Dreiecke mit Schlagseite
"Statiker sind Feiglinge!" Mit dieser Erkenntnis wurde ich bereits im Studium konfrontiert. Genauer gesagt im zugehörigen Praktikum auf dem Bau, als ein Stahlbau-Geselle vorschlug, nur drei Verbundanker statt der geplanten vier zu montieren. Später würden die so befestigten Stirnplatten ohnehin nicht mehr zu sehen sein und genügend Sicherheit sei ja immer noch drin. Mit drei statt vier würde man noch wie geplant zum Ende der Woche fertig werden.
Dreiecke mit Schlagseite
"Statiker sind Feiglinge!" Mit dieser Erkenntnis wurde ich bereits im Studium konfrontiert. Genauer gesagt im zugehörigen Praktikum auf dem Bau, als ein Stahlbau-Geselle vorschlug, nur drei Verbundanker statt der geplanten vier zu montieren. Später würden die so befestigten Stirnplatten ohnehin nicht mehr zu sehen sein und genügend Sicherheit sei ja immer noch drin. Mit drei statt vier würde man noch wie geplant zum Ende der Woche fertig werden.
Später würden die so befestigten Stirnplatten ohnehin nicht mehr zu sehen sein und genügend Sicherheit sei ja immer noch drin. Mit drei statt vier würde man noch wie geplant zum Ende der Woche fertig werden.
An dieser Stelle kann die Erörterung der statistischen Verteilung von Materialeigenschaften und Belastungen in der Baustatik oder des Teilsicherheitskonzepts europäischer Baunormen ausgespart werden. Aus Projektmanagement-Sicht ist vielmehr das berüchtigte magische Dreieck interessanter. Einmal festgezurrt, kann nicht einfach nur eine der drei Größen Leistung, Termine und Kosten verändert werden, ohne dass nicht auch eine andere Größe beeinflusst würde. Allerdings hat dieses Dreieck häufig Schlagseite.
Je nach Projektumgebung wird oft eine der Größen bevorzugt geopfert. Bei den Stahlträgern dann eben die Leistung, bevor der Termin leidet (die Bauleitung, nebenbei, sah das anders). Auch wer ein Produkt rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft platzieren möchte, wird im Zweifel eher mehr Kosten in Kauf nehmen oder – falls möglich – einige Funktionen in die zweite Generation verschieben. Wer einen Flughafen baut, der ab dem Start in allen wesentlichen Punkten schlicht funktionieren muss, nimmt notgedrungen eher höhere Kosten und spätere Termine in Kauf.
Die erste Regel des Dreiecks: Man redet nicht über das Dreieck!
Schwierig wird es meist, wenn die Entscheidung unbewusst erfolgt. Nicht selten wird der Zusammenhang nicht einmal thematisiert, alle drei Ecken des Dreiecks gelten als fest und es darf nicht daran gerüttelt werden. Wenn sich dann Änderungen ergeben, etwa höhere Kosten, muss gegengesteuert werden, ohne dass sich ansonsten etwas ändert. Ein Ding der Unmöglichkeit – da ist es naheliegend, die Änderung dort zu verstecken, wo sie weniger ins Auge fällt.
Das typischste Artefakt des Projektmanagements ist der Balkenplan. Häufig in einer Software erfasst sowie mit Meilensteinen versehen, die seit langem in keinem Statusbericht fehlen und deren Termine sich eingebrannt haben. Dann ist es naheliegend, die Termine als maßgebend zu nehmen, wenn das Dreieck nicht thematisiert werden darf. So entfallen Leistungen eben klammheimlich – oder werden soweit möglich in geringerer Qualität gefertigt, beispielsweise durch reduzierte Software-Tests.
