Critical-Chain-Projektmanagement in Japan Bei Katastrophen: Schnellere Reaktion, schnellere Reparatur

Ein Hochwasser verursachte 2013 in der sächsischen Stadt Grimma schwerwiegende Schäden. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nach der Flut 2002 ein Dammbauprojekt in mehr als zehn Jahren nicht fertig gestellt werden konnte. Rudolf G. Burkhard beschreibt in seinem Artikel, wie die Japaner nach einer ähnlichen Katastrophe schneller und effektiver reagierten – indem Sie beim Projektmanagement die Critical-Chain-Methode anwendeten.

 

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Critical-Chain-Projektmanagement in Japan Bei Katastrophen: Schnellere Reaktion, schnellere Reparatur

Ein Hochwasser verursachte 2013 in der sächsischen Stadt Grimma schwerwiegende Schäden. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nach der Flut 2002 ein Dammbauprojekt in mehr als zehn Jahren nicht fertig gestellt werden konnte. Rudolf G. Burkhard beschreibt in seinem Artikel, wie die Japaner nach einer ähnlichen Katastrophe schneller und effektiver reagierten – indem Sie beim Projektmanagement die Critical-Chain-Methode anwendeten.

 

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Der Frühling des Jahres 2013 brachte in Teilen Deutschlands die stärksten Regenfälle seit Beginn der Messungen. Überschwemmungen weiter Gebiete waren die Folge. Viele Bürger konnten schwer nachvollziehen, dass die Schutzmaßnahmen, die nach der "Jahrhundertflut" im Jahre 2002 in Angriff genommen worden waren, immer noch nicht vollständig umgesetzt worden waren. Ein unvollständiger bzw. nicht verbesserter Hochwasserschutz führte z.B. in der Stadt Grimma zu deutlich größeren Personen- und Infrastrukturschäden als dies der Fall gewesen wäre, wenn die geplanten Schutzmaßnahmen bereits realisiert worden wären.

Bild 1: Luftbilder von Grimma von 2013 (Quelle: www.leipzig-luftbilder.net).
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Die Japaner dagegen schaffen es deutlich besser, bei Katastrophen schnell und effektiv zu reagieren. Der Tsunami von 2011 ist dabei nur ein Beispiel. Aufgrund der starken vulkanischen und seismischen Aktivitäten auf dem Archipel (und extremer Wetterbedingungen) leidet Japan regelmäßig unter größeren Naturkatastrophen. Auf den japanischen Inseln muss permanent mit Erdrutschen, Erdbeben und Tsunamis gerechnet werden. Entsprechend wird hier proportional auch weit mehr Geld für Vorsorge und Wiederaufbau aufgewendet als in jedem anderen Land oder jeder anderen Region der Welt. Für Japan ist eine effektive und schnelle Implementierung von Infrastrukturprojekten überlebenswichtig. Dazu kommt, dass das Land die finanziellen Kosten möglichst reduzieren muss. Der Zentralregierung sowie den Regionalregierungen fehlen daher oft die finanziellen Mittel, um Bauunternehmer und Auftragnehmer angemessen zu entlohnen.

Dieser Artikel geht darauf ein,

  • wie Deutschland mit der Bedrohung weiterer Naturkatastrophen umging und
  • stellt dem gegenüber, wie die Japaner mit ihrer Win-Win-Win-Strategie ihre Naturkatastrophen bewältigen.

Die "Wins" sind:

  1. Die japanischen Bürger erlebten eine schnelle Instandsetzung bzw. einen schnellen Schutz der Schlüssel-Infrastruktur.
  2. Das Ministerium konnte ohne Erhöhung der Mittel mehr Aufträge vergeben.
  3. Bauunternehmer und Auftragnehmer befinden sich nicht länger permanent am Rande des Bankrotts.

So wurden mehr Projekte fertiggestellt, und zwar zuverlässiger, schneller und ohne zusätzliche Ressourcen oder Ausgaben. Doch der Hauptvorteil lag für die Japaner in der Harmonie, die dadurch zwischen den drei Parteien – den Bürgern, dem Ministerium für Infrastruktur und den beauftragten Bauunternehmern und Auftraggebern – hergestellt wurde. Heute wird schnell, harmonisch und effizient ein Konsens für die richtigen Projekte und Entscheidungen erzielt und darüber, wie Projekte durchzuführen sind.

