Fallstudie PM Business Value So teuer kann mangelhaftes Projektmanagement sein!

Auf meinen ersten hier veröffentlichten  Beitrag "Was kümmern Sie Ihre Projekte?!", eine Fallstudie aus der IT, bekam ich eine Vielzahl an Zuschriften, die meine Erfahrungen bestätigten und mich um weitere Beispiele baten. Diese Zuschriften zeigen, dass das Projektbeispiel keine Ausnahme ist. Nimmt man repräsentative Untersuchungen dazu, wie den Chaos Report der Standish Group oder PMI’s Pulse of Profession, lässt sich erahnen, wie viel Geld bis heute in mangelhaft gemanagten Projekten verbrannt wird. Das ist vollkommen unnötig, wie auch das folgende Beispiel aus meiner Praxis zeigt.

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Fallstudie PM Business Value So teuer kann mangelhaftes Projektmanagement sein!

Auf meinen ersten hier veröffentlichten  Beitrag "Was kümmern Sie Ihre Projekte?!", eine Fallstudie aus der IT, bekam ich eine Vielzahl an Zuschriften, die meine Erfahrungen bestätigten und mich um weitere Beispiele baten. Diese Zuschriften zeigen, dass das Projektbeispiel keine Ausnahme ist. Nimmt man repräsentative Untersuchungen dazu, wie den Chaos Report der Standish Group oder PMI’s Pulse of Profession, lässt sich erahnen, wie viel Geld bis heute in mangelhaft gemanagten Projekten verbrannt wird. Das ist vollkommen unnötig, wie auch das folgende Beispiel aus meiner Praxis zeigt.

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Ein mittelständisches Anlagenbau-Unternehmen sah sich nach Jahrzehnten unangefochtener Marktführerschaft seit einigen Jahren wachsender Billig-Konkurrenz aus dem Ausland ausgesetzt. Die Auftragsbücher waren zwar immer noch gut gefüllt und ausreichend Eigenkapital vorhanden, aber die Kunden diskutierten zunehmend über den Preis und waren immer weniger bereit, Verzögerungen bei der Auftragsabwicklung hinzunehmen.

Mangelhaftes Time-to-Market in der F&E kostet Marktanteile

Mehrere F&E-Projekten sollten die Technologie-Führerschaft sichern, zur Differenzierung im Preiskampf und zur Senkung von Produktkosten. Doch die meisten dieser Produktentwicklungsprojekte waren weit hinter dem Zeitplan und über den ursprünglich budgetierten Kosten. Zudem stockte die Abwicklung von Aufträgen sowohl in den eigenen Werken, als auch bei den Zulieferern und bei der Montage.

Die Geschäftsleitung hatte bereits eine Reihe von Beratungshäusern mit Rationalisierungs- und Prozessoptimierungsaufträgen engagiert, aber erst als ein Schlüsselprojekt in der Produktentwicklung mit anderthalb Jahren Verzug vollständig seine Time-to-Market und damit seinen ROI zu verlieren drohte und die Marktanteile massiv wegbrachen, entschloss sich das Management zur Revision und Sanierung der Projekte.

Falsche Besetzung – mangelhaftes Projektmanagement kostet Geld

Nach knapp vier Wochen stand meine Diagnose. Hier die Kurzversion:

In der Produktentwicklung arbeiteten hochkarätige Ingenieure meist in mehreren Projekten gleichzeitig, unter der Leitung von für das jeweilige Entwicklungsobjekt besonders qualifizierten Chefingenieuren, die das Projektmanagement eher nebenbei und ohne besondere Ausbildung betrieben. Deren Fokus lag natürlich auf der Technik, Probleme erschienen ihnen stets als lösbar, solange Zeit und Geld keine großen Rollen spielten.

