Ein Dinosaurier lernt Tanzen oder: Mein Weg zu Projektmanagement, Agile, Scrum & Co.

In wachsenden Unternehmen und Geschäftsbereichen ist es unerlässlich, bestehende Strukturen und Prozesse regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, zu messen, zu bewerten und ggf. zu verändern. Aber was, wenn man – so wie ich – nach 26 Jahren im Unternehmen Teil der "alten" Strukturen ist und nun mit strategischem Projektmanagement, Agile, Scrum & Co. konfrontiert wird? Hier (m)ein kleiner, augenzwinkernder Erfahrungsbericht.

Ein Dinosaurier lernt Tanzen oder: Mein Weg zu Projektmanagement, Agile, Scrum & Co.

In wachsenden Unternehmen und Geschäftsbereichen ist es unerlässlich, bestehende Strukturen und Prozesse regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, zu messen, zu bewerten und ggf. zu verändern. Aber was, wenn man – so wie ich – nach 26 Jahren im Unternehmen Teil der "alten" Strukturen ist und nun mit strategischem Projektmanagement, Agile, Scrum & Co. konfrontiert wird? Hier (m)ein kleiner, augenzwinkernder Erfahrungsbericht.

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In einem 2016 im Rahmen unser Digitalisierungsstrategie bei Bechtle gestarteten Projekt geht es u.a. darum, alle Bechtle-IT-Lösungen / -Services und Shop-Funktionen digital auf einer Plattform verfügbar zu machen, eine moderne, vernetzte und bedarfsorientierte Kommunikation mit unseren Kunden zu entwickeln und unser gesamtes Wissen und Leistungsportfolio an einem Ort und rund um die Uhr verfügbar zu machen.

Bild: Wenn er sich anstrengt, kann selbst ein Dinosaurier das Tanzen lernen.

Wie geht Projektmanagement in 2018?

Natürlich hatten wir auch früher Projekte gemacht (siehe Kasten), aber hier wurde von uns ein State of the Art-Projektmanagement erwartet, inklusive Agiler Methoden und Vorgehensmodele wie Scrum. Ich tastete mich an das Thema heran, indem ich die DIN 69901-1 "Grundlagen des Projektmanagements" las. Diese Lektüre brach ich aber recht schnell frustriert ab: "Das muss doch einfacher zu verstehen sein!"

Eine Online-Recherche lieferte mir jede Menge lehrreiche Informationen, aber einen Dinosaurier wie mich zu motivieren, ist gar nicht so einfach. Nachdem ich die erste Schockstarre überwunden hatte, versuchte ich mich an einer anderen Herangehensweise: "Learning by doing".

Wie machten wir Projekte früher?

  • Wir waren schnell, sogar schneller als heute, ehrlich – doch der Preis war hoch (dazu später mehr).
  • Wasserfall war die bevorzugte Methode…wenn wir uns dran hielten… (auch hierzu später mehr).
  • Kundenanforderungen wurden undokumentiert bewertet und zum Teil unstrukturiert in die Entwicklung gegeben
  • Die Priorität der Anforderung war abhängig vom "Rang" des Anfordernden oder von der Lautstärke, mit der die Anforderung vorgebracht wurde.
  • Die Umsetzungsgeschwindigkeit variierte stark und war nicht messbar.
  • Unstrukturierte Änderungen der Anforderung von der Business-Seite im laufenden Umsetzungsprozess brachten diesen regelmäßig zum Erliegen oder verzögerte ihn stark.
  • Wir wussten nicht, ob die Kunden das fertige Produkt überhaupt nutzten.
  • Budgetkontrolle war ein Fremdwort.

Dazu stellte ich mir zunächst die für mich wichtigste Frage: Wozu das Ganze? Die Herausforderungen für meinen Bereich E-Procurement Services bestanden in einem verschärften Konkurrenzdruck in der Branche, der Notwendigkeit der überbetrieblichen Kooperation innerhalb des Konzerns, hohen Qualitätsanforderungen sowie der Forderung nach Transparenz und Offenlegung der Planung von Seiten des Sponsors / Auftraggebers.

Dadurch erwuchsen mein Anspruch bzw. folgende Anforderung an neue, optimierte Prozesse:

  • Klare Kundenausrichtung im gesamten Denken und Handeln
  • Es hat höchste Priorität, den Kunden durch kontinuierliche Auslieferung wertvoller, bedarfsgerechter Funktionalitäten zufrieden zu stellen
  • Verkürzung der "Durchlaufzeit", von der Identifizierung der Kundenanforderung bis hin zur Auslieferung der Funktionalität
  • Höhere Effizienz in der Produktentwicklung
  • Höhere Flexibilität in der Produktentwicklung
  • Schnellere Reaktion auf sich ändernde Kundenanforderungen
  • Klare Ausrichtung nach dem nachhaltigen Wert der Entwicklung (intern / extern)
  • Höhere Transparenz des Projektstandes für Teams und Stakeholder
  • Höhere Motivation durch klar definierte, eigenverantwortliche Teams

Unterstützung durch die Organisation

Zur Erfüllung dieses Anspruches war professionelles Projektmanagement und eine Scrum-basierte, agile Herangehensweise unerlässlich. Perfekte Unterstützung erhielten wir durch unser internes Team "Strategisches Projektmanagement", das sich schwerpunktmäßig um Kundenprojekte kümmert. Dieses machte uns mit den notwendigen Methoden, Prozesse und Instrumenten vertraut.

