Fehlerkultur als Schlüssel für eine agile Unternehmensentwicklung "Grafen scheitern erfolgreich" – Bericht aus dem Zeppelin Konzern
"Der Kunde ist der Kern unseres Handelns" – solche und ähnliche Plattitüden funktionieren als Unternehmensleitbilder schlecht bis gar nicht. Sie verkörpern in keiner Weise das Besondere eines Unternehmens und Mitarbeiter können sich damit nur schwer identifizieren. Ein Team des Zeppelin-Konzerns entwickelte deshalb zehn authentische Kernsätze, die Grafensätze. Welche weiteren strategischen Maßnahmen den Konzern agil und zukunftsträchtig machen, erläutert Ihnen Dr. Andreas Hendrix.
- Aus Fehlern lernt man – was allgemein gültig ist, lässt sich auch auf Unternehmen übertragen, denn Scheitern ist Bestandteil unternehmerischen Erfolgs. Am Beispiel des Zeppelin-Konzerns wird deutlich, dass man mit gezielten Methoden Scheitern für eine agile Unternehmenskultur nutzbar machen kann.
- Die Geschäftstätigkeiten haben sich verlagert: weg vom ursprünglichen Geschäftszweig (Konstruktion und Umsetzung eines lenkbaren Luftschiffs) hin zur Baubranche und dem Anlagenbau. Diese Weiterentwicklung anstelle eines Verschwindens in der Versenkung war möglich, da die Fähigkeit zu Innovation, der Wille, neue Wege zu gehen und die Akzeptanz, dass Scheitern auch immer eine Chance für ein Neuanfang ist, vorhanden waren.
- Damit Unternehmensleitbilder funktionieren, müssen diese das Besondere und Spezifische eines Unterneh-mens präsentieren. Sie dürfen keine austauschbaren Plattitüden sein, denn dann können sich Mitarbeiter nicht damit identifizieren.
- Ein dafür gebildetes Team, bestehend aus jungen, für Veränderung offenen Mitarbeitern sowie erfahrenen, kritischen Mitarbeitern, entwickelte bei Zeppelin ein gemeinsames kulturelles Grundverständnis und hielt dieses in den sog. Grafensätzen fest. Dazu gehören z.B.: "Grafen ziehen Grafen an" und "Grafen scheitern erfolgreich."
- Zeppelins Strategierahmen basiert auf drei Säulen: Groth, Performance, Stability (GPS). "GPS" ist leicht einprägsam für Mitarbeiter und drückt den Navigationsaspekt aus: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Wir erreichen wir das?
Fehlerkultur als Schlüssel für eine agile Unternehmensentwicklung "Grafen scheitern erfolgreich" – Bericht aus dem Zeppelin Konzern
"Der Kunde ist der Kern unseres Handelns" – solche und ähnliche Plattitüden funktionieren als Unternehmensleitbilder schlecht bis gar nicht. Sie verkörpern in keiner Weise das Besondere eines Unternehmens und Mitarbeiter können sich damit nur schwer identifizieren. Ein Team des Zeppelin-Konzerns entwickelte deshalb zehn authentische Kernsätze, die Grafensätze. Welche weiteren strategischen Maßnahmen den Konzern agil und zukunftsträchtig machen, erläutert Ihnen Dr. Andreas Hendrix.
- Aus Fehlern lernt man – was allgemein gültig ist, lässt sich auch auf Unternehmen übertragen, denn Scheitern ist Bestandteil unternehmerischen Erfolgs. Am Beispiel des Zeppelin-Konzerns wird deutlich, dass man mit gezielten Methoden Scheitern für eine agile Unternehmenskultur nutzbar machen kann.
- Die Geschäftstätigkeiten haben sich verlagert: weg vom ursprünglichen Geschäftszweig (Konstruktion und Umsetzung eines lenkbaren Luftschiffs) hin zur Baubranche und dem Anlagenbau. Diese Weiterentwicklung anstelle eines Verschwindens in der Versenkung war möglich, da die Fähigkeit zu Innovation, der Wille, neue Wege zu gehen und die Akzeptanz, dass Scheitern auch immer eine Chance für ein Neuanfang ist, vorhanden waren.