Mangelhafte Führung und Projektleitung – immer neue Verzögerungen

Im Lenkungsausschuss war man sich uneins über die Prioritäten der Ziele "konkurrenzlose Technologie" und "Produktkostensenkung". Während es dem Gremium nicht gelang, die für die Projekte richtungsweisenden Entscheidungen zu treffen, es stattdessen immer neue Vorbehalte hatte und die auflaufenden Mehrkosten lange "wegsteckte", verzögerten sich in den Projekten immer wieder Entwicklungsphasen und Prototypen. Kein Wunder: Es wurden Personal und Maschinen für Tests und Probeläufe bestellt und wieder abbestellt, beides stand dann zum neuen Termin nicht zur Verfügung, usw.

Dies alles geschah "aus Ressourcenmangel", zumindest herrschte diese Meinung vor; tatsächlich aber fehlten Führung sowie eine verlässliche Planung und Steuerung, verschärft durch Überlastung und ineffizientes Multitasking. Viele Arbeiten hätten bei einem klaren Scope nicht zu Konflikten geführt, die Mehrzahl der Tests hätte vor dem Bau teurer Prototypen im Labor erfolgen und damit eine Vielzahl von Vorbehalten und Risiken vorab ausräumen können. Der Lenkungsausschuss hätte mit einem sinnvollen Reporting und einem Gefühl für eigene Projektverantwortlichkeit viel früher eingreifen können und müssen.

Gleiche Mangelhaftigkeit in Abwicklung und Montage – hohe Margenverluste

Das in der F&E vollständige Fehlen von Projektmanagement und Projekt-Rollenverständnis auf allen Ebenen legte ähnliche Defizite in den Abwicklungsprojekten des Unternehmens nahe. Dort standen die Projektleiter vor der schwierigen Aufgabe, ohne wirkliche Kompetenzen und Ressourcenzugriff die Fertigung in den P&L-verantwortlichen Werken, die Lieferung und die Montage zu koordinieren.

Der Umsatzprovisions-getriebene Verkauf kippte oft mangelhaft geklärte Aufträge und unrealistische Lieferzusagen in die Abwicklung ein und auf der Montageseite – insbesondere bei internationalen Aufträgen – konterkarierten regionale Vertriebsinteressen, Mentalität oder Arbeitsweisen eine plangerechte Auftragserfüllung.

Zulieferer und Kunden hatten häufig eine zu schwache Organisationsreife, um plangetreu bereitzustellen. So waren viele Projekte bereits bei Auftragsannahme "dunkelrot", das Eigenleben der ausführenden Einheiten verhinderte ein zielführendes Projektmanagement, und ihr individuelles Profitstreben machten eine Gesamtoptimierung der Projektmargen unmöglich.

Lösung der Probleme nicht in den Projekten möglich

In beiden Bereichen waren weniger die Projektleiter und –teams die Ursache der Misere, sondern vielmehr mangelndes Bewusstsein und Wertschätzung für Projektarbeit und Projektmanagement im Unternehmen. Neben der Rettung des F&E-Schlüsselprojekts galt es also, einen sukzessiven Wandel in der "Projektkultur" des Unternehmens zu erreichen, weg vom funktionalen Produktdenken der Ingenieure, hin zum ganzheitlichen Kundenfokus des projektgetriebenen Business. (Dies zeigt übrigens auch schön die strategische Komponente in meiner professionellen Arbeit …)

Ersteres war mit ein paar organisatorischen Maßnahmen, einigen grundsätzlichen Entscheidungen zum Projektziel und einem kleinen Griff in die Projektmanagement-Werkzeugkiste schnell bewerkstelligt. Nach einem guten halben Jahr konnte das Projekt mit einem marktfähigen Ergebnis abgeschlossen werden. Daraufhin wurde ein Folgeprojekt zur weiteren Verbesserung der Technologie angestoßen.

