Verschiedenheit als Bereicherung wahrnehmen Hochbegabte und Normalos – im Team unschlagbar?!

Hochbegabte und Normalos – im Team unschlagbar?!

Wer viel leistet, erfährt in unserer Gesellschaft zumeist Wertschätzung. Hochbegabte Projektingenieure leisten auch viel, werden aber häufig von Kollegen und Vorgesetzten verkannt, so Heinz-Detlef Scheer. Er erklärt, was unter Hochbegabung verstanden wird, und wirbt für Verständnis für das Anderssein von Hochbegabten. Auch liefert er Lösungsansätze, was Hochbegabte selbst, deren Vorgesetzte und Kollegen tun können, damit sie entspannt und erfolgreich zusammenarbeiten.

Management Summary

Verschiedenheit als Bereicherung wahrnehmen Hochbegabte und Normalos – im Team unschlagbar?!

Hochbegabte und Normalos – im Team unschlagbar?!

Wer viel leistet, erfährt in unserer Gesellschaft zumeist Wertschätzung. Hochbegabte Projektingenieure leisten auch viel, werden aber häufig von Kollegen und Vorgesetzten verkannt, so Heinz-Detlef Scheer. Er erklärt, was unter Hochbegabung verstanden wird, und wirbt für Verständnis für das Anderssein von Hochbegabten. Auch liefert er Lösungsansätze, was Hochbegabte selbst, deren Vorgesetzte und Kollegen tun können, damit sie entspannt und erfolgreich zusammenarbeiten.

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Wir leben in einer ausgesprochen stark entwickelten Leistungsgesellschaft. Menschen, die viel leisten, sind bei uns anerkannt und werden geschätzt, gelobt und in Unternehmen und Behörden "befördert". Eine gewisse Intelligenz gehört zu den Grundvoraussetzungen, um in bestimmten Berufen durch Aus- und Weiterbildung, im Rahmen einer akademischen Laufbahn oder in großen Unternehmen, z.B. in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, "aufzusteigen".

Nicht wenige Projektingenieure erleben allerdings, dass sie trotz bester "Grundausstattung" in Form eines hohen IQs, einer inhaltlichen passenden und mit summa cum laude bewerteten Doktorarbeit in einem Job in der Industrie grandios scheitern.

Häufiges Scheitern trotz Hochbegabung

Dieser Artikel erläutert eingangs, was unter Hochbegabung verstanden wird, und zeigt dann an verschiedenen Beispielen das Dilemma von Unterforderung und Verkennung hochbegabter Ingenieure, die häufig in unterschiedlichsten Fachrichtungen in Projekten mitarbeiten oder Projekte leiten. Auch schildert er die verhängnisvollen Verhaltensmechanismen, die immer wieder zu Missverständnissen in der Zusammenarbeit zwischen Hochbegabten und ihren Kollegen führen – und in Extremfällen im Mobbing münden.

Und er wirbt für Verständnis für das Anderssein von Hochbegabten und liefert Lösungsansätze, was Hochbegabte selbst, deren Vorgesetzte und Kollegen tun können, um künftig entspannter und erfolgreicher zusammenzuarbeiten.

Was versteht man unter "Hochbegabung"?

Wenn wir uns damit beschäftigen, was Hochbegabung ist, müssen wir uns zunächst damit befassen, was unter "Intelligenz" verstanden wird. Es gibt mittlerweile einen weltweiten Konsens, dass wir von Intelligenz sprechen, wenn wir einen allen intelligenten Leistungen zugrundeliegenden sog. "Generalfaktor der Intelligenz", auch "g-Faktor" genannt, meinen. Dieser steht für "generelle" oder "allgemeine" Intelligenz, die mit wissenschaftlich entwickelten Verfahren erfasst wird, innerhalb derer verbale, numerische und figurale Fähigkeiten gemessen werden können. Diese sog. "Intelligenz-Tests" ("IQ-Tests") messen nicht das Leistungsniveau des Probanden, sondern sein Potenzial für den jeweiligen Aufgabenbereich. Fähigkeiten wie Durchhaltevermögen, soziale Kompetenz oder Lernfähigkeit, oder auch Fertigkeiten, also erlerntes Verhalten, werden dadurch nicht erfasst (Rost, 2009).

