Bluff oder Patentrezept? Die Kritische Kette – kritische Anmerkungen aus der Praxis
Die Befürworter von Critical Chain Project Management (CCPM) versprechen, die Laufzeiten von Projekten durch radikalen Verzicht auf individuelle Pufferzeiten und das Staffellaufprinzip um rund 30% verkürzen zu können. Auch Uwe Keller war zunächst von diesen Ideen begeistert, musste jedoch bald erkennen, dass die Patentrezepte der CCPM in der Praxis nicht greifen. Punkt für Punkt analysierte er anhand seiner Erfahrungen die Annahmen und Herangehensweisen der CCPM. Seine Schlussfolgerung ist, dass die Terminplanung des CCPM von realitätsfernen Annahmen ausgeht und deswegen auch nicht die versprochene Beschleunigung erzielen kann. Dennoch empfiehlt er, sich unvoreingenommen mit den Argumenten der CCPM auseinander zu setzen, da diese zu Recht die wunden Punkte des üblichen Projektmanagements kritisieren – wie z.B. das gängige Prinzip, Ressourcen im Multitasking mehreren Projekten gleichzeitig zuzuordnen.
Inhalt
- Gibt es die versteckten Pufferzeiten wirklich?
- Arbeiten ohne Termine
- Wie bemesse ich den Projektpuffer?
- Tägliches Tracking der Ist-Werte
- Kommunikationskultur
- Puffermanagement
- Critical Chain in der Multiprojektumgebung
- Critical Chain als Heilslehre des Projektmanagements
- Die Erfolge der Critical Chain
- CCPM - Alles nur ein Bluff?
- Literaturhinweise
Bluff oder Patentrezept? Die Kritische Kette – kritische Anmerkungen aus der Praxis
Die Befürworter von Critical Chain Project Management (CCPM) versprechen, die Laufzeiten von Projekten durch radikalen Verzicht auf individuelle Pufferzeiten und das Staffellaufprinzip um rund 30% verkürzen zu können. Auch Uwe Keller war zunächst von diesen Ideen begeistert, musste jedoch bald erkennen, dass die Patentrezepte der CCPM in der Praxis nicht greifen. Punkt für Punkt analysierte er anhand seiner Erfahrungen die Annahmen und Herangehensweisen der CCPM. Seine Schlussfolgerung ist, dass die Terminplanung des CCPM von realitätsfernen Annahmen ausgeht und deswegen auch nicht die versprochene Beschleunigung erzielen kann. Dennoch empfiehlt er, sich unvoreingenommen mit den Argumenten der CCPM auseinander zu setzen, da diese zu Recht die wunden Punkte des üblichen Projektmanagements kritisieren – wie z.B. das gängige Prinzip, Ressourcen im Multitasking mehreren Projekten gleichzeitig zuzuordnen.
Inhalt
- Gibt es die versteckten Pufferzeiten wirklich?
- Arbeiten ohne Termine
- Wie bemesse ich den Projektpuffer?
- Tägliches Tracking der Ist-Werte
- Kommunikationskultur
- Puffermanagement
- Critical Chain in der Multiprojektumgebung
- Critical Chain als Heilslehre des Projektmanagements
- Die Erfolge der Critical Chain
- CCPM - Alles nur ein Bluff?
- Literaturhinweise
Als 1997 der US-amerikanische Berater und Autor Dr. Eliyahu M. Goldratt seine Engpasstheorie (Theory of Constraints) auf das Projektmanagement übertrug, glaubten viele, endlich den "Heiligen Gral" des Projektmanagements gefunden zu haben. Geschickt verpackte Goldratt seine Theorie der Terminplanung in Projekten, die er "Kritische Kette" (Critical Chain) nannte, in einen locker geschriebenen Roman (Goldratt, 1997). Werbewirksam sprach er darin von einer Verringerung der Projektdurchlaufzeiten um 30% und mehr.
Der Charme der Critical-Chain-Methode liegt in ihrem einfachen und überschaubaren Denkansatz: Die Zeitpuffer aller einzelnen Vorgänge werden zu einem einzigen gemeinsamen Projektpuffer zusammengefasst. Die Methode erscheint universell anwendbar. Einzig für die Ermittlung der Kritischen Kette, dies ist der zeitbestimmende Weg durch den Netzplan, ist eine Software-Berechnung notwendig.
Anfang 2000 war ich als Kundenberater für ein Software- und Beratungshaus tätig. Dieses vertrieb eine Planungssoftware, die als eine der ersten Netzplantechnik nach Critical Chain Project Management (CCPM) beherrschte. Als meine Kollegen und ich damals in Vorträgen diese neue Methode vorstellten, reagierten viele Teilnehmer regelrecht euphorisiert. Bald begleiteten wir erste Kunden bei der Einführung von CCPM.
