehende Zeit vollständig auszunutzen, als dass er die Aufgabe früher als geplant abschließt.

Gerade die fehlenden Termine verhindern vollständig, dass sich Mitarbeiter mit Schnittstellen abstimmen können. Als wir bei einem Hamburger Gerätehersteller versuchten, mit Lieferanten von Komponenten flexible Liefertermine zu verhandeln, scheiterten wir kläglich. Die Fertigungs- und Lieferprozesse der Lieferanten orientierten sich an festen Terminen, die sich ohne zusätzlichen hohen Aufwand nicht ändern ließen. Eine vorzeitige Fertigung mit anschließender Lagerhaltung war zeitlich und aus Kostengründen nicht realisierbar, da sie dem Unternehmenskonzept einer kurzen und niedrigen Lagerhaltung entgegenstand und deshalb nicht akzeptiert wurde.

Aber auch unternehmensinterne Schnittstellen konnten ihre Prozesse nicht einfach auf eine terminlose Koordination umstellen. Die etablierten Prozesse basierten eben weitgehend auf terminierten Ressourcen- und Leistungszusagen.

Wie bemesse ich den Projektpuffer?

Zur Frage, wie der Projektpuffer am besten bemessen werden sollte, finden sich leider keine konkreten Aussagen in Goldratts Roman. Sicherlich ist dies auch fehlenden Erfahrungen mit dem Einsatz der Methode geschuldet. Um bereits in der Planungsphase enorme Erfolge durch die Critical-Chain-Methode nachweisen zu können, haben Berater, wie ich feststellen konnte, extrem kurze Projektpuffer empfohlen, die ich schlicht für unrealistisch halte. Bedenken Sie, dass der Projektpuffer ja kein Luxus ist, sondern die in den einzelnen Vorgängen gestrichenen Sicherheiten ausreichend berücksichtigen muss.

In den von mir begleiteten Projektteams wählten wir nach vielen Überlegungen eine Pufferzeit von 50% aller verkürzten Dauern in der Kette. Das bedeutete, dass ca. ein Drittel der gesamten Projektdurchlaufzeit als Puffer reserviert wurde. Damit erhielten wir am Ende der Planung nach CCPM bei einem Medizinausrüstungshersteller in etwa die gleiche Projektlaufzeit wie nach der traditionellen Planung. Bei einigen Teams, wie dem thüringischen Gerätehersteller, ergaben sich sogar etwas längere Projektlaufzeiten.

Da unser Fokus nicht zwingend auf einer Verkürzung, sondern auf der Einhaltung der bisher geplanten Projektdauer lag, wurde die Kalkulation von allen akzeptiert. Außerdem wollten wir der Verunsicherung unter den Mitarbeitern durch die Wegnahme der individuellen Sicherheiten begegnen, indem wir einen deutlich sichtbaren Projektpuffer einrichteten. Natürlich hatten wir im Hinterkopf, dass der Puffer vielleicht gar nicht vollständig benötigt werden würde. Indem wir den Projektpuffer so offensichtlich ausreichend dimensionierten, gewannen wir das Vertrauen des Teams und zerstreuten die Befürchtung, dass wir Sicherheiten willkürlich kappen würden, um Zeit zu sparen.

Diese Befürchtung stellte sich als durchaus berechtigt heraus: Die Forderung des Managements, den Projektpuffer zu reduzieren, erwies sich bei vielen Projekten als Problem. Obwohl die Geschäftsführung des thüringischen Elektrogeräteherstellers eine Einführung in CCPM erhalten hatte, mussten wir den Puffer in der Planung verstecken. Befangen von traditionellen Denkmustern wurde in dem zeitkritischen Projekt ein Puffer als Zeitverschwendung angesehen. Nach Ansicht der Geschäftsführung sollte sich das Projektteam eben etwas mehr anstrengen, um den optimalen Projektverlauf einzuhalten, der aus ihrer Sicht allein aus den Vorgängen mit den verkürzten Dauern bestehen sollte.