- Damit Unternehmensleitbilder funktionieren, müssen diese das Besondere und Spezifische eines Unterneh-mens präsentieren. Sie dürfen keine austauschbaren Plattitüden sein, denn dann können sich Mitarbeiter nicht damit identifizieren.
- Ein dafür gebildetes Team, bestehend aus jungen, für Veränderung offenen Mitarbeitern sowie erfahrenen, kritischen Mitarbeitern, entwickelte bei Zeppelin ein gemeinsames kulturelles Grundverständnis und hielt dieses in den sog. Grafensätzen fest. Dazu gehören z.B.: "Grafen ziehen Grafen an" und "Grafen scheitern erfolgreich."
- Zeppelins Strategierahmen basiert auf drei Säulen: Groth, Performance, Stability (GPS). "GPS" ist leicht einprägsam für Mitarbeiter und drückt den Navigationsaspekt aus: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Wir erreichen wir das?
Wer Fehler macht, hat etwas falsch gemacht!
Bereits in der Schule lernen wir, dass Fehler zu machen, negative Konsequenzen nach sich zieht: Je mehr Rechtschreibfehler wir im Diktat machen, je mehr Matheaufgaben wir falsch lösen, desto schlechter wird schlussendlich auch die Note ausfallen. Zu viele schlechte Noten auf dem Zeugnis verhindern sogar die Versetzung. Fehler sind also etwas Negatives und sollten verhindert werden.
Scheitern für eine agile Unternehmensentwicklung nutzbar machen
Moment mal! – werden Sie jetzt vielleicht denken. Wird man nicht auch aus Fehlern klug? Richtig, denn derjenige, der aus Fehlern lernt, wird diese Fehler zukünftig vermeiden können. Das Lernen aus Fehlern führt also zu neuen Erkenntnissen. Und was für die Schule gilt, gilt letztendlich auch für Unternehmen. Längst ist das Scheitern ein wichtiger Bestandteil des unternehmerischen Erfolgs geworden. Doch wie kann man dieses Scheitern sinnvoll nutzen? Kann man das Scheitern vielleicht zu einem wesentlichen Bestandteil der Unternehmenskultur machen, um es als unternehmerische Chance zu nutzen?
Ja, kann man. Und mehr noch. Letztlich kann man das Scheitern mit gezielten Methoden für eine agile Unternehmensentwicklung nutzbar machen. Wie das gelingen kann, zeigen wir Ihnen in diesem Beitrag anhand praktischer Beispiele aus dem Zeppelin-Konzern. Der Beitrag richtig sich an all jene, die eine Chance haben, im eigenen Unternehmen die Unternehmenskultur zu beeinflussen. Sei es durch das Vorleben von kulturrelevanten Elementen (Führungskräfte, Geschäftsführer) oder durch das Anwenden von Strategie- und Kulturinstrumenten (Strategieabteilungen, Unternehmensentwicklungen). Woher der erste Impuls dabei kommt, ist zunächst einmal nachrangig. Wichtig ist, dass die Impulse etwas in Bewegung setzen und eine Veränderung anregen.
Zeppelin – vom Luftschiff zum internationalen Konzern
Als der württembergische Graf und General der Kavallerie Ferdinand von Zeppelin am 2. Juli 1900 sein erstes Luftschiff in den Himmel steigen sah, erfüllte sich sein Traum: die Konstruktion und Umsetzung eines lenkbaren Luftschiffs. Vergleichbar mit dem Automobilsektor in der heutigen Zeit benötigte die Konstruktion eines Luftschiffs damals eine Reihe von Lieferanten, z.B. für Antriebstechnik, Motorenbau und Luftfahrt. Entstanden sind durch seine Idee Unternehmen wie die ZF AG, die Rolls Royce Power Systems AG und eben der heutige Zeppelin-Konzern, der in sechs Strategischen Geschäftseinheiten wie dem Vertrieb und Service von Baumaschinen, Antriebs- und Energiesystemen, Engineering und Anlagenbau und Mietlösungen rund um die Baustelle tätig ist.
Betrachtet man den Zeppelin-Konzern in seiner Historie, fällt auf, dass von der ursprünglichen Idee – der Konstruktion von lenkbaren Luftschiffen – vordergründig nicht viel übriggeblieben ist. Zwar wird diese Vision von Graf Zeppelin in der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH weitergelebt, doch der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeiten hat sich verlagert: weg von seinem ursprünglichen Geschäftszweck hin zum Baumaschinenhändler und Anlagenbauer.