Seriöse IQ-Tests sind so konstruiert, geeicht und skaliert, dass sie einen Mittelwert von 100 aufweisen. Innerhalb eines IQ-Bereichs von 85-115 befinden sich ca. 68% der Bevölkerung, gemessen an ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit, zwischen 70 und 130 liegen etwa 96%. Ein Mensch wird als "hochbegabt" bezeichnet, wenn er in einem IQ-Test, der den g-Faktor misst, eine Leistung erbringt, die einem IQ ≥ 130 entspricht. Die Wenigsten wissen allerdings um ihre Hochbegabung!

Das Dilemma von Hochbegabten

Das bedeutet für die Bundesrepublik Deutschland mindestens 1,6 Millionen hochbegabte Bürger. Davon dürften ein paar Hunderttausend in Projekten arbeiten. Was für eine Ressource! Hochbegabte denken schneller und mehr auf einmal als andere. Leider reicht das häufig schon aus, um zahlreiche Probleme, auch im betrieblichen Alltag, zu generieren. Hier einige Beispiele:

  • Die Arbeitskollegen können dem Hochbegabten in seinen Gedankengängen häufig nicht folgen.
  • Dieser wiederum denkt, dass seine Kollegen ihm nicht zuhören (wollen).
  • Ein Hochbegabter "sieht" oft Probleme, die keiner sonst mitbekommt, und wirkt deshalb übertrieben perfektionistisch oder wird von seinen Kollegen als "Wadlbeißer" wahrgenommen.

Abwertung, die zum Rückzug führt

Die Folge: Diese Kollegen werten häufig den Hochbegabten und sein Verhalten ab. Das geschieht manchmal offen ("Du kriechst ja dem Chef geradezu hinten rein!") oder hinten herum ("Wer hat denn diesen arroganten Schnösel eingeschleust?! – Du weißt schon, wen ich meine?!"). Auf jeden Fall bleibt diese Etikettierung nicht unbemerkt und führt zu einer manchmal sehr Energie zehrenden Ausgrenzung des Hochbegabten.

Der Hochbegabte fühlt sich zurückgewiesen und einsam und verfällt häufig nach wiederholten vergeblichen Versuchen, Zugehörigkeit herzustellen, in Depressionen. Auch kann es sein, dass er Fluchttendenzen zeigt, z.B. innerlich kündigt, oder, gruppendynamisch gesehen, "Gegensabotage" betreibt durch eine Haltung nach dem Motto: "Zu Euch will ja auch keiner wirklich gehören!"

"Nur wer sich beim Arbeiten anstrengt, ist ein guter Mensch."

Möglicherweise spielt bei der Abwertung der Arbeitsleistung der Hochbegabten die in Mitteleuropa mehr oder weniger kollektiv verinnerlichte calvinistische Arbeitsethik eine tragende Rolle, nach der nur der hart arbeitende Mensch ein gottgefälliges Leben führt und dafür nach dem Tode belohnt wird. Aus dieser Haltung ist der verbreitete Glaubenssatz abgeleitet, dass nur ein Mensch, der viel leistet und sich dabei auch mächtig und sichtbar anstrengt, ein guter Mensch ist.