Tabelle: Die Zusatzkosten des F&E-Schlüsselprojekts, die ein gutes Projektmanagement vermieden hatte
Kostentreiber Kosten (in Euro)
Verzug ca. 8 FTE x 1,5 Mannjahre 650.000
Aufwand bis Fertigstellung nochmals 8 x 0,5 Mannjahre 200.000
Revisions- und Sanierungsaufwand ca. 30.000
Mehrkosten insgesamt (bei einem geplanten Budget von 750.000 Euro) ca. 880.000
aber zusätzlich auch: Umsatzausfall ca. 200 in 1,5 Jahren nicht gebaute/verkaufte Einheiten ca. 60 Millionen

"Kulturwechsel" im Maschinen- und Anlagenbau als Überlebens-Rezept

Nachdem es dem Management anfangs sehr schwerfiel, seine Notwendigkeit anzuerkennen, ist der "Kultur-Change" im gesamten Unternehmen nun in vollem Gange. Kultur ist halt etwas Gewachsenes, Denk- und Verhaltensweisen sind nicht so einfach änderbar.

Aber wenn statt der roten Null künftig wieder Erträge in der Unternehmensbilanz stehen sollen, mit den Kundenaufträgen (= Projekten) statt nur Umsatz wieder Gewinn gemacht werden soll, ist dieser Aufwand strategisch dringend notwendig und ökonomisch sinnvoll. Warten hieße dagegen, weiter Geld und Marktanteile zu verlieren.

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Alle Kommentare (4)

Peter
Burgey

Hallo Herr Zeumer,

eine sehr interessante Schilderung, insbesondere auch die Kalkulation, was die Projektverzögerung kostet.

Ihre Aussage, dass die Probleme weder beim Projektleiter noch beim Team lagen, deckt sich mit meinen Erfahrungen aus etlichen Projekten im IT-Bereich. Leider fokussieren viele Methoden und Rettungsansätze nahezu ausschließlich auf die innere Projektarbeit und nicht auf das Projektumfeld.

Wenn ein Projekt in der Misere zu weit fortgeschritten ist, dann hilft oft auch nur noch ein totaler Stopp, weil der Zeitpunkt für eine Rettung bereits überschritten ist.

Am 15. Septermber 2022 findet ein #PMtalk dazu statt: https://interim-cio.biz/projektabbruch-aber-wie

Beste Grüße
Peter Burgey

Hallo Herr Burgey,

danke für Ihren Kommentar. Er zeigt ja, dass meine Erfahrung kein Einzelfall ist. Ich behaupte mal eher die Regel.

Ich warne jedoch davor, ein Projekt (vorschnell) auf Stopp zu stellen. Erstens geht dadurch noch mehr Zeit verloren, und das knappste, was Sie im Notfall haben, ist Zeit. Zweitens bekommen Sie beim Wiederanlauf kaum das alte, eingespielte Team wieder zusammen. Und das würde wieder Zeit kosten, alle wieder aufeinander einzustellen und auf Fahrt zu bekommen. Und es geht viel gesammeltes Knowhow, v.a. über die Zusammenhänge, verloren. Meist genügen (mir) ein paar wenige Korrekturen und ein gezieltes Coaching der (evtl. noch vorhandenen) Projektleiters, um die Zeit zu überbrücken, bis wieder alle rund laufen. Dann kann man daran gehen, auch die Rahmenbedingungen positiv zu verändern.

Wenn man davon ausgehen darf, dass Projekte mit einem geplanten Projektnutzen gestartet werden, sollte immer eine Lösung mit Deckungsbeitrag möglich sein, bei der wieder alle an einem gemeinsamen Strang ziehen. Auch wenn man sicher oft die Business Cases der Beteiligten neu berechnen muss, ist das doch allemal rentabler als ein Projekt zu stoppen oder gar ganz (ohne Nutzen) abzuschreiben.

Beste Grüße
Henning Zeumer

Hallo Herr Zeumer,

generell bin ich auch für Sanierung. Man muss aber wissen und akzeptieren, dass nicht in jedem Fall eine Sanierung möglich ist.

Dann braucht man den Mut, diese Tatsache möglichst früh zu akzeptieren.

Beste Grüße
Peter Burgey