Als Reaktion auf diese Haltung wuchs die Angst der Projektmitarbeiter, ihre Sicherheiten in den Vorgängen freizugeben. In dieser Situation war es schwierig, das Vertrauen der Mitarbeiter zurückzugewinnen. Kurzerhand entschlossen wir uns, den Projektpuffer mit einer unauffälligen Vorgangsbezeichnung zu versehen. Dies ersparte uns eine aussichtslose Diskussion mit der Geschäftsführung über die Größe eines dreimonatigen Projektpuffers.

Zumindest in der ersten Phase des Projekts schien es, als ob die von uns gewählte Pufferdimensionierung durchaus realistisch war. Leider wurde das Projekt des Geräteherstellers nicht mit der Critical-Chain-Methode zu Ende geführt. Da die gewünschten, unrealistischen Terminziele eben auch nicht mit CCPM erreicht werden konnten, verlor die Geschäftsführung sehr schnell das hohe Interesse am Projekt. Folglich musste sich der Projektleiter wieder mit den alltäglichen Problemen wie permanentem Ressourcenmangel, Weggang wichtiger Projektmitarbeiter, einer nicht ausreichenden Unterstützung durch das Management sowie Ängsten wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens auseinandersetzen. Resigniert ging er auf den ursprünglichen traditionellen Planansatz zurück. Schließlich wurde der Projektumfang deutlich reduziert, um einen akzeptablen Abschlusstermin zu erreichen.

Tägliches Tracking der Ist-Werte

Viele Unternehmen, die ich beraten habe, besaßen meist recht gute Erfahrungen darin, ein Projekt im Vorfeld planerisch zu durchdenken und als Netz- bzw. Balkenplan mit Projektstruktur abzubilden. Für viele war mit dieser Planung jedoch auch das Projektmanagement bereits abgeschlossen. Die Projektverantwortlichen interpretierten den Projektplan als ein starres und fixes System. Erst mit der Einführung einer Planungssoftware konnten wir viele Projektorganisationen überhaupt für eine regelmäßige und dynamische Aktualisierung des Projektplans sensibilisieren. Die tatsächlichen Aktualisierungszyklen schwankten dann zwischen der von mir empfohlenen wöchentlichen Zeitspanne bis zu einer monatlichen Aktualisierung des Projektplans.

Doch auch hier liegen die Anforderungen des CCPM wesentlich höher als ich sie in der Praxis normalerweise vorfinde. Wenn der Gedanke der Just-in-time-Übergabe - also des Staffellaufprinzips - zwischen den einzelnen Vorgängen funktionieren soll, muss man unbedingt von kürzeren Aktualisierungszyklen ausgehen, am besten einer täglichen Projektaktualisierung. Diese beinhaltet einerseits die Erfassung des aktuellen Status und des bisher geleisteten Leistungsumfangs, andererseits aber auch korrektive und steuernde Reaktionen auf Abweichungen und Störungen.

CCPM erfordert eine extrem hohe Disziplin aller Projektbeteiligten bei der täglichen Rückmeldung ihrer erbrachten Leistungsstände bzw. der Initiierung einer mehrstufigen Vorankündigung des Vorgangsendes. Aber auch für den Projektleiter ergibt sich ein deutlich höherer Aufwand in der Aktualisierung seiner Planung. Trotz hoher Motivation kamen die von mir begleiteten Projektleiter mit dieser Dynamik nicht zurecht. Das tägliche Einfordern, Kontrollieren und Übernehmen der geleisteten Stunden und die permanente Kontrolle der Einhaltung von Prinzipien des CCPM überforderte die Projektleiter vor allem zeitlich. Der ihnen zugestandene Zeitanteil zur Führung des Projekts war oftmals viel zu knapp bemessen, da sie üblicherweise auch selbst in die Umsetzung von Aktivitäten eingebunden waren. Der höhere Management-Aufwand durch die Critical-Chain-Methode ließ sich eigentlich nur durch permanente Mehrarbeit realisieren. Hier ließ über längere Zeiträume die Bereitschaft und Motivation deutlich nach.