Alle Kommentare (4)

Jens Ulrich
Hanisch

Guter Artikel. Ich würde jedoch nicht pauschal unterschreiben, dass Projektmanagement optimal für Hochbegabte ist. In der Regel gilt Intelligenz ja sogar als starker, prädiktiver Faktor für beruflichen Erfolg! Wenn es zu Problemen kommt, kann das ursächlich also auch an anderen Faktoren liegen. Ein naheliegender Faktor, der auch in den zitierten Beispielen in Frage kommt, wäre die Teamrolle. Bekanntlich (vgl. Myers-Briggs oder Belbin) spielt der Persönlichkeitstyp eine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit. Ein unstrukturierter Kreativer wird beispielsweise als Projektmanager scheitern - egal ob hochbegabt oder nicht - wenn er keine geeigneten Teammitglieder hat, die das Projekt auf Spur halten. Ich würde daher jedem - hochbegabt oder nicht - anraten, mal das eigene Profil abzuchecken. Das geht relativ unkompliziert und bringt zwei Vorteile mit sich: Erstens kann man gezielter mit seinen Stärken spielen, und zweitens kann besser darauf achten, ausgeglichene Teams zu bekommen.

 

Heinz-Detlef
Scheer

Zum Kommentar Nr. 1 von J. Hanisch: Sie haben natürlich Recht: Alles, sage ich sogar, was Hochbegabten passiert, passiert auch normalen Menschen! Nur bei den Hochbegabten hat es oft viel intensivere und nachhaltigere Folgen Und letztlich ist jeder gut beraten, sich selbst sehr bewusst zu werden und beispielsweise die eigenen Denk- und Verhaltensstile und deren Gründe zu kennen um sie entsprechend berücksichtigen zu können oder auch zu verändern. Vielleicht sind auch Persönlichkeitstypologien dabei hilfreich, wobei mich dabei immer gestört hat, dass es sich hier in der Rezeption derjenigen, die solche Tests machen oft um ziemlich unveränderliche Schubladensysteme handelt. Der Mensch entwickelt sich aber und unterliegt - wenn auch langsamen - dauernden Veränderungen in seinem Denken, Fühlen und Verhalten (Gott sei Dank!). Menschen sind einem laufenden Anpassungsprozess unterworfen. Gut ist es allemal, sich selbst ziemlich genau zu kennen, seine Reaktionen, seine eigenen "offenen Wunden" UND seine Vorlieben, seine eigene Begeisterungsfähigkeit zu kennen. Wer gut mit sich selbst umgehen kann, kann das auch mit anderen Menschen. Und das kann man lernen! Ich meine Hochbegabte, die dazu neigen, sich schnell zu langweilen, sich permanent unterfordert fühlen und die gerne mehrere Dinge gleichzeitig tun, sind im Projektmanagement gut aufgehoben. Dort, wo sich der eine oder andere gerne und schnell überfordert sieht. Das sagt mir jedenfalls meine Coaching-Erfahrung mit Hochbegabten. Generell gilt es offener die eigenen Stärken und Schwächen, wenn Sie so wollen auszutauschen, dann sind Teamrollen - wie Sie sagen - oder anderen Funktionen oder Aufgabenarten nicht mehr so sehr Wertungen unterworfen, die es manchmal schwer machen, diese zu übernehmen oder jemandem zuzugestehen (oder auch abzulehnen) Vielen Dank für Ihren Beitrag! Detlef Scheer

 

Thilo
Niewöhner
Dipl.-Ing. (BA)

Diesen hochinteressanten Artikel habe ich jetzt erst entdeckt. Der Erkenntnisgewinn für mich war dafür umso größer. Vielen Dank für die Erleuchtung! Nach der Erkenntnis bleibt die Frage: "Und nun?" Wie geht man vor, um z.B. ein Coaching oder so etwas wahrzunehmen?

 

Heinz-Detlef
Scheer

Lieber Herr Niewöhner! Danke für das Feedback! Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig verstehe. Und ich möchte natürlich an dieser Stelle keine Eigenwerbung machen. Aber das Vorgehen wäre das Folgende: Sie suchen sich einen Coach Ihres Vertrauens, von dem Sie annehmen, dass er erstens eine fundierte Ausbildung hat und zweites etwas von dieser Problematik versteht. Und dann besprechen sie mit ihm, was am Besten (welche "Maßnahmen") zu Ihrer Situation passt. Und dann starten Sie! Und dabei könnte es sein, dass Sie auf mich stoßen, muss aber nicht. Ganz herzlichen Gruß, Detlef Scheer