Wie war dies möglich? Was hat verhindert, dass der Zeppelin-Konzern in der Bedeutungslosigkeit verschwindet? Letztlich war es die Fähigkeit zu Innovation, der Wille, neue Wege zu gehen und nicht zuletzt die Akzeptanz, dass Scheitern immer auch eine Chance für einen Neuanfang ist.
Fehlerkultur @ Zeppelin
Damit eine solche Erfolgsgeschichte entstehen kann, bedarf es grundsätzlich einer Unternehmenskultur, die Innovation, Veränderung und Scheitern zulässt. Eine solche Unternehmenskultur wirkt unmittelbar auf jeden Mitarbeiter. Jeder Einzelne, aber auch die im Unternehmen wirkenden Teams werden kreativer und leistungsfähiger. Es wächst eine Leistungsgemeinschaft zusammen, die sich intensiv mit den Zielen des Unternehmens identifiziert.
Von austauschbaren Werten zu einer eigenen Fehlerkultur
Ist für eine gute Unternehmenskultur das planmäßige Abarbeiten mit wissenschaftlich vorgegebenen Visions-, Werte- und Strategieentwicklungsprozessen entscheidend? – Sicherlich ist das Durchlaufen solcher Prozesse für ein Unternehmen und sein Management eine unvermeidliche Übung. Maßgeblich ist jedoch, dass eine Wertekultur entsteht, in der sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren können und möchten.
Eine Unternehmenskultur kann nur entwickelt oder weiterentwickelt werden, wenn dafür ein verbindliches Zielsystem geschaffen wird, und die Frage beantwortet werden kann, was das Unternehmen ausmachen soll, was das Besondere, das Spezifische des Unternehmens sein soll.
Dass Unternehmensleitbilder zumeist jedoch in Stereotypen ohne Orientierung abgebildet werden, ist oft die Realität. Wer kennt sie nicht, die Unternehmenswerte, die in den Schreibtischschubladen der Mitarbeiter verstauben? Die Plattitüden "Der Kunde ist der Kern unseres Handelns" oder "die Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg" sind – wenn wir mal ganz ehrlich sind – austauschbare Phrasen, die auf jedes Unternehmen passen und damit eine Identität mit dem Unternehmen ad absurdum führen.
All diese Statements reflektieren oft eine Erwartungshaltung ohne einen unternehmensinternen Bezug. der Grundtenor dieser Phrasen lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Das Wichtigste ist der Kunde,
- dann kommt der Mitarbeiter,
- dann der Gewinn
- und alle sind nachhaltig und beachten die Compliance.
Aber reicht das aus, ein Kulturverständnis zu erzeugen, das für jeden Mitarbeiter zum wertorientierten Verhaltensleitfaden wird? Nein: Mitarbeiter brauchen eine gelebte und reale Unternehmenskultur, um sich mit dem Unternehmen identifizieren zu können.
Erfolgreich heißt nicht zwangsläufig fehlerfrei
Auch der Zeppelin-Konzern kam in den Jahren 2008 und 2009 erkennbar an die Grenzen seines Wertesystems. So hatte sich eine Leistungs- und Wachstumskultur etabliert, die von einer fast zehnjährigen Wachstumsperiode geprägt war. Mit dem weltweiten Einbrechen der Märkte durch die Finanzkrise wurden Fehler im System der letzten Jahre deutlich. Da der Zeppelin-Konzern bis dato auf der Welle des Erfolgs schwamm, kam man gar nicht auf die Idee, nach Etwas zu suchen, das falsch läuft. Überbewertete und überhöhte Vermögenspositionen, risikobehaftete Finanzierungen, dubiose Finanzderivate und Intransparenz in Finanzflüssen sowie Werteprozessen brachten das Unternehmen aber schließlich an den Rand seiner wirtschaftlichen Überlebenskraft.