Kommunikationskultur

Nicht zuletzt das oben erwähnte tägliche Tracking erfordert eine neue Qualität der Kommunikation. Die Schnittstellen müssen sich eng und permanent abstimmen, um das Staffellaufprinzip aufrecht zu erhalten. Meine Erfahrungen zeigen immer wieder, dass die Kommunikationskultur in Unternehmen nach wie vor ein großes Problemfeld ist.

Obwohl wir bei der Ausbildung aller Projektteams auf die Bedeutung einer intensiven und unverzüglichen Kommunikation hinwiesen, zeigte sich, dass sich ein ausreichendes Verantwortungsbewusstsein für die notwendige Kommunikation nicht so einfach herstellen ließ. Für eine nahtlose Übergabe empfahlen wir eine 5-3-1-Tage-Regel, um die Mitarbeiter über den Beginn der nachfolgenden Aktivität rechtzeitig zu informieren. So sollten sie erstmals fünf Tage vor dem geschätzten Ende ihrer Aktivität ihre Nachfolger informieren und den Termin noch einmal drei Tage bzw. einen Tag vorher präzisieren.

Bei allen Projektteams stellten wir fest, dass viele Mitarbeiter sich gegenseitig per E-Mail informierten anstatt sich mündlich abzusprechen, wie wir dies empfohlen hatten. Auf diese Weise kam es sehr schnell zu Informationsverlusten, da die Empfänger ihre E-Mails nicht immer rechtzeitig lasen. Und einige Projektmitarbeiter vergaßen es ganz einfach, ihre Nachfolger rechtzeitig zu informieren. Auch die von der Planungssoftware erstellten täglichen Prognosen, die wir für die Projektteams ins Intranet stellten, wurden leider nicht immer eigenverantwortlich abgerufen.

So passierte es in dem Thüringer Team, dass Arbeiten bereits seit zwei Tagen abgeschlossen waren, bevor der Nachfolger mit seiner Aufgabe begann. Um künftig eine nahtlose Übergabe sicherzustellen und die Informationsverluste zu vermeiden, informierte zusätzlich der Projektleiter alle Beteiligten, was den Managementaufwand zusätzlich erhöhte.

Puffermanagement

Die Idee, einen gemeinsamen, quasi sozialen Puffer ans Ende des Projekts zu setzen, hat zunächst einen gewissen Charme. Dieses Vorgehen erinnert ein wenig an eine Kommune: Jeder darf sich bei Bedarf bedienen, keiner muss sich für die Nutzung verantworten.

Goldratts Idee, die Gesundheit eines gesamten Projekts einzig am Verbrauch des Zeitpuffers zu bewerten, klingt verführerisch einfach. Doch bei näherer Betrachtung ergeben sich einige Fragen.

Zunächst einmal kann man nicht einfach den verbrauchten Anteil für eine Pufferbewertung heranziehen. Eine Bewertung nach dem Schema "bis 30% Verbrauch gleich grüner Bereich, bis 60% gelber und darüber roter Bereich" ist nicht stimmig, da der bisherige Projektverlauf nicht berücksichtigt wird. Diese Erkenntnis führte bei einigen Beratern aber auch bei manchen Entwicklern von Planungssystemen dazu, die Methode zu verfeinern. Nunmehr wird meist auch das Verhältnis von bereits abgeschlossenen Vorgängen zu den restlichen Vorgängen der Kette berücksichtigt. Dazu bedient man sich oft eines zweidimensionalen Diagramms, in dem ein grüner, gelber und roter Korridor dargestellt wird (Techt, Projekt Magazin 14/2010). Je weiter ein Projekt fortgeschritten ist, umso kleiner wird der Bereich des unkritischen Restpufferverbrauchs. Aber es fehlen hier Erfahrungswerte, ab wann man ein Projekt anhand des Projektpuffers als kritisch einstufen muss.

Zudem berücksichtigt Goldratts Puffermanagement einen wichtigen Aspekt nicht: Das magische Dreieck im Projektmanagement, also die Abhängigkeiten im Projekt zwischen Terminzielen, Kostenzielen, Arbeitsleistung, Qualitäts- sowie inhaltlichen Sachzielen. In der Critical-Chain-Methode wird allein der zeitliche Aspekt des Projekts bewertet. Inwieweit Kosten-, Sach-, Leistungs- und Qualitätsziele erreicht werden, wird hier nicht betrachtet. Die vereinfachende Annahme, dass mit Erreichen der Terminziele auch alle anderen Zielkategorien erreicht werden, muss längst nicht zutreffen.

