Im ersten Teil dieses Beitrags habe ich ausgeführt,
- dass gelingendes Projektmanagement im Wesentlichen eine Frage des Bewusstseins und des Weltbildes ist,
- warum ein systemisches PM-Verständnis notwendig ist und
- dass Projektführung, -management und -marketing die drei Schlüsselfunktionen in Projekten sind.
Was könnte das aber für die Praxis bedeuten?
10 Empfehlungen für die Praxis
Zugegebenermaßen kann das Thema "Systemisches Projektmanagement" in zwei kurzen Blogbeiträgen nicht umfassend behandelt werden. Trotzdem möchte ich den Versuch wagen, Ihnen zehn konkrete Anregungen für die Projektpraxis mit auf den Weg zu geben:
- Reflektieren Sie Ihr Weltbild: "Wow, eine sehr praktische Empfehlung", werden Sie jetzt vielleicht denken. Trotzdem: in der Geistes-Haltung (vgl. Roger Dannenhauer) liegt der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg in Projekten.
- Achten Sie darauf, wie Ihr Projekt beginnt – und wie es endet: Bestehen Sie als Projektleiter/in darauf, ausreichend Zeit für die Projektvorbereitung und die Projektstartphase zu erhalten. Nehmen Sie sich genug Zeit, alle beteiligten Menschen "mit an Bord zu nehmen". Dies ist für den späteren Erfolg essenziell, wie jede/r erfahrene Projektleiter/in weiß. Und am Ende des Projekts: Schließen Sie Projekte sachlich und emotional sauber ab – am besten durch einen symbolischen Akt wie eine kleine Projektabschlussfeier.
- Klären Sie das "Warum und Wozu": Jedes Projekt sollte den Anspruch haben, etwas Wertvolles, Wichtiges und Dauerhaftes zu generieren. Ein Ergebnis, das Spuren hinterlässt. Je klarer dieser übergeordnete Sinn und Zweck eines Projekts für alle Beteiligten greifbar und verständlich wird, umso besser stehen die Chancen, dass das Projekt erfolgreich sein wird. Diese Auseinandersetzung geht weit über die sachlich-nüchterne "Auftragsklärung" hinaus.
- Fördern Sie die Entwicklung einer Projektidentität: Projekte sollten sich gegenüber ihrer Umwelt klar abgrenzen. Idealerweise wird diese Identität durch die gemeinsame Projektmission und -vision (siehe Punkt 3) gestärkt. Weitere Aspekte sind gemeinsame "Projektrituale", vereinbarte Spielregeln oder ein einheitliches Erscheinungsbild des Projekts (z.B. durch einen aussagekräftigen Titel, ein Schriftzug, gestaltete Dokumente etc.).
- Achten Sie auf klare Funktionen und Rollen: Fragen Sie sich, welche Fähigkeiten und Kompetenzen für einen erfolgreichen Projektprozess notwendig sind. Versuchen Sie dann, Ihr Team so zusammen zu stellen, dass möglichst alle Beteiligten einen wichtigen Beitrag einbringen können und sollen.
- Recht auf Zugehörigkeit: Jedes Teammitglied bringt Kompetenzen, Fähigkeiten und Erfahrungen in ein Projekt ein. Allerdings liegt es in der Verantwortung der Projektleitung, dafür zu sorgen, dass dies auch bestmöglich erfolgen kann. Wertschätzung, Gleichwertigkeit und Respekt sind Werte, auf deren Einhaltung in diesem Zusammenhang besonders geachtet werden sollte. Gleichzeitig sollte jede Form der üblen Nachrede oder Ausgrenzung konsequent angesprochen und unterbunden werden.
- Seien Sie achtsam: Gerade schwierige und komplexe Projekte leben von der Fähigkeit der Beteiligten (und insbesondere des Projektleiters), mit Risiken, Unsicherheiten und Veränderungen professionell umzugehen. Seien Sie in jeder Phase des Projekts achtsam. Schenken Sie gerade auch den schwachen und leisen Signalen Bedeutung. Und holen Sie möglichst viele Einschätzungen und Meinungen von beteiligten Menschen ein. Versuchen Sie, in Ihrem Projekt eine offene und vertrauensvolle Kommunikations- und Feedbackkultur zu etablieren.
- Sorgen Sie für Ordnung – vor allem bei sich selbst: Führungskräfte müssen in erster Linie in der Lage sein, sich selbst zu führen. Nur so sind sie in der Lage, kooperative Arbeitsprozesse wirkungsvoll zu gestalten und zu koordinieren. Ein "ordentlicher" Projektleiter achtet z.B. darauf, dass Aufgaben verbindlich delegiert, Termine eingehalten, oder Sitzungen effizient durchgeführt werden. Entsprechende PM-Methoden, Tools und Hilfsmittel gibt es zuhauf. Vor allem aber die Visualisierung von Plänen und sonstigen relevanten Projektaspekten im "realen Raum" (z.B. in einem eigens dafür vorgesehenen Projektraum) sollte in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung wieder forciert werden.
- Fördern Sie die Leistungsorientierung im Projekt – und honorieren Sie Leistungen: Systemisches Projektmanagement ist nicht nur menschlich, sondern auch leistungs- und ergebnisorientiert. Idealerweise schaffen Sie es, Ihr Team so zu fördern und zu fordern, dass möglichst viel "Teampotenzial" für die Problemlösung eingesetzt werden kann. Am Ende zählt die Teamleistung, und trotzdem sollten Sie auch die Leistung eines jeden Mitglieds würdigen und anerkennen.
- Bleiben Sie gelassen – aber lassen Sie Emotionen zu: Versuchen Sie, Emotionen zuzulassen und trotzdem (gerade in spannenden Projektsituationen) gelassen zu bleiben. Wenn Sie in Ihrem Projekt mehr richtig als falsch gemacht haben, können Sie darauf vertrauen, dass im TEAM auch kritische Situationen gelöst werden können. Ganz im Sinne eines Projekt-Kapitäns, der mit seemännischer Gelassenheit führt (Buchtipp: Der Projekt-Kapitän: Mit seemännischer Gelassenheit Projekte zum Erfolg führen).
Fazit
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Ist das nicht alter Wein in neuen Schläuchen? Darauf würde ich antworten: "Ja und nein." Denn die Erkenntnisse über gelingendes Zusammenleben und Zusammenarbeiten in sozialen Systemen sind tatsächlich nicht neu. Die systemischen Prinzipien sind eigentlich uralt.
Allerdings haben wir in vielen Bereichen unseres Lebens, so auch im Projektmanagement, weniger ein Erkenntnis- als vielmehr ein Umsetzungsproblem. Die Welt ist so schnell, komplex und unübersichtlich geworden, dass wir in all dem Trubel das Wesentliche häufig übersehen oder nicht den Mut haben, aus dem viel zitierten "Hamsterrad" auszusteigen.
Denn eines ist klar: Projekte nach systemischen Prinzipien, Modellen und Erkenntnissen zu führen, erfordert wohl in den meisten Organisationen eine gewisse Portion Mut, Durchhaltevermögen und vor allem auch persönliche Reife und Kompetenz. Aber die gute Nachricht ist: erfolgreiches Projektmanagement ist möglich – auch in einem schwierigen Umfeld.
Eine zentrale Grundvoraussetzung muss aber gegeben sein, nämlich die Offenheit, Dinge wirklich neu zu denken und anzugehen. Denn wie hat damals schon Einstein so treffend festgestellt:
"Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten."
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Georg Angermeier
07.03.2014