Projekte interdisziplinär vereinbaren Der Project Canvas – wirksames Werkzeug zur Projektdefinition

Der Project Canvas ist ein leistungsfähiges Kommunikationswerkzeug zur Gewinnung eines gemeinsamen Projektverständnisses. Er zerlegt ein Projekt in seine grundlegenden Bestandteile und skizziert diese in Form eines vorstrukturierten Plakats. Prof. Dr. Frank Habermann stellt die Idee des Project Canvas vor, beschreibt die von der Initiative "Over the Fence – Projects Newly Discovered" weiterentwickelte Version und zeigt Möglichkeiten für seinen Praxiseinsatz.

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Projekte interdisziplinär vereinbaren Der Project Canvas – wirksames Werkzeug zur Projektdefinition

Der Project Canvas ist ein leistungsfähiges Kommunikationswerkzeug zur Gewinnung eines gemeinsamen Projektverständnisses. Er zerlegt ein Projekt in seine grundlegenden Bestandteile und skizziert diese in Form eines vorstrukturierten Plakats. Prof. Dr. Frank Habermann stellt die Idee des Project Canvas vor, beschreibt die von der Initiative "Over the Fence – Projects Newly Discovered" weiterentwickelte Version und zeigt Möglichkeiten für seinen Praxiseinsatz.

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Wenn Menschen aus verschiedenen Unternehmensbereichen versuchen, sich über einen Projektgegenstand zu verständigen, fließen professionelle Sichtweisen ebenso ein wie persönliche Interessen. Dabei bleibt manches unausgesprochen, vieles wird überhört und noch mehr geht im Missverständnis der Fach- und Expertensprachen unter. Es erstaunt deshalb nicht, dass "Kommunikationsprobleme", "mangelnde Zieldefinition" und "unklares Projektverständnis" von mehreren Studien als Ursachen für gescheiterte Projekte genannt werden (Project Management Institute, 2013). Besonders kritisch ist diese Situation in der Phase der Projektinitialisierung. Denn in der Startphase eines Projekts werden die – inhaltlichen wie sozialen – Grundlagen für die weitere Arbeit und damit die Basis für den Projekterfolg gelegt.

An dieser Stelle setzt der Project Canvas an. Er ist ein leistungsfähiges Werkzeug zur Projektdefinition. Genauer gesagt ist er ein Kommunikationswerkzeug zur Gewinnung eines gemeinsamen Projektverständnisses, insbesondere in interdisziplinären Gruppen.

In diesem Artikel stelle ich die Idee des Project Canvas vor, beschreibe die von der Initiative "Over the Fence – Projects Newly Discovered" entwickelte Version und gebe Hinweise auf das praktische Arbeiten mit dieser Methode. Darüber hinaus verweise ich auf einige andere Varianten des Project Canvas.

Project Canvas – Was ist das?

Osterwalder und Pigneur schlugen den "Canvas" (engl. = Leinwand) als Instrument für die Entwicklung von Geschäftsmodellen vor (Osterwalder, 2010). Der "Business Modell Canvas" wurde in dieser Form schnell populär. Ein Canvas ist – ganz allgemein gesprochen – eine strukturierte, grafische Darstellungsform eines komplexen Sachverhalts. Es liegt deshalb nahe, die Idee von Osterwalder und Pigneur auch auf Projekte zu übertragen – beim "Project Canvas" ist der dargestellte komplexe Sachverhalt ein Projekt. Der Project Canvas zerlegt ein Projekt in seine grundlegenden Bestandteile ("Projektbausteine", s.u.) und stellt diese bildhaft dar.

Die von mir mitgegründete Initiative "Over the Fence – Projects Newly Discovered" (s.u.) entwickelte 2013 einen Project Canvas (siehe Bild 1), der unter der Creative Commons License kostenfrei unter http://overthefence.com.de/project-canvas als großformatige Mustervorlage zum Ausdrucken und Bearbeiten der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Viele der bisherigen Anwender des Project Canvas gaben im Rahmen von "Over the Fence" Rückmeldungen über das Gute und das noch zu Verbessernde. Diese Vorschläge griffen wir auf und entwickelten den Project Canvas entsprechend weiter.

Bild 1: Project Canvas gemäß "Over the Fence".
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Seit seiner Veröffentlichung wurde er in hunderten Fällen zur Beschreibung von Projekten benutzt. Viele der so entstandenen Praxisbeispiele wurden der Initiative Over the Fence von den Anwendern wieder zur Verfügung gestellt. Diese Beispiele umfassen vielfältige Projektsituationen, von der ersten Ideenskizze bis zum Statusreview eines laufenden Projekts. Der Project Canvas wurde für eine große Bandbreite von Organisationen und Projektarten verwendet: kleinere Not-for-Profit-Vorhaben, Multi-Millionen-Projekte, öffentliche Kampagnen, Marketing- und IT-Projekte sowie Kreativ- und Innovationsvorhaben. Die im Weiteren vorgestellten, anonymisierten Beispiele beruhen auf diesen Erfahrungsberichten.