Diesen methodischen Mangel haben wir bei dem Hamburger Maschinenhersteller durch einen pragmatischen Ansatz gelöst: Wir haben einfach Elemente des traditionellen Projektmanagements aufgenommen. Entsprechend haben wir Aufwands- und Kostenbudgets erstellt, die wir um einen gewissen Pufferanteil erhöhten. Außerdem forderten wir das Team auf, uns ihre Schätzungen zu den noch benötigten Restaufwänden zu geben. Anhand der Budgets und der aktuellen Schätzungen konnten wir nun endlich auch den Status und Fortschritt hinsichtlich Kosten und Arbeitsleistung feststellen und Abweichungen rechtzeitig prognostizieren.

Critical Chain in der Multiprojektumgebung

Innerhalb eines Projekts mag es noch überschaubar sein, eine Kritische Kette zu definieren. In einer Multiprojektumgebung muss nun, basierend auf klaren Festlegungen der Prioritäten zwischen den Projekten und der Analyse einer Schlüsselressource (drum resource) die kritische Kette projektübergreifend definiert werden. Diese komplexe Abfolge lässt sich nur noch mit Hilfe einer Software analysieren, wie Goldratt bereits in seinem Roman beschrieb.

Unverzichtbar aber selten anzutreffen: Priorisierung von Projekten

Auch hier stoßen die einfachen theoretischen Überlegungen Goldratts in der Praxis schnell an Grenzen. In vielen Unternehmen, die ich begleitet habe, steckt eine Priorisierung von Projekten und Vorhaben oft noch in den Kinderschuhen. Ein systematisches Vorgehen habe ich hier bisher in wenigen Unternehmen vorfinden können. Vor allem vertriebsorientierte Kundenprojekte werden gern nach dem Prinzip realisiert: "Erst den Bären erlegen, und dann überlegen, wie man ihn nach Hause trägt". In der Folge erhalten alle Projekte die gleiche Wichtigkeit.

Sie kennen sicherlich die Auswirkungen dieses Vorgehens, die bereits im herkömmlichen Projektmanagement zu Problemen führen. Da in vielen Fällen das benötigte Leistungsvolumen parallel laufender Projekte größer ist als die verfügbaren Ressourcenkapazitäten, behindern sich die einzelnen Projekte aufgrund des Ressourcenmangels gegenseitig. Insofern ist der Ansatz der Priorisierung für das traditionelle Projektmanagement genauso wichtig wie für das CCPM. Doch hinsichtlich der Priorisierung von Vorhaben besteht in sehr vielen Unternehmen ein hoher Nachholbedarf. Bereits im traditionellen Vorgehen entstehen bei fehlenden Prioritäten die gerade beschriebenen Probleme. Für die Critical-Chain-Methode spielen Prioritäten jedoch eine Schlüsselrolle, ohne diese kann sie gar nicht funktionieren.

Solange ein Unternehmen keine klare Priorisierung seiner Projekte vornimmt, solange wird es nicht in der Lage sein, seine Projekt nach CCPM durchzuführen. Umgekehrt werden Unternehmen auch mit traditionellem Projektmanagement eine deutliche Leistungssteigerung erzielen, sobald sie ihre Projekte entsprechend ihrer Ressourcenkapazität priorisieren.

Gibt es in komplexen Systemen wirklich immer einen Engpass?

Das Festlegen einer Schlüsselressource (drum resource) erwies sich in dem Entwicklungsprojekt des Hamburger Maschinenbauers als nicht ganz einfach. Welche Ressource ist der Engpass? Hier mussten wir manchmal eher Vermutungen anstellen, da sich der Engpass aufgrund der Vielzahl der beteiligten Ressourcen nicht exakt bestimmen ließ. Sicherlich mag es für dieses Problem alternative Denkansätze geben, z.B. dass man anstatt eine "drum resource" festzulegen, zunächst eine "virtual drum" (ähnlich einem Platzhalter) verwendet (Techt, Projekt Magazin 14/2010). Dieses Konstrukt scheint mir aber das grundliegende Engpass-Prinzip der Theory of Constraints selbst in Frage zu stellen, da es dabei keine reale Engpassressource mehr gibt.