Zeppelins Weg aus der Krise
Ein Managementwechsel ermöglichte eine neue strategische Ausrichtung und den Aufbau eines für das gesamte Unternehmen verbindlichen Wertesystems. Ziel war es, die Werte individuell und unverwechselbar zu gestalten, jegliche Austauschbarkeit zu vermeiden und so eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen zu erreichen. Dazu beauftragte das neue Management eine Anzahl junger und für Veränderung offener Mitarbeiter, gemeinsam mit erfahrenen kritischen Mitarbeitern, ein gemeinsames kulturelles Grundverständnis zu entwickeln.
Das Team erkannte sehr schnell, dass eine Kultur bei Zeppelin vorhanden war, die jedoch nicht gelebt wurde. Diese Kultur basierte auf dem Slogan "Zeppelin – Tradition verpflichtet" und bezog sich auf das Wirken des Firmengründers Graf von Zeppelin und seiner Nachfolger. Dieser Slogan war zwar allseits bekannt, jedoch konnten sich die Mitarbeiter nicht wirklich damit identifizieren. Das Team diskutierte die historischen Zusammenhänge auf dem Wirken von Graf von Zeppelin und kam zu dem Schluss, dass die Grundwerte seines Handelns mit den heutigen Werten von Zeppelin immer noch vereinbar sind.
10 "Grafensätze", auf denen die Unternehmenskultur basiert
Das Team fasste daher diese Grundwerte in Worte und präsentierte zehn Kernsätze, die auf der Handlungsweise des Unternehmensgründers Graf von Zeppelin basieren (Bild 1).
Kundenorientierung, Innovation und Verantwortung finden wir in vielen Unternehmensleitbildern. Die "Grafensätze" beinhalten jedoch eine individuelle Authentizität und Einzigartigkeit für die Unternehmenskultur. Der Graf war zu seiner Zeit Visionär, Teamworker, Innovator und Magnet für Talente. Er setzte mit Standfestigkeit und Willenskraft seine Ziele um. Eigenschaften, die heute ein nachhaltiges Management ermöglichen und das Unternehmen, aber auch jeden einzelnen Mitarbeiter erfolgreich machen. Daher versuchte das Team, all diese Eigenschaften in die Grafensätze einfließen zu lassen.
Jeder dieser Grafensätze ist zudem mit einem historischen Moment zu Graf Zeppelins Zeiten verbunden und kann gleichzeitig auf die heutige Zeit übertragen werden. Dazu folgt im nächsten Abschnitt ein Beispiel.
Grafen scheitern erfolgreich – damals wie heute
Damals erfolgreich gescheitert …
Graf Zeppelins Luftschiffprojekt war von einer Vielzahl von Niederlagen und Tiefschlägen begleitet. Allein 12 von 19 Luftschiffen wurden vor 1913 bei Unglücken zerstört. Doch dank seiner ausgeprägten Lern- und Veränderungsbereitschaft trieb er die Konstruktion der Luftschiffe voran.
Als Graf Ferdinand von Zeppelin mit der LZ 4 am 5. August 1908 in einem 48-stündigen Dauertest in Echterdingen bei Stuttgart die zivile Luftschifffahrt begründete, war sein Vorhaben von einer Niederlage begleitet. Zwar schaffte das Luftschiff den eigentlichen Dauertest ohne Zwischenfälle, doch nachdem es sicher auf einer Wiese gelandet war, verunglückte das vierte Luftschiff des Grafen von Zeppelin: Es wurde von einem starken Windstoß erfasst, aus der Verankerung gerissen, gegen Obstbäume getrieben und verbrannte. Die finanziellen Mittel des Grafen waren verbraucht, der Traum vom Fliegen schien ausgeträumt.
Doch es kam anders… Die Menschen, die an die Vision des Grafen glaubten, begannen Geld zu sammeln. Die große Spendenaktion von Personen aller Schichten und jeden Alters, von Mitarbeitern, Unternehmen und Verbänden, brachte binnen weniger Monate über 6 Millionen Reichsmark (nach heutiger Kaufkraft rund 40 Millionen Euro). Diese Spendenaktion ermöglichte Graf Zeppelin die Fortsetzung seines Werks. Noch im Jahr 1908 wurden die Luftschiffbau Zeppelin GmbH und die Zeppelin-Stiftung gegründet. Der Zeppelin-Konzern in Friedrichshafen entstand.