Die Realität war jedoch ernüchternd. Trotz intensiver Anstrengungen aller Beteiligten schien die Methode nicht zu greifen und wurde von allen Kunden wieder eingestellt. Das geschah meist stillschweigend, denn niemand gibt gerne zu, sich getäuscht zu haben. Wahrscheinlich mussten nicht nur wir diese Erfahrung machen, sondern auch viele andere Teams, denn in den folgenden Jahren wurde es recht still um CCPM. Erst seit ein bis zwei Jahren scheint es eine Renaissance zu geben, zumindest wird es wieder von einigen Beratern aktiv propagiert. Lassen Sie mich einige Erfahrungen darlegen, warum der genial einfach erscheinende Denkansatz von Goldratt nicht die erhofften Wirkungen erbrachte und wo sich meiner Einschätzung nach die Grenzen des CCPM abzeichnen.
Gibt es die versteckten Pufferzeiten wirklich?
Goldratt geht in seiner Theorie davon aus, dass die Mitarbeiter immer einen zeitlichen Puffer aufschlagen, wenn sie für eine Aufgabe die Dauer abschätzen. Deren Vorgesetzte fügen weitere Puffer hinzu, so dass sich über mehrere Hierarchien hinweg letztendlich ein überdimensionierter Sicherheitspuffer ergibt, der die Laufzeit der Projekte unnötig verlängert. Goldratt schlägt vor, die zeitlichen Puffer aus jedem einzelnen Vorgang herauszunehmen und einen vernünftig dimensionierten, gemeinsam benutzbaren "Projektpuffer" ans Ende des Projekts zu stellen.
Wenn Arbeitsaufwände zu Dauern werden
Das klingt logisch, berücksichtigt aber nicht das typische Schätzverhalten in der Realität. In den meisten Projekten werden meiner Erfahrung nach Arbeitsaufwände und nicht Bearbeitungsdauern geschätzt. Häufig wird bei den Schätzungen der Fehler begangen, anschließend die Aufwände mit Dauern gleichzusetzen. Wenn ein Mitarbeiter für eine Aufgabe einen reinen Arbeitsaufwand von fünf Tagen schätzt, dann wird dies oft mit einer Bearbeitungsdauer von fünf Arbeitstagen gleichgesetzt. Der Mitarbeiter meinte jedoch vierzig Stunden Arbeitszeit für diesen Vorgang, den er vielleicht innerhalb eines Zeitraums von sieben bis zehn Tagen erbringen wird. Diese Verwechslung von Arbeitsaufwänden mit Vorgangsdauern führt damit bereits zu einem unrealistisch kurzen, nicht haltbaren Terminplan. Dieser Plan enthält eben keine Zeitpuffer, von denen Goldratt in seiner Methode ausgeht.
Der Auftraggeber bestimmt den Termin
Zusätzlich üben Wunschtermine der Auftraggeber einen hohen Druck auf die Terminpläne aus. Um den Auftrag zu erhalten, kommt es immer wieder vor, dass sich der Vertrieb auf unrealistische Lieferzeiten für das Projektergebnis einlässt.
In einem Bereich eines namhaften Elektrogeräteherstellers in Thüringen sollten wir mit der Einführung der Critical-Chain-Methode ein zeitkritisches Projekt retten. Eine komplette traditionelle Projektplanung existierte bereits. Nach einer Einführungsveranstaltung in die Critical-Chain-Methode forderten wir die Mitarbeiter auf, ihre korrigierten Schätzungen abzugeben. Um Zeitdauern ohne versteckte Sicherheitspuffer zu erhalten, sollten die Mitarbeiter von der Annahme ausgehen, dass die Aufgaben bekannt seien, alle Inputs vollständig vorlägen und ohne jegliche Störung bzw. zeitliche Unterbrechung daran gearbeitet werden könne. Dies hatte erstaunlicherweise zur Folge, dass viele der herkömmlich geplanten Dauern sogar nach oben korrigiert wurden. Bei einer Analyse dieses Symptoms stellt sich heraus, dass sich die bisherige Schätzung stark am Terminwunsch des Auftraggebers orientiert hatte. Letztendlich ergab dies am Ende der neuen Planung eine längere Laufzeit für das Projekt als nach der ursprünglichen Planung. Da wir während der Schätzungen jegliche Terminwünsche außen vor ließen, erhielten wir nun realistischere Einschätzungen des notwendigen Arbeitsaufwands und der sich daraus ergebenden voraussichtlichen Projektdauer.
Risiken werden ignoriert statt eingeplant
In vielen Projekten ist ein sorgfältiges Risikomanagement leider noch die Ausnahme. Häufig fallen Aufwandsschätzungen viel zu optimistisch aus, da die Mitarbeiter die Risiken und Probleme in der Projektdurchführung unterschätzen oder ausblenden.
…
Hartmut de Jong
06.10.2010
Frank Hess
06.10.2010
Wolfram M
08.10.2010
Franz Xaver
12.10.2010
Dr. Michael Homberg
22.10.2010
Heinz Scheuring
23.10.2010
Walter Plagge
27.04.2016
Vera Reithmeier
18.05.2016
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