Die deutsche Variante

Durch die Überschwemmungen von 2002 erlitt die an der Mulde gelegene 30.000-Einwohner-Stadt Grimma erhebliche Flutschäden. Allein in Grimma belief sich die Gesamtsumme der Schäden an 700 Häusern und an der Infrastruktur, wie z.B. von der Flut weggespülte Brücken, auf 250 Millionen Euro. Nach der Katastrophe wurden Projekte für künftige Schutzmaßnahmen aufgesetzt. Die Mittel dazu sollten von der EU und dem Freistaat Sachsen zur Verfügung gestellt werden. Doch viele Einwohner lehnten die vorgeschlagenen Projekte strikt ab. Sie befürchteten eine Verunstaltung des historischen Stadtbilds sowie eine Auswirkung auf das Grundwasser. Aufgrund des daraus folgenden Konflikts wurden die Arbeiten erst im August 2007 begonnen. 2013 wurde die Fertigstellung auf 2017 terminiert – viel zu spät für die massiven Überschwemmungen im Jahre 2013 (und wer weiß, was immer noch passieren könnte). Der teilweise fertiggestellte Schutzwall hat die Schäden im Jahr 2013 aber möglicherweise zumindest etwas begrenzt.

Die erneut beträchtlichen Flutschäden an Häusern und Infrastruktur in Grimma sind auf zwei offensichtliche Probleme zurückzuführen:

  • Es gab keinen Mediator, der den verschiedenen Parteien nach der Flut von 2002 dabei half, gemeinsam eine Win-Win-Lösung zu finden.
  • Selbst wenn Projekte zu Schutzmaßnahmen gegen die Flut einmal beschlossen sind, dauert es viel zu lange, bis sie abgeschlossen sind.

Kein Mediator bei der Erarbeitung einer Win-Win-Lösung

Es dauerte fünf Jahre, für eine Konfliktlösung zwischen der entstandenen Bürgerbewegung einerseits, welche die oben erwähnten Bedenken hatte, und den Behörden sowie den übrigen Einwohnern andererseits, denen daran gelegen war, dass solch enorme Flutschäden sich niemals wiederholen sollten. Gebraucht wurde eine Win-Win-Strategie, die beide Seiten ohne Kompromisse zufriedenstellen würde.

Bild 2 zeigt ein Konfliktlösungsdiagramm (auch als "Konfliktwolke" bezeichnet). Es dient dazu, den Konflikt zwischen zwei Parteien sowie zwischen ihren jeweils gewünschten Handlungen deutlich herauszuarbeiten. Der rote Doppelpfeil veranschaulicht den Konflikt. Links von diesen Anforderungen befinden sich die beiden Bedürfnisse, die erfüllt werden sollen. Liest man sie durch, erkennt man, dass sie beide offensichtlich gerechtfertigt sind und auch gestillt werden sollten. Links von den beiden Bedürfnissen steht das Ziel, auf das beide Parteien sich problemlos einigen können: dem Gemeinwohl aller Grimmaer Bürger gerecht zu werden.

Alle Kommentare (2)

Siegfried
Männer
Dr.

Im Fall Japans mit einer "Win-Win-Sitution" zu argumentieren ist zynisch, schließlich ist die Reaktorkatastrophe als Folge des Tsunamis noch lange nicht vorbei, Japans Bevölkerung kämpft mit Ewigkeitsschäden (http://www.nzz.ch/international/die-zentrale-lehre-aus-fukushima-1.18700856) und leidet und einer industriehörigen Bürokratie. Man lese den Bericht des Ex Regierungschef Japans, Naoto Kann: Als Premierminister während der Fukushima-Krise. Iudicium-Verlag. München 2015. In der Ausnahmesituation Hochwasser/Tsunamie hat nichts mehr funktioniert, Japan hat einfach nur riesiges Glück gehabt. Ob es beim nächsten Mal so glimpflich klappt, steht in den Sternen. Die richtige Lehre ist nicht das verbesserte PM, sondern der Ausstieg aus der Atomenergie, die nicht zu beherrschen ist. Hier decken sich die Aussagen mit den Erfahrungen des Desasters in Chernobyl.

 

Rudolf
Burkhard

Es geht ja nicht um die Diskussion ob Atomenergie gut oder schlecht ist. Tatsachen wie der Tsunami der das Fukushima Desaster ausgelöst hat oder die Beispiele im Artikel sind eben Tatsachen.Nach den den Erreignissen sind diese Desaster (in Englisch) ein "Fact of Life". Ein Desaster wie Fukushima kann man nicht mehr ändern ... man kann aber schneller oder langsamer reparieren. Projectmanagement, egal welche Methode, kann auch nicht die Halbzeit der Radioaktivität verkürzen. Die Diskussion über Atomenergie sollte mann voher haben ... also bevor man ein Atomkraftwerk baut. Die Probleme die Japan hat mit unterschiedlichen Dasastern ist nicht anders als die Probleme der Notfallstation im Krankenhaus. Der Notfalldienst muss schnell und Effektiv arbeiten ... auch da existieren bessere und weniger gute Prozesse.