In einem PM-Softwareauswahl-Projekt stießen wir z.B. im Zuge der Anforderungserhebung auf zwei weitere interessante Projekte: Eines befasste sich mit neuen Controlling-Prozessen in dem stark projektorientierten Unternehmen, ein anderes betraf ein neues PM-Konzept im englischen Mutterkonzern. Plötzlich waren neue Fragen zu klären, denn die zur Erreichung des Projektziels erforderliche Leistung hatte sich geändert. Mit dem Blick auf die bei der Geschäftsführung wohlbekannten Termine – schon die Projektfreigabe war verzögert erfolgt, was den Terminplan nicht geändert hatte – drängte die Projektleitung zunächst darauf, diese Themen auszuklammern.
Änderungen als fester Bestandteil des Projekts
Manche Methoden der Projektplanung geben Änderungen ausdrücklich mehr Raum. Scrum gibt zwar ebenfalls feste Zeiträume vor, thematisiert aber unter anderem über das Backlog deutlich, dass die Leistung dann auch anpassbar sein muss. PRINCE2 fordert ausdrücklich dazu auf, beim Übergang zwischen Phasen die Planung zu aktualisieren und die Rechtfertigung des Projekts erneut zu prüfen – was auch Änderungen am Inhalt bedeuten kann. In Projekten, die nach diesen Methoden arbeiten, nehme ich regelmäßig eine andere Einstellung zu Änderungen wahr: Man rechnet mit ihnen und ist vorbereitet, sie angemessen in die Projektplanung zu integrieren. Sie sind keine Störung im Projektablauf, sondern elementarer Bestandteil.
Natürlich ist auch mit klassischen Balkenplänen eine revolvierende Planung möglich – das Konzept ist nicht neu. Irgendwie verführen die gängigen Terminpläne und auch die Tools aber offenbar dazu, "präzise zu planen". Projektplaner sollten sich fragen, ob ihr Projekt klar durchzuplanen ist oder in gewissem Umfang zu den "ill-structured Problems" zählt, die Herbert A. Simon beschrieben hat und die sich zu Projektbeginn noch gar nicht klar fassen lassen. Wer auf Software setzt, könnte sich eine Abfrage konfigurieren. Etwa "Sind Sie sicher?", falls man schon heute einen einwöchigen Vorgang für 2016 einplant. Und eine Balkenplandarstellung entwerfen, bei der die noch weit in der Zukunft liegenden Vorgänge im Nebel verschwinden.
Markus Klein
21.06.2014
mm.meyer
21.06.2014
Vielen Dank für Ihr Feedback! Ich stimme Ihnen zu, dass man das "Magische Dreieck" noch deutlich differenzieren müsste, wenn man danach ein Projekt steuern wollte. Als überholt würde ich dieses Modell allerdings deswegen nicht bezeichnen wollen.
Entscheidend ist für mich bei einem Modell immer, welches Ziel man damit verfolgt. Auch ein Hexagon deckt ja bei weitem noch nicht alle relevanten Faktoren ab (Stakeholder-Zufriedenheit nur als ein Beispiel, Wissensaufbau, ...). In diesem Fall ging es mir darum, die oft unbewusste Fokussierung auf eine oder wenige Dimensionen zu thematisieren und den Glauben, veränderliche Projekte exakt bis zum Ende durchplanen zu können. Deswegen das Dreieck. Da erschien mir die Schlagseite deutlicher.
Ihr Zitat aus dem PMBoK beschreibt, wie ich finde, sehr anschaulich die Abhängigkeiten - je mehr Dimensionen also berücksichtigt werden (vom Dreieck über das Hexagon bis zu den einzelnen Elementen der ICB), desto schwieriger wird es vermutlich, die Planung vorausschauend zu machen. Auch im Hexagon dürfte der Fokus selbst bei schlecht definierbaren Organisationsprojekten allzu oft auf den Terminen liegen. Daher danke für den Hinweis, tatsächlich macht das Hexagon deutlich, dass es noch viel mehr Dimensionen gibt, die man nicht unbewusst in die zweite Reihe stellen sollte.
Volker Pauling, pmtraining.de
25.06.2014
Markus Klein
25.06.2014
Volker Pauling, pmtraining.de
26.06.2014
Dr. Carsten Kettner
02.07.2014
Markus Klein
02.07.2014
Jörg Glunde
22.04.2017