Critical Chain als Heilslehre des Projektmanagements

Vielleicht haben es Modelle prinzipiell an sich, nur einzelne Probleme in den Fokus zu nehmen und pauschalisierende, stark vereinfachende Lösungen anzupreisen. Werden diese Modelle auch noch werbewirksam mit ihren unglaublichen Erfolgen in Szene gesetzt, sind viele fasziniert und bereit, an Wunder zu glauben. Projektmanagement ist jedoch eine Form der Arbeitskultur. Für einen Kulturwandel reichen meiner Meinung nach keine simplen Rezepte, vielmehr müssen alle Mitarbeiter der Organisation mit konzentrierten Anstrengungen einen langen, mühsamen Weg beschreiten.

Mir persönlich erscheint die Art der Verbreitung der Critical-Chain-Methode durch Goldratt und seine Anhänger ebenso wie seine Selbstdarstellung problematisch und eigennützig. Vor allem aber ärgert mich eine polarisierende Präsentation der CCPM, in der die traditionelle Netzplantechnik stets als falsch und tendenziös negativ dargestellt wird. Die Unterstellung, dass eine traditionelle Terminplanung die Ressourcenverfügbarkeit nicht berücksichtigen würde, ist ganz einfach falsch, wie ein Blick in jeden beliebigen PM-Standard sofort beweist.

Die Erfolge der Critical Chain

Ich sage es ganz ehrlich: Keines der von mir begleiteten Projektteams hat die CCPM erfolgreich bis zum Ende angewandt oder gar als beständige Methode implementiert. Sicherlich lag es nicht an fehlender Motivation. Eher daran, dass Critical Chain von einem Idealbild menschlicher Verhaltensweisen ausgeht, wie es in der Realität eben nicht vorkommt. CCPM ignoriert offensichtlich den "Faktor Mensch" mit seinen Stärken, aber eben auch mit seinen vielen Schwächen. Die Projektteams, mit denen wir den Weg der Critical-Chain-Methode gingen, kehrten alle im Verlauf der Projektabwicklung schleichend wieder zu einem traditionellen Projektmanagement zurück. Für alle Projektleiter war es ernüchternd, dass die CCPM eben keine einfachere Lösung bietet als das bisherige Vorgehen.

Einen Erfolg hatten wir zweifellos in allen Teams: Mit unserer Einführung der Critical-Chain-Methode sensibilisierten wir viele Bereiche der Organisation und eben auch die Unternehmensführung für das Thema Projektmanagement. Schwächen in den Prozessen, fehlende Regeln und Vereinbarungen sowie ungeklärte Verantwortlichkeiten wurden im Einführungsprozess oft sehr deutlich und boten die Chance, hier künftig nachzubessern - und zwar unabhängig von der gewählten Methode. Zwar werden im Internet Referenzen präsentiert, die von unglaublichen Erfolgen der CCPM in Deutschland berichten. Meist entstammen sie den Quellen des Goldratt-Instituts oder ihrer zertifizierten Berater. Die Angaben sind nicht überprüfbar. Die Ausgangsituation, vor allem das bisherige Qualitätsniveau des Projektmanagements in der Organisation wird nicht beleuchtet.

So resultieren die Erfolge wohl eher aus der Tatsache, dass die Organisationen sich überhaupt mit Projektmanagement beschäftigten. Auch das gern publizierte Vorzeigebeispiel (Mätzing, Projekt Magazin 20/2007) eines süddeutschen Elektroanlagenherstellers, dessen Projektlaufzeiten durch die Anwendung der CCPM drastisch reduziert wurden, profitierte von der Sonderstellung des Projekts im Haus. Es wurde mit oberster Priorität vorangetrieben. Deshalb litt das Projekt nicht an Ressourcenengpässen, die eine der häufigsten Ursachen für Projektverzögerungen sind. Welche Folgen diese Bevorzugung auf die anderen laufenden Projekte hatte, lässt sich sicherlich erahnen.

