
Top oder Flop? Eine Bewertung historischer Großprojekte aus heutiger Sicht
Top oder Flop? Eine Bewertung historischer Großprojekte aus heutiger Sicht
Erfolgreiche Generäle haben eingehend die Strategien und Verläufe historischer Schlachten studiert. Auch als Projektleiter oder Planungsverantwortlicher kann man viel von den "Großen aus der Geschichte" lernen. Mega-Projekte, wie die Entwicklung des Überschallflugzeugs Concorde oder der Bau des Panama-Kanals, stießen immer wieder nicht nur an ökonomische Grenzen, sondern auch an technische und politische. Im vorliegenden Artikel werden prominente Projekte der vergangenen zwei Jahrhunderte diskutiert und charakteristische Gemeinsamkeiten sowie Einflussfaktoren herausgestellt. Außerdem soll der Leser angehalten werden, Mega-Projekte nicht aus Ad-hoc-Meldungen der Sensationspresse zu bewerten, sondern sie aus historischer Sicht zu reflektieren. Die historische Perspektive eröffnet einen neuen Blickwinkel auf Mega-Projekte und erlaubt eine Neubewertung von Kosten- und Nutzenfragen.
Die Concorde: technisches Wunder oder finanzieller Reinfall?
Als im Oktober 2003 die Concorde aus dem Verkehr gezogen wurde, sendete das britische Fernsehen diverse Beiträge über die Projekthistorie. Hierbei offenbarte sich eine sehr ambivalente Haltung gegenüber dem Projekt: Einerseits wurde die Concorde als technisches Wunder gepriesen, andererseits verurteilte man die katastrophale Fehlplanung. Die Kritik war durchaus begründet: Die Entwicklung des Flugzeugs bis zu seiner Inbetriebnahme dauerte fast doppelt so lange wie vorgesehen und verschlang mehr als das Zehnfache des geplanten Budgets, die angestrebte Produktionszahl wurde hingegen bei Weitem nicht erreicht.
Planungsfehler wie bei der Concorde sind kein Einzelfall: Die meisten Großprojekte stehen im Spannungsverhältnis zwischen modernster Technologie und dem Risiko, dass durch Unzulänglichkeiten dieser Technologie das Projekt gefährdet wird. Die Folge ist, dass die Kosten des Projekts ansteigen. Oft wird dann das gesamte Projekt aus wirtschaftlicher und politischer Sicht in Frage gestellt. Die Concorde beispielsweise stand zweimal, 1964 und 1974, kurz vor dem Aus.
Noch etwas haben alle Großprojekte gemeinsam: Ihre Wirtschaftlichkeit lässt sich nur schwer ermitteln. Der langfristige Nutzen sich anbahnender Technologierevolutionen ist kaum vorhersehbar. Entweder werden Marktchancen verkannt oder - in Boomphasen - euphorisch überbewertet. Die langfristige Wirtschaftlichkeit von Großprojekten kann während der Planungsphase deshalb nur äußerst schwer bestimmt werden, die kurzfristige Wirtschaftlichkeit entzieht sich jeglicher Beurteilung. Eine Bewertung bedeutender Großprojekte ist deshalb häufig nur aus historischer Perspektive möglich, wenn sich langfristige Auswirkungen manifestiert haben. Ob die Concorde - außer als Katalysator zum europäischen Luftfahrtkonsortium Airbus - einen langfristigen Nutzen hat, wird man erst im Verlauf des 21. Jahrhunderts beurteilen können.
Historische Großprojekte im Überblick
Die Kontroverse um die Concorde habe ich zum Anlass genommen, um die Charakteristika von Mega-Projekten der vergangenen 200 Jahre zu analysieren. Dabei habe ich typische Risiken und Kostenfallen kategorisiert sowie Plan- und Ist-Vergleiche angestellt. Die Auswahl der Projekte erfolgte nach folgenden Kriterien:
- Bekanntheitsgrad des Projekts.
- Kostendimension (nach heutigen Preisen umgerechnet in Milliarden Euro).
- Ausmaß und Grad der Herausforderung (Kombination aus frühreifer Technologie, vager finanzieller Rückendeckung und politischer Unsicherheit).
- Verfügbarkeit relevanter Informationen und Daten.
Projekte, bei denen die Rentabilität kein Bestandteil des Projektziels war, habe ich in der Aufstellung nicht berücksichtigt, hierzu gehören z.B. Projekte der Grundlagenforschung oder gemeinnützige, aus öffentlicher Hand finanzierte Projekte.
Gründe für Termin- und Budgetüberschreitungen
Auf Grundlage der genannten Auswahlkriterien ist eine Projektliste entstanden, in der Plan- und Ist-Daten gegenübergestellt werden (Tabelle 1). Aufgelistet sind Zahlen zu Kosten und Fertigstellungsterminen sowie der Überziehungsfaktor der Kosten. Die Gründe für Projektverzug und Budgetfehleinschätzung (rechte Spalten der Tabelle) sind wie folgt kategorisiert:
- Technischer Aufwand oder Kosten wurden in Teilaspekten unterschätzt.
- Andere Aufwände oder Kosten, verursacht insbesondere durch unvorhergesehene Aufgaben, Nacharbeiten oder unverhältnismäßig hohe Abgaben an Dritte.
- Inflation.
- Katastrophen, die bei sorgfältigerer Planung hätten verhindert werden können.
Diese Kategorisierung ermöglicht einen groben Überblick darüber, ob die Projektdurchführung im Wesentlichen durch eine Summe mittlerer Änderungen verzögert wurde (a), oder ob das Projekt durch größere Rückschläge einen dramatischeren Verlauf nahm (b). Die Katastrophen unter (d) kennzeichnen tragische Zwischenfälle, durch die die Projekte zeitweise gänzlich in Frage gestellt wurden. Ein Abschnitt wird sich gesondert mit den Katastrophen befassen.

Tabelle 1: Plan- und Ist-Daten bedeutender Großprojekte.
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