Graf von Zeppelin ließ sich von Rückschlägen und finanziellen Krisen nicht von seinem Traum abbringen und glaubte weiter an den Erfolg – dieses Durchhaltevermögen und der unerschütterliche Wille sorgten schließlich dafür, dass er Recht behielt, sich nicht in seinem Glauben beirren zu lassen.
… heute die Basis für Fehlerkultur und unternehmerischen Mut
Was die Mitarbeiter bei Zeppelin kennzeichnet, ist der Mut, Entscheidungen zu treffen und neue Wege zu gehen. Dazu gehört eine Fehlerkultur, die unternehmerischen Mut fördert.
Einen Fehler zu machen oder eine falsche Entscheidung zu treffen, ist nicht problematisch. Nicht aus diesem Fehler zu lernen oder den Fehler zu wiederholen hingegen schon.
Dies soll keinesfalls dazu verleiten, arglos und ohne Verantwortungsbewusstsein Risiken einzugehen. Vielmehr gilt es, ohne Ängste neue Lösungswege zu beschreiten. Wichtig ist es, nach einem Misserfolg wieder aufzustehen und einen neuen, verbesserten Anlauf zu planen. Entscheidungen zu treffen, ist oft unbequem, keine Entscheidungen zu treffen allerdings gefährlich.
Scheitern muss als Chance gesehen werden, das Ziel umso gestärkter und klüger anzugehen. Diese Lern-und Wissenskultur zu etablieren, ist eine notwendige Voraussetzung, um Innovationen von bleibender Größe zu ermöglichen.
Beispiel aus dem Baumaschinengeschäft
Dass solch ein Scheitern auch in der heutigen Zeit bei Zeppelin fest in der Kultur verankert ist, zeigt ein Beispiel im Umfeld des Baumaschinengeschäfts. Zeppelin verkaufte bereits seit den 1980er-Jahren erfolgreich kompakte Radlader, damals aber noch die eines deutschen Herstellers und unter dem Markennamen Zeppelin. Als sich Caterpillar dazu entschied, auch in den Markt einzusteigen und eine eigene Serie entwickelte, wechselte Zeppelin den Hersteller. Die Leistung der damaligen Cat Radlader entsprach jedoch nicht den Anforderungen der Kunden, und Zeppelin als Vertriebspartner von Caterpillar verlor massiv an Akzeptanz.
Schließlich überzeugte Zeppelin Caterpillar, eine Radlader-Serie speziell für den deutschen Markt zu entwickeln. Die darauffolgende Testphase war von vielen Tiefschlägen gekennzeichnet. Zeppelin ließ aber nicht locker. 2007 war es so weit und Zeppelin stellte die neuen Maschinen auf der bauma in München vor, der weltweit größten Messe für Baumaschinen und -zubehör. In der Folgezeit entwickelten sich auf Kundenseite eine breite Akzeptanz und ein großes Vertrauen in das Produkt. Heute sind die Radlader von Caterpillar wahre Bestseller.
Zeppelin hat aus den anfänglichen Fehlern gelernt. Produktmanager des Konzerns holten sich immer wieder Feedback beim Kunden ein und leiteten es an Caterpillar weiter. Mitarbeiter des Herstellers wiederum setzten die Änderungswünsche um. Das sicherte Zeppelin nicht nur die Zufriedenheit der Kunden, sondern schlussendlich auch ein erfolgreiches Bestehen im Baumaschinengeschäft.
Strategieinstrumente bei Zeppelin
Culture eats Strategy for Breakfast
Strategien auf dem Papier sind die eine Seite der Medaille, die nachhaltige Umsetzung der Strategie ist jedoch die andere Seite. "Culture eats strategy for breakfast" – mit diesem Satz brachte Peter Drucker zum Ausdruck, dass eine nachhaltige Strategieentwicklung ohne eine dahinterstehende und im Unternehmen fest verankerte Kultur schwer umzusetzen ist.
Es geht also nicht nur darum, die Strategie zu kommunizieren, sondern auch darum, den Mitarbeitern zu erläutern, warum man eine bestimmte Strategie realisieren möchte. Denn nur dann können sie auch die Beweggründe verstehen und dahinterstehen. Die nachfolgenden bei Zeppelin angewendeten Strategieinstrumente beinhalten alle notwendigen und relevanten Kulturkomponenten und stützen sich auf das Prinzip des erfolgreichen Scheiterns.
GPS – die Navigation in die Zukunft
In Folge der Finanzkrise und den daraus gewonnenen Erkenntnissen wurde bei Zeppelin nicht nur ein ganzheitliches, traditionsbasiertes Wertesystem entwickelt, sondern auch ein, von drei Säulen getragener Strategierahmen. Die Säulen Growth, Performance und Stability (GPS) basieren auf einer Ausgewogenheit zwischen Wachstumsbestrebungen, Leistungsorientierung und finanzieller sowie struktureller Stabilität. In den Jahren zuvor legte der Konzern den Schwerpunkt vor allem auf Wachstum und Ergebnis. Aus der Finanzkrise zog Zeppelin seine Lehren und richtete die Strategie zusätzlich auf Stabilität aus. Denn was nützt eine Strategie, die vornehmlich auf Wachstum und Ergebnis fokussiert ist und damit den Nutzen für den Shareholder maximiert, jedoch langfristig in einem Misserfolg endet?
Man muss nicht bis in die Zeit zurückgehen, in der die Dotcom-Blase platzte. Auch in der jüngsten Vergangenheit finden sich viele Unternehmen, die entweder vom Markt verschwunden sind oder nur noch einen Bruchteil von dem darstellen, was sie zu Hoch-Zeiten einmal waren. Sei es, weil sie zu lange an alten Geschäftsmodellen festgehalten haben, obwohl sie die Infrastruktur für neue Geschäftsmodelle in ihrer Unternehmens-DNA verankert hatten – wie beim Versandhandelsunternehmen Neckermann geschehen: Obwohl Neckermann die Infrastruktur für einen Onlinehandel gehabt hätte, waren Amazon und Zalando schneller und geschickter im Aufbau eines Onlinekanals und maßgeblich zur Insolvenz Neckermanns beitrugen. Oder sei es, weil sie zu "gierig" waren und nur auf Wachstum und Ergebnis aus waren (die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers). Oder weil eine Führungskultur etabliert wurde, die jegliche Offenheit und konstruktive Kritik schon im Ansatz ausschloss (Automobilbranche, Dieselskandal).
Vor diesem Hintergrund sind im Sinne eines guten Ergebnisses nicht nur Wachstum und Leistungsstärke für den Zeppelin-Konzern von Bedeutung, sondern vor allem auch nachhaltige Stabilität. Neben einer anhaltend starken Partnerschaft mit Caterpillar und weiteren Herstellerpartnern sind ein solides Finanz- und Risikomanagement und eine wirklich funktionierende Struktur der Compliance und Governance ein wichtiger Bestandteil der Strategie.
Management und Mitarbeiter orientieren sich in der strategischen Arbeit an diesem Rahmen und werden durch entsprechende strategische Instrumente unterstützt. Die Bezeichnung "GPS" für den strategischen Rahmen unterstreicht den Navigationsaspekt der Strategie – wo stehen wir derzeit, wo wollen wir hin, wie erreichen wir dieses Ziel? – und ist gleichzeitig leicht einprägsam für jeden Mitarbeiter des Unternehmens.
Der "Nightmare Competitor"-Ansatz bei Zeppelin
Zu einer Kultur, die ein Scheitern zulässt und die Mut und innovative Ansätze fördert, gehört eine kontinuierliche Überprüfung der bestehenden Geschäftsmodelle. Die Kernfrage lautet: "Wie können wir das Problem des Kunden völlig neu und anders lösen und was passiert, wenn ein Wettbewerber diesen Ansatz verfolgt?" Deshalb erstellen die strategischen Geschäftseinheiten bei Zeppelin fortlaufend Nightmare Competitor-Szenarien mit realistischen, aber derzeit noch nicht existenten Wettbewerbern, die das Geschäftsmodell bedrohen oder sogar außer Kraft setzen können. Es geht schlicht darum, radikale neue Geschäftsideen zu entwerfen, die die strategischen Geschäftseinheiten dann vor dem Hintergrund der Wachstumsstrategie (Säule Growth in der GPS-Strategie) auf Umsetzbarkeit prüfen und ggf. umsetzen.
