Erweitern Sie Ihre Perspektive Neue Optionen gewinnen durch das Widerlegen eigener Annahmen

Sie sind von einem Vorgehen überzeugt, doch die Ergebnisse sprechen eine andere Sprache? Überprüfen Sie Ihre Annahme, indem Sie Belege für das Gegenteil sammeln. Wie Sie so neue Perspektiven und Handlungsoptionen gewinnen, erläutert Ihnen Helga Trölenberg.

Erweitern Sie Ihre Perspektive Neue Optionen gewinnen durch das Widerlegen eigener Annahmen

Sie sind von einem Vorgehen überzeugt, doch die Ergebnisse sprechen eine andere Sprache? Überprüfen Sie Ihre Annahme, indem Sie Belege für das Gegenteil sammeln. Wie Sie so neue Perspektiven und Handlungsoptionen gewinnen, erläutert Ihnen Helga Trölenberg.

Das Projektmeeting nähert sich seinem Ende, der Projektleiter fasst den Projektstatus zusammen: "90% der Anforderungen sind klar, für die haben wir schriftliche Spezifikationen. Einige muss der Kunde noch abnehmen, aber das wird in den nächsten 14 Tagen erledigt sein. Bis dahin kümmern wir uns um die abgenommenen Anforderungen. Die Planung dafür erstellen wir bis übermorgen."

"So ein Quatsch", raunt der Teamleiter des Entwicklungsteams Logistik seinem Nachbarn zu und zieht die Brauen hoch. "Das war wieder ein Meeting aus der Kategorie 'Völlig überflüssig'. Der hat doch das Projekt nicht im Griff – geschweige denn den Kunden. Sonst würde er nicht dauernd wiederholen, was alle schon wissen." Er rollt mit den Augen und ergänzt: "So kommen wir nicht voran!"

"Wieso denn?" fragt sein Sitznachbar, einer der Teilprojektleiter. "Ich fand das gut. So haben wir noch mal einen aktuellen Überblick darüber, was der Kunde will. Mir sind dadurch ein paar Aspekte klarer geworden, z.B. die besonderen Anforderungen bei der Logistik für Ersatzteile. Mir war nicht klar, dass es fast individuelle Produkte sind, die in der Logistik besonders behandelt werden müssen."

"Ach, das war doch schon immer klar! Wenn man da einmal durchs Lager geht, sieht man, wie die Kommissionierung individueller Ersatzteile passieren muss. Da haben wir nun wirklich schon genug Erfahrung gesammelt“, antwortet der Teamleiter im Weggehen und grummelt ein paar Abschiedsworte.

Als neutraler Beobachter meint man fast, die beiden hätten in zwei verschiedenen Meetings gesessen, so unterschiedlich sind ihre Eindrücke. Was für den einen eine Sackgasse ist, ist für den anderen eine neue Perspektive.

Teamleiter in der Sackgasse, Teilprojektleiter aufgeschlossen

Bild 1: Der Teamleiter (rechts) ist überzeugt davon, dass der Projektleiter sich vom Kunden auf der Nase rumtanzen lässt und das Projekt in einer Sackgasse steckt. Der Teilprojektleiter (links) ist aufgeschlossen gegenüber den Ausführungen des Projektleiters und erhält so neue Erkenntnisse über den Kunden. (Illustration aus: Trölenberg, Helga; Drathen, Heiner: Crashkurs IT-Projektleitung, Soft Skills, Kommunikation und Führung in IT-Projekten, Haufe 2016).

Raus aus der Sackgasse!

So wie der Teamleiter in unserem Beispiel, stecken auch wir öfter mal in einer Sackgasse fest. Vorurteile, die wir nicht revidieren (können), Meinungen, die sich zu Glaubenssätzen verfestigt haben oder starre Ansichten darüber, wie ein Projekt geführt werden muss, sind absolute Wahrheiten in unserem eigenen Projektalltag.

Und dauernd begegnen uns "Beweise" unserer Theorie von der Projektwelt und wie sie funktioniert, z.B. dass das vereinbarte Budget immer "gerissen" wird oder dass Mitglieder eines Lenkungsausschusses wenig über Projektmanagement wissen (siehe auch den Fachbeitrag "Mehr PM Know-how für den Lenkungsausschuss", Ausgabe 14/2015).

Aber was können wir tun, wenn unsere Sicht der Dinge sich als selbst gebaute Sackgasse erweist? Wenn z.B. unsere Maßnahmen zur Risikominimierung immer weniger Wirkung erzielen? Oder wenn die Schnelligkeit des Geschäftsmodells unseres Kunden mit seinen Anforderungen die Geschwindigkeit unserer Entwicklungsteams überschreitet? Dann lohnt es sich, schnell Handlungsalternativen zu entwickeln, um die Sackgasse zu verlassen.

Falsifikation erweitert die Perspektive

Eine Möglichkeit, Alternativen für sich zu entdecken, ist die Idee der Falsifikation. Sie wurde von Karl Popper, dem berühmten österreichisch-englischen Wissenschaftstheoretiker und Philosophen, entwickelt. Popper argumentierte, dass Wissenschaftler, die eine Theorie erarbeitet oder eine These aufgestellt haben, Gefahr laufen, blind für Belege zu werden, die die eigene Aussage widerlegen können.