Beitrag zur Blogparade "Brauchen wir noch Grenzen im Projektmanagement?" (Sinnvolle) Grenzen: Das Erfolgsgeheimnis agiler Ansätze!
In seinem Beitrag zu unserer Blogparade zur Frage, ob wir noch Grenzen im Projektmanagement brauchen, betont Prof. Ayelt Komus, dass Grenzen Projektteams leiten, sie schützen und beim Entfalten unterstützen.
Beitrag zur Blogparade "Brauchen wir noch Grenzen im Projektmanagement?" (Sinnvolle) Grenzen: Das Erfolgsgeheimnis agiler Ansätze!
In seinem Beitrag zu unserer Blogparade zur Frage, ob wir noch Grenzen im Projektmanagement brauchen, betont Prof. Ayelt Komus, dass Grenzen Projektteams leiten, sie schützen und beim Entfalten unterstützen.
Agil ist erfolgreich und hat die Praxis des Projektmanagements vor allem in hybrider Form grundlegend verändert. Das zeigt z.B. unsere 4. Studie "Status Quo (Scaled) Agile", deren Ergebnisse in einigen Tagen zur Verfügung stehen werden. An vielen Stellen werden die Wirkprinzipien agiler Ansätze wie Scrum aber missverstanden. Agiles Arbeiten wird fälschlicher Weise als arbeiten ohne Grenzen und Begrenzungen interpretiert. Das Gegenteil ist der Fall.
Scrum Flow mit Grenzen
In meinen Scrum Trainings male ich zunächst einmal ein großes Rechteck als Sprint-Grenze – mit dem dicksten Flipchart-Marker, den ich finde. Die so dargestellte Sprint-Grenze ist eine undurchlässige Grenze von außen nach innen; aber auch von innen nach außen.
Von innen nach außen heißt hier: Ist das Sprint-Ziel einmal definiert, so wird es nicht durch "tolle neue Ideen" von Führungskräften o.ä. verändert bzw. ergänzt. Ist der Sprint einmal gestartet, so gelten die Grenzen (Sprint Backlog, Sprint-Ziel) bis zum Abschluss der Time Box dieses Sprints oder er wird abgebrochen (was nur sehr selten vorkommt).
Dies ist ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor von Scrum. Das Team kann konzentriert arbeiten. Toxisches Multitasking wird reduziert. (Wie schlecht viele Unternehmen bzgl. Multitasking leider aufgestellt sind, hat unsere Studie zu dem Thema gezeigt.)
Grenzen geben Ziele vor
Aber die Grenzen schützen nicht nur das Team gegen Störungen von außen. Die Grenzen geben auch klare Ziele vor. Die Ziele im Sprint Backlog und ggf. ein Sprint-Ziel begrenzen den Handlungsspielraum des Teams sehr deutlich und mit Hilfe von User Stories auch sehr klar!
Das früher irrtümlicher Weise z.T. vorherrschende Bild, ein Scrum Team macht mehr oder minder das, was es mag – es könnte falscher nicht sein!
Aber auch diese "Grenze" schützt das Team. Ein klares Ziel gibt der Arbeit Sinn und Richtung. Mit dem Sprint-Review erleben die Team-Mitglieder, wie Ihr Produkt ankommt, welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt und welchen Nutzen sie geschaffen haben.
(Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich heißt die Sprint-Grenze nicht, dass das Team nicht nach außen, mit Anwendern, Auftraggebern etc. kommuniziert und Dinge gemeinsam weiterentwickelt. Dies soll meist sogar so sein. Aber die zu entwickelnden Produkte werden zu Beginn festgelegt, die Aufgabenstellungen des Sprints werden begrenzt.)
Nicht die Grenzenlosigkeit, sondern die Grenzen machen agile Methoden wie Scrum erfolgreich!
Das gelebte Scrum-Konzept sieht übrigens noch weitere "Grenzen" vor. Gelebte (!) Definition of Done, Acceptance Criteria und regelmäßige Retrospektiven führen zu gelebten Grenzen. Diese gehen oft weiter als nicht gelebte Vorgaben und unrealistische Zielvorgaben, die leider in manchen klassisch-plangetriebenen Kontexten die Praxis sind.
In vielerlei Hinsicht ist es also nicht die Grenzenlosigkeit, sondern die Grenzen, die agile Methoden wie Scrum erfolgreich machen.
Grenzen spielen also eine sehr große Rolle in agilen Ansätzen. Dies gilt nicht nur für Scrum, sondern auch für Kanban, XP, Design Thinking u.a. und andere Ansätze – sei es in Form von vereinbarten Prozessen, Time Boxes, Rollen, Ziele, Zweck, u.v.a.
Diese Grenzen sind aber:
- einfach verständlich und eindeutig,
- klar und mit nachvollziehbarem Sinn,
- verbindlich (!) und werden gelebt,
- regeln nur das Notwendige - kein Micromanagement, keine unnötigen Vorgaben zum "How", aber Vorgaben zum "What" und gemeinsames Verständnis für das "Why"
- und werden oft gemeinsam weiterentwickelt.
Damit unterscheiden sich agile Methoden von der verbreiteten Praxis im klassischen Projektmanagement-Kontext. Dort sind es eher Vorgaben, keine Grenzen, die das Management prägen. Derartige Vorgaben definieren, wie zu arbeiten ist. Vorgaben regeln das "How" der Leistungserstellung. Im Gegensatz zum Agilen, in dem das "What" und das "Why" erarbeitet und als Grenzen gezogen werden, während das Team das "How" selbst bestimmt.
Grenzen schenken Freiraum, um sich zu Entfalten
Derartiges "Mikromanagement" frustriert und reduziert die Motivation, die Qualität der Ergebnisse und die Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung. (Wie etwa beschrieben mit Dan Pinks "Drive-Ansatz" mit den Schlüsselfaktoren "Autonomy", "Master" und "Purpose"). Hingegen geben sinnvolle Grenzen Freiraum, um sich im Sinne dieser Schlüsselfaktoren als Team und als Individuum zu entfalten.
In der agilen Praxis ist es die Schaffung klarer Grenzen, verbunden mit der Vermittlung eines übergeordneten Sinns, die Teams erfolgreich machen. In der praktischen Zusammenarbeit mit Unternehmen erlebe ich immer wieder, dass gerade dieser Aufgabenbereich klassisch geprägte Organisationen und Führungskräfte vor die größten Herausforderungen stellt.
Es sind nicht weniger oder fehlende Grenzen, die modernes Arbeiten erfolgreich machen. Es sind klare Grenzen, die verstanden und laufend weiterentwickelt werden und zugleich dem Team dort Freiraum lassen, wo es sinnvoll ist, die moderne Organisationsformen erfolgreich machen!
ein klärender Perspektivwechsel
14.02.2020
Danke Ayelt Komus,
in der Diskussion um Agiles Arbeiten hört man immer wieder, dass Agil ja die Auflösung von (Organisations)grenzen, Struktur usw. bedeutet und jeder tut, wou er Lust hat. Erfahrene Agilisten wissen zwar, dass dies Unfug ist aber die Gegenargumentation ist nicht immer einfach. Der Ansatz, über die Grenzen zu sprechen erscheint mir erfolgversprechend. Mal ausprobieren! ;-)