CCPM - Alles nur ein Bluff?

Goldratts Critical-Chain-Methode greift in der Tat einige typische Probleme aus der Praxis auf. Einige seiner Lösungen stehen dem Verständnis des traditionellen Projektmanagements keineswegs entgegen. Für mich zählt hier an oberster Stelle eine Priorisierung von Projekten und Vorhaben. Denn auch traditionelles Projektmanagement hat permanent mit Ressourcenengpässen zu kämpfen, die meistens nur durch eine Priorisierung der Projekte sinnvoll gelöst werden können.

Überlegenswert ist der Ansatz, ineffizientes Multi-Tasking bzw. Multi-Projecting zu reduzieren. Hierzu benötigen alle Projektbeteiligten vom Lenkungsausschuss bis zum einzelnen Mitarbeiter sehr viel Disziplin. Z.B. müssen Ressourcenverantwortliche dafür sorgen, dass Mitarbeiter nicht gleichzeitig an mehreren Projekten arbeiten und die Geschäftsführung muss dieses Vorgehen unterstützen. Außerdem müssen Vertrieb, Geschäftsführung und Projektleiter konsequent die Auftraggeber davon überzeugen, dass es unsinnig ist, wenn an allen "Baustellen" gleichzeitig gearbeitet wird. Viele Auftraggeber lassen ihr Projekt nur ungern auf einen künftigen Zeitraum "platzieren", sondern wollen das Gefühl haben, dass sofort für sie gearbeitet wird.

Meiner Erfahrung nach reichen die Befugnisse von Projektleitern jedoch meist nicht aus, um gegenüber dem Auftraggeber und der eigenen Geschäftsführung eine entsprechende Projektpriorisierung durchzusetzen. Dies geht nur, wenn die gesamte Organisation an einem Strang zieht und z.B. ein mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattetes Project Management Office für Effektivität und Effizienz im Projektportfolio sorgt.

Als zweites halte ich es für einen sinnvollen Denkansatz, ein einzelnes Projekt nicht nur als Abfolge einzelner Aktivitäten, sondern als Gesamtsystem zu sehen. Häufig sind Projektleiter viel zu sehr auf Details fixiert und berücksichtigen nicht die wechselseitigen Abhängigkeiten der Vorgänge in einem Projekt. Eine Auseinandersetzung mit den Ideen des CCPM kann für Projektleiter durchaus den Effekt haben, dass sie Entscheidungen zum Nutzen für das Projekt als Gesamtsystem und nicht nur zur lokalen Optimierung einer Aktivität treffen.

Natürlich sollte jeder Projektmanager die Überzeugung haben, dass die von ihm angewandten Methoden richtig und wirksam sind. Diese Überzeugung sollte jedoch nicht darin bestehen, unkritisch und ungeprüft Methoden zu übernehmen - ganz egal ob sie CCPM, Agiles Projektmanagement oder Lean Management heißen.

Meine Ratschläge für alle Interessenten an der Critical-Chain-Methode sind daher:

  • Setzen Sie sich kritisch und vorurteilsfrei mit der Methode auseinander.
  • Besprechen und vereinbaren Sie vorab mit allen Beteiligten das Vorgehen und die Schnittstellen des Projekts. Nehmen Sie Ängste, Befürchtungen und Erwartungen aller Stakeholder sehr ernst.
  • Vertrauen Sie nicht auf Wunder und akzeptieren Sie: Projektmanagement ist harte Arbeit und ein Arbeiten mit Menschen, nicht mit Idealbildern.

Picken Sie sich doch einfach einige Rosinen aus der Methode heraus und testen Sie diese in Ihrem herkömmlichen Management! Funktionieren sie? Können Sie diese kreativ modifizieren? Ihr Engagement, Ihre Erfahrungen, Ihr gesunder Menschenverstand, Ihr Führungsverhalten sind ganz wichtige Bestandteile für ein erfolgreiches Projektmanagement. Vertrauen Sie auf diese Kraft!

Literaturhinweise

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