Wesentliche Merkmale des Project Canvas

Damit der Project Canvas seinen Zweck erfüllen kann, verfügt er über die nachfolgenden Merkmale. Diese Merkmale wurden in einer mehrjährigen wissenschaftlichen Forschung identifiziert, spezifiziert und abgesichert (Habermann, 2014).

Neutrale Sprache

Die im Project Canvas verwendeten Begriffe müssen von allen Menschen im Projekt verstanden werden, unabhängig von deren Position, Projekterfahrung und fachlicher Prägung. Während der Entwicklung des Project Canvas wurden Feldtests mit hunderten Teilnehmern gemacht, auch mit solchen, die Projekte außerhalb von Betrieben durchführen, etwa Künstlern und Sportlern. Aussortiert wurden alle "erklärungsbedürftigen" Begriffe, die unklar blieben oder mehrdeutig erschienen. Dazu zählten auch solche Begriffe, die in der Welt des Projektmanagements durchaus üblich sind, aber eben dieses spezielle Vorwissen erfordern (z.B. Begriffe wie "Scope" oder "Stakeholder").

Verbindende Metapher

Um eine integrierende Wirkung zu erreichen, muss die Logik des Canvas auf einem gemeinsamen, disziplinen- und erfahrungsübergreifendem Projektverständnis gründen. Im Zuge der Entwicklung des Project Canvas wurden daher Menschen innerhalb und außerhalb von Betrieben, mit und ohne Projekterfahrung, aus insgesamt über 70 Ländern nach derjenigen Metapher gefragt, die sie am ehesten mit einem "Projekt" verbinden. Das am häufigsten genannte Bild war die "Reise in unbekannte Gefilde". Diese Metapher bildet die Basis für die Strukturierung und Visualisierung des Project Canvas. Die Bildsprache des Canvas greift diese Metapher auf, z.B. durch die symbolisierte Haiflosse beim Baustein "Risiken".

Einfacher Aufbau

Der "Project Canvas" ist so einfach wie möglich aufgebaut. Er umfasst nur das Allernötigste, nämlich die wichtigsten Bausteine eines Projekts und deren Hauptverbindungen. Der Canvas dient dazu, Projekte zu skizzieren – nicht mehr und nicht weniger. Der Project Canvas ist kein Werkzeug für eine detaillierte Planung; seine Aufgabe besteht vielmehr darin, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, auf dem die weitere Planung aufbauen kann.

Offener Ansatz

Der Project Canvas ist sowohl in seiner Terminologie als auch Struktur neutral und mit allen Denkschulen des Projektmanagements kombinierbar. Er lässt sich sowohl in agilen Projektenszenarien einsetzen, als auch in prototypisch-orientierten und phasenorientierten Vorgehensmodellen.

Im Einklang mit Standards

Trotz seiner Einfachheit und Offenheit ist der Project Canvas so gestaltet, dass er im Einklang mit den bestehenden PM-Standards steht. Der Aufbau des Project Canvas orientiert sich an den wichtigsten Projektmanagement-Richtlinien, etwa PMBOK® Guide (PMI), PRINCE2® (AXELOS), PM3 (GPM), DIN 69901 und ISO 21500.

Die mit dem Project Canvas erzielten Ergebnisse können deshalb unmittelbar in weiterführende Projektdokumente wie Project Charter (PMBOK® Guide), Business Case (PRINCE2®) o.ä. übernommen werden.

Aufbau des Project Canvas

Der hier vorgestellte Project Canvas besteht aus insgesamt elf Projektbausteinen. Die neun zentralen Bausteine gliedern sich in je drei Inputfaktoren (Budget, Team, Ressourcen), Transformationsfaktoren (Umfeld, Risiken, Meilensteine) und Outputfaktoren (Ergebnis, Qualität, Kunde). Diese prozessorientierten Elemente bauen auf dem Baustein "Zeit" als Fundament auf. Über allem steht der Baustein "Zweck", der das Projekt begründet und legitimiert.

Tabelle 1 beschreibt die einzelnen Bausteine näher. Dies geschieht anhand typischer Fragen, die es zu beantworten gilt, um ein Projekt zu definieren. Da die Fragen selbst Teil des Project Canvas sind, sind sie sprachlich einfach gehalten (Begriffe in Großbuchstaben verweisen auf andere Projektbausteine).

