Öffentliche IT-Aufträge: Tipps zum Umgang mit den neuen EVB-IT System

Wer in Zukunft mit der öffentlichen Hand IT-Projektverträge abschließen will, muss mit einem bürokratischen Monstrum leben: Die seit kurzem geltenden Ergänzenden Vertragsbedingungen (EVB) für die Beschaffung von IT-Systemen, kurz "EVB-IT System", sind mit insgesamt 78 Seiten Umfang eine bürokratische Herausforderung für den Auftragnehmer wie für den Auftraggeber der öffentlichen Hand. Dr. Christoph Zahrnt gibt Tipps für den praxisgerechten Umgang mit dem neuen Vertragswerk.

 

Öffentliche IT-Aufträge: Tipps zum Umgang mit den neuen EVB-IT System

Wer in Zukunft mit der öffentlichen Hand IT-Projektverträge abschließen will, muss mit einem bürokratischen Monstrum leben: Die seit kurzem geltenden Ergänzenden Vertragsbedingungen (EVB) für die Beschaffung von IT-Systemen, kurz "EVB-IT System", sind mit insgesamt 78 Seiten Umfang eine bürokratische Herausforderung für den Auftragnehmer wie für den Auftraggeber der öffentlichen Hand. Dr. Christoph Zahrnt gibt Tipps für den praxisgerechten Umgang mit dem neuen Vertragswerk.

 

Die bisherige Generation der Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand, die "BVB für die Beschaffung von DV-Leistungen", stammen aus den 70er Jahren und sind technisch überholt. Das Bundesinnenministerium (BMI) hat deshalb vor einigen Jahren damit begonnen, zusammen mit den Ländern und den Kommunen eine neue Generation zu erarbeiten: die "EVB-IT". Innerhalb dieser Reihe gibt es vom BMI seit kurzem die neuen Ergänzenden Vertragsbedingungen (EVB) für die Beschaffung von IT-Systemen: die "EVB-IT System". Viele öffentliche Auftraggeber haben die Dienstanweisung, die EVB-IT System anzuwenden. Mit 39 Seiten Formulare für den Systemschein, 12 Seiten Vergütungszusammenfassung und 27 Seiten Ergänzende Vertragsbedingungen (EVB) sind diese jedoch ein bürokratisches Monstrum.

Konsequenzen für den Auftraggeber

Laut BMI sollen die EVB-IT Systemvertrag nicht nur bei echten Erstellungsprojekten, sondern auch bei Projekten über die Einführung von Standardsoftware sowie bei IT-Integrationsprojekten angewendet werden. Voraussetzung ist zwar, dass die Dienstleistungen mehr als ein Sechstel des Gesamtpreises ausmachen. Das ist in der Praxis aber fast immer der Fall. Die EVB gehen davon aus, dass der EVB-IT Systemvertrag sogar bei Auftragswerten von unter 25.000 Euro angewendet wird - also in praktisch jedem Fall.

Die ersten Ausschreibungen auf der Basis der EVB-IT System laufen weitgehend nach dem Schema: "Wir sollen nach den EVB-IT System Angebote einholen. Lieber Auftragnehmer, bitte erstelle ein Angebot, das die entsprechenden Forderungen erfüllt." Damit versucht der Auftraggeber, die Einarbeitung in die EVB-IT System auf den Auftragnehmer abzuwälzen. Dieser kann jedoch zu Recht vom Auftraggeber präzisere Vorgaben fordern. Der öffentliche Auftraggeber kommt somit nicht umhin, sich selbst erst einmal gründlich einzuarbeiten. Dabei stellt er fest, dass die EVB-IT System hohe Anforderungen an den Auftragnehmer stellen und diesen damit eher abschrecken. Ungeachtet solcher Hindernisse soll der öffentliche Auftraggeber die EVB-IT System als Standard einsetzen.

In den Hinweisen des BMI für Anwender ist das nicht so abschreckend formuliert: Nur wer sehr hohe Anforderungen an das Funktionieren des zu beschaffenden IT-Systems hat, soll alle Möglichkeiten der EVB-IT System nutzen. Aber er solle auch an die Konsequenzen denken, also an den "preisbildenden Faktor". Wer sich also gut absichern wolle, müsse damit rechnen, dass er entsprechend mehr zahlen müsse. Manch ein Beschaffer wird deshalb eine normale Absicherung zu einem normalen Preis vorziehen. Dazu muss er aber erst einmal diese Konzeption des BMI durchschauen und dann zusammen mit IT-Fachleuten die EVB-IT System entschärfen - was für ihn erneut Arbeit bedeutet. Und das ändert nichts daran, dass er mit 78 Seiten Formularen und Text arbeiten muss. Wie kann er das verhindern?

Was tun?

Grundsätzlich muss nur derjenige Beschaffer die EVB-IT System anwenden, der eine entsprechende Dienstanweisung hat. Außerhalb der Bundesverwaltung kann er versuchen, die vorgesetzten Stellen davon zu überzeugen, dass die EVB-IT System nur dann angewendet werden sollen, wenn das tatsächlich sinnvoll ist. Folgende Argumente können ihm dabei helfen.

"EVB-IT System" ungeeignet für kleinere Projekte

Das einfachste Argument ist folgendes: Die EVB-IT System sind stark auf das V-Modell XT als Vorgehensmodell der öffentlichen Hand abgestimmt. Sie eignen sich somit in der Sache vor allem für Projekte in einer Größenordnung, in der die öffentlichen Stellen das V-Modell XT einsetzen. Bei Projekten, die diese Größenordnung nicht erreichen, passen die EVB-IT System hingegen nicht.

Vertragsfreiheit nutzen

Als zweites Argument kann man anführen, dass bei praktisch jedem Projekt die Dienstleistungen mehr als ein Sechstel des Gesamtpreises ausmachen. Es kann nicht sinnvoll sein, ein solches Vertragsmodell für ganz normale Projekte einzusetzen, zumal das Bundesinnenministerium selbst empfiehlt, bei Projekten mit geringem Dienstleistungsanteil weiterhin die EVB-Überlassung Typ II anzuwenden. Die Begründung für das Sechstel wird aus der Vertragstypologie abgeleitet: Das BMI will, dass der Vertrag dem Werkvertragsrecht unterliegt und nicht dem Kaufvertragsrecht. Denn nur im Werkvertragsrecht werde ein Erfolg geschuldet.

Diese weit verbreitete Überlegung ist allerdings falsch, wie folgendes Beispiel zeigt: Die Erstellung einer beweglichen Maschine fällt unter den Kaufvertrag, die Erstellung einer unbeweglichen Maschine unter den Werkvertrag. Beide Maschinen sollen gleichermaßen erfolgreich funktionieren. Der Werkvertrag sieht vor, dass der Auftraggeber die Maschine einer Abnahmeprüfung unterziehen kann. Beim Kaufvertrag ist er zur unverzüglichen Untersuchung verpflichtet. Es besteht also kein relevanter Unterschied.

Da es die Vertragsfreiheit dem Auftraggeber erlaubt, einen Vertrag, der nach dem geltenden Recht möglicherweise ein Kaufvertrag ist, dem Werkvertragsrecht zu unterstellen, kann man das Anliegen des BMI auch auf andere Weise erfüllen: Man bezeichnet den Auftrag, den man vergeben will, als Werkvertrag und sieht die Abnahme vor. Letzteres ist einfach, weil § 13 der VOL/B (der Allgemeinen Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand) das ohnehin tut. Der Beschaffer vermeidet so die Kritik, er hätte die EVB-IT System nicht angewendet und damit den Vertrag nicht dem Werkvertragsrecht unterstellt.

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