Außerdem griffen wir erstmals auf unser Projekt Management Office (PMO) zurück, das uns seitdem den Rücken freihält. Es ist die zentrale Stelle im Unternehmen zur Steuerung des Projektmanagements und Pflege des Projektmanagementsystems. Dabei unterstützt es alle (Teil-)Projekte im Betrieb und liefert allen Projektmanagern Hilfsmittel, wie Projektassistenzen, Standards und Richtlinien an. Zudem nutzen wir zentrale Tools (z.B. Microsoft Sharepoint) teamübergreifend, was einen geregelten und jederzeit transparenten Ablauf des Projekts sichert.

Scrum an die eigenen Bedürfnisse anpassen

Parallel erfolgte die Ausbildung der beteiligten Kernmannschaft in Scrum um, die Kernprozesse und Abläufe detailliert zu verstehen. Als Folge verteilen wir "farbige Mützchen", so nenne ich gerne die individuellen Rollen im Scrum-Universum, und definierten deren Verantwortlichkeiten. Diese passten wir für unsere Zwecke an, z.B.:

  • BPO – Business Process Owner
    Verantwortlich für den Erfolg seines Aufgabengebietes. Er erstellt und kommuniziert die inhaltlichen und kaufmännischen Vorgaben seines Verantwortungsbereiches (KPI). Er gestaltet "seinen" Geschäftsprozess und beauftragt den BSM zur Konzeption und Umsetzung. Außerdem verantwortet er die bestmögliche Nutzung der von ihm angeforderten Services zur Erfüllung des von ihm vertretenen Geschäftszwecks.
  • BSM – Business Service Manager
    Verantwortlich für den Lebenszyklus sowie die Erweiterung und Optimierung bestehender Business Services zur optimalen Abbildung der Geschäftsprozesse. Besitzt hohes fachliches Know-How bezüglich seiner Produkte.
  • TSM – Technical Service Manager
    Ist zuständig für das technische Design neuer Services und Produkte und deren Weiterentwicklung, den Betrieb der Systeme und die Bereitstellung der Kapazitäten, sowie Datensicherheit und Datenschutz.

Am Ende steht (wieder) Begeisterung

Überbetriebliche Linienorganisationen brachten die richtigen Personen dann in den entsprechenden virtuellen Teams zusammen. Die Veränderung war gewaltig und ich durchlief – wie einige meiner Kollegen auch – die vier typischen Phasen nach der Einführung von Projektmanagement:

  1. Enthusiastische Begeisterung
  2. Plötzliche Verwirrung
  3. Totale Ernüchterung
  4. Erneute Begeisterung

Es knirschte und knallte zunächst an einigen Ecken und Enden. Unklarheit bei bestehenden sowie zukünftigen Zuständigkeiten, persönliche Befindlichkeiten, Kompetenzgerangel, Ignoranz und Desinteresse bestimmten Teile der Anfangsphase.

Scrum ist derzeit in aller Munde – was aufgrund der zahlreichen Erfolgsgeschichten nicht weiter verwunderlich ist. Mittlerweile möchten viele Unternehmen auf den Zug aufspringen, um von den Vorteilen agiler Projekte zu profitieren. Oliver Knittel und Otmar Seckinger hingegen beobachten, dass Scrum-Einführungen zunehmend scheitern. Doch woran liegt das und auf welche Faktoren sollte man bei der Scrum-Einführung achten?

Was habe ich persönlich gelernt?

Nach anderthalb Jahren haben wir nun mittlerweile haben wir die 4. Phase erreicht. Unsere konstruktive und produktive Zusammenarbeit trägt reiche Früchte, die sich in Form von erreichten KPIs niederschlagen – auch wenn wir noch lange nicht am Ziel sind.

  • Struktur und Kontrolle sichern Qualität (und stehen dieser nicht im Weg).
  • Kontinuität bei hoher Qualität schlägt reine Geschwindigkeit.
  • Die besten Anforderungen, Entwürfe und Architekturen entstehen durch selbstorganisierte Teams.
  • Agile Prozesse nutzen stetige Veränderung der Anforderungen zum Vorteil für uns und unsere Kunden, sie fördern nachhaltige Entwicklung bei einem gleichbleibend hohen Tempo.
  • Wir vertrauen motivierten Mitarbeitern, die Aufgabenstellungen eigenverantwortlich umsetzen.
  • Ein persönliches Gespräch ist die effektivste Methode, Informationen an bzw. innerhalb eines Teams zu übermitteln.
  • Einfachheit, technische Exzellenz und gutes Design sind stetiger Begleiter aller Entwicklungen.
  • Regelmäßige Reflektion fördert Effektivität und die Produktivität der Teams.

Eine letzte Herausforderung besteht aber nach wie vor: Der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier. So muss stets sichergestellt werden, dass niemand im Projekt in alte und bequeme Verhaltensmuster zurückfällt. Die Gruppendynamik und die Erfolge tragen jedoch in unserem Fall einen großen Teil dazu bei, dass dies nicht passiert … mir auf jeden Fall nie wieder.

Teams, die von klassischer Projektarbeit auf Scrum umstellen, müssen nicht nur Rollen, Artefakte und Meetings einführen. Der Wechsel vom klassischen zum agilen Projektmanagement geht auch mit großen Veränderungen in der Zusammenarbeit einher. Wie Sie den Wechsel trotzdem erfolgreich meistern, erklärt Stefan Willuda. Er schlägt einen Fahrplan vor, mit dem der Umstieg in einfachen Schritten gelingt.

 

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