Tabelle 1: Die elf Elemente des Project Canvas mit den jeweiligen Leitfragen.
Baustein Leitfragen
ZWECK Welche Absicht steht hinter dem Projekt (auch: Herausforderung, Ursache)?
Warum und für wen ist das Projekt wichtig und bedeutsam?
Inwiefern wird das Projekt die Zukunft verbessern?
KUNDE Wer finanziert das Projekt? (Sponsor)
Wem obliegt die Entscheidung, das Projekt zu starten und zu stoppen? (Eigentümer)
Wen betreffen die Projektergebnisse? (Empfänger)
Sind Sponsor, Eigentümer, Empfänger nicht identisch: Gibt es (vorhersehbare) Konflikte?
ERGEBNIS Was soll das Projekt für den/die KUNDEN liefern?
Ist das Ergebnis am ehesten:
  • ein neues Produkt?
  • ein neuer Service?
  • neue Erkenntnisse / Wissen?
Aus welchen Hauptbestandteilen besteht es?
QUALITÄT Wodurch wird das Projekt zum Erfolg?
Was macht den KUNDEN wirklich glücklich?
Welche Anforderungen gibt es in Bezug auf:
  • das ERGEBNIS des Projekts?
  • die MEILENSTEINE auf dem Weg dorthin?
Wie soll der KUNDE involviert und informiert werden?
BUDGET Wie viel Geld wird benötigt?
  • für das TEAM (intern und extern)
  • für die RESSOURCEN
TEAM Welche Kompetenzen werden im Team benötigt?
Wer sollte dabei sein:
  • im Kernteam?
  • im erweiterten Team?
Wer sollte das Projekt organisieren und steuern?
Wie viel Zeit wird von jeder Person im Projekt benötigt?
RESSOURCEN Was wird für die Projektarbeit benötigt an:
  • Arbeitsräumen?
  • Arbeitsmitteln (inkl. Software) und Materialien?
Ist es notwendig (oder gewünscht) externe Partner zu involvieren?
UMFELDBEDINGUNGEN Was sind bekannte Kräfte, die das Projekt beeinflussen (Situationen, Menschen, Stimmungen):
  • Wer/was unterstützt das Projekt?
  • Wer/was behindert das Projekt?
RISIKEN Welche Ereignisse, die nicht mit Sicherheit eintreten werden, würden den Projekterfolg maßgeblich gefährden? (Beachte: sicher eintreffende Ereignisse sind UMFELDBEDINGUNGEN, z.B. bekannte Behinderungen)
MEILENSTEINE Welche Etappenziele sind maßgeblich?

Alle Kommentare (4)

Volker
Gottwald

Eine sehr gute Zusammenfassung und neue Beschreibung einer allerdings nicht ganz neuen Idee. Denn ein guter Projektvertrag (Project Charter), der so und ähnlich schon vor mehr als 20 Jahren definiert wurde hat keine wesentlich anderen Inhalte. Andererseits ist es ein hervorragendes Hilfsmittel das dann zu einem guten Projektvertrag/-auftrag führt. Gut ist die bildhafte Darstellung des Sachverhalts und der Hinweis, dass dies ein sich ständig weiterentwickelndes Dokument ist, das immer im Team erstellt und bearbeitet wird. Eine Ergänzung im Bereich Risiken habe ich bei meinen "Canvassen" immer gemacht. Die Frage "Welche Ereignisse, die nicht mit Sicherheit eintreten werden, würden den Projekterfolg maßgeblich gefährden?" habe ich durch " ... und befördern?" ergänzt. Und in der Überschrift steht "Risiken und Chancen". Glückwunsch zu dem Artikel, den leider vermutlich zu wenige Projektleiter lesen werden und noch weniger richtig anwenden.

 

Guest

Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt der Project Model Canvas. http://www.projectmodelcanvas.com/ http://www.projectmodelcanvas.eu/

 

Oliver
Buhr

Kompliment an Hr. Habermann! Tolle Beschreibung. So schafft man es, einen Projektauftrag vollständig, und vor allem mit einer gemeinsamen Sicht aller Schlüsselpersonen zu erstellen. Projekte, die auf diese Art und Weise gestartet werden, haben ein 10fach stärkeres Fundament als diejeningen, die der Projektmanager einsam am Schreibtisch in ein Word-Dokumente oder irgendeine Eingabemaske eines SW-Tools einhackt. Zur Liste der bekannten Canvas darf ich meine Variante hinzufügen. Ich nenne es "Bluesheet". Dieses Poster setze ich seit fast 10 Jahren in unserem Kundenprojekten ein. Die Erfolgsprinzipien sind identisch mit denen, die Herr Habermann in diesem Artikel beschreibt. Auch das Bluesheet gibt es zum kostenlosen Download. hier: http://www.smart-pm.de/startup/

 

Hartmut
Goetze

"Vermeidung von Fach- und Expertensprache". Klare und verständliche Ansätze. So geht Kommunikation. So wird es möglich, dass alle an einem Strang ziehen. Chapeau!