Das Klickrent-Beispiel
Auf diese Weise entstand das klickrent-Geschäftsmodell. Das Management traf 2013 nach Diskussionen eine Entscheidung, die die Weiterentwicklung von Zeppelin zu einem Unternehmen im digitalen Zeitalter maßgeblich ermöglichte. Der erste Schritt war, ein digitales Geschäftsmodell zu entwickeln, das wenige Monate später zur Gründung eines Startups (www.klickrent.de) in Berlin führte. Ziel war das Mieten von Maschinen, Geräten und Zubehör durch einen Online-Marktplatz zu digitalisieren und zu vereinfachen sowie nicht verwendete Kapazitäten zu nutzen. Mit "klickrent" etablierte Zeppelin die "share economy" in einer derzeit noch eher traditionellen Baumaschinenwelt und schuf damit einen neuen Markt.
Die Hervorbringung solch radikaler Ideen sollte aber begleitet werden: Es bedarf handwerklicher Strategieinstrumente, die weitestgehend auf der Blue Ocean Strategie aufsetzen. (Eine praxisnahe Anleitung zur Erstellung eines Nightmare Competitors erhalten Sie im Buch "Rocking the Ship" von Uli Grothe und Mat Lock.)
Neben dem eigentlichen Handwerk braucht es für diesen Ansatz vor allem unternehmerischen Mut. Der Mut ist notwendig, um gedanklich und später vielleicht sogar real das eigene Geschäftsmodell zu zerstören. Allerdings sollte dabei nicht die Angst vor alternativen Geschäftsmodellen in den Vordergrund rücken ("Wenn Du nicht dein Geschäftsmodell zerstörst, dann machen es andere Unternehmen / Startups für dich"), sondern die Chancen und Potenziale, die ein neues oder verändertes Geschäftsmodell mit sich bringt.
Startup-Prinzipien und die Kultur des Scheiterns
Seit der Gründung des Startups Klickrent 2013 ist viel Zeit vergangen und Zeppelin hat mittlerweile eine konzernweite Digitalisierungsstrategie entwickelt und umgesetzt. Ein Bestandteil dieser Strategie ist die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Als Rahmen hierfür wählte der Konzern einen "Laboransatz". Dazu wurde ein Team gegründet, das als Corporate-Startup digitale Geschäftsmodelle entwickelt, erprobt und an den Markt führt. Von jährlich rund 20 Ideen, die von jedem Mitarbeiter des Konzerns eingereicht werden können und die in dieser Laborumgebung entwickelt werden, überlebt am Ende im Schnitt nur eine Idee. Darüber, ob eine Idee ausreichend reif und machbar für den Markt ist, entscheidet bei strategischen Entwicklungsthemen das Management; bei Ideen, die die Produktentwicklung betreffen, hingegen der Kunde. Dieser Auswahlprozess basiert auf dem Prinzip des erfolgreichen Scheiterns.
Mit MVPs iterativ die Kundenbedürfnisse analysieren und bedienen
Nicht umsonst wird in den Startups dieser Welt von "Fail Forward" gesprochen. Ein Prozess, der das gezielte Scheitern zum Erfolgsprinzip macht. Hierzu wird ein Produkt oder eine Lösung mit den minimalsten notwendigen Anforderungen und Eigenschaften ausgestattet und dem Kunden vorgelegt. Der Kunde bewertet das sogenannte Minimum Viable Product (kurz MVP), woraufhin sein Feedback direkt verarbeitet wird. Auf diese Weise entsteht iterativ (oder in der Startup-Sprache agil) eine neue Lösung, die immer besser wird und am Ende den Kundenanforderungen in maximaler Weise entspricht. Startups scheitern auf diesem Wege jeden Tag aufs Neue, mit dem Ergebnis, dass am Ende der Iteration der Erfolg steht.
Das MVP erlaubt es dem Team, eine maximale Menge an Informationen über den Kunden und seine Bedürfnisse mit minimalem Aufwand zu sammeln. Dabei tritt zunächst ein sehr geringes Marktrisiko auf, da durch Markttests ein regelmäßiges Scheitern im Kleinen das Scheitern im Großen aufgrund von fehlendem Marktinteresse verhindert. Zudem ist die Produktentwicklung einfach, schnell und günstig.
In der Praxis wird dazu vorab analysiert, für welche Bedürfnisse das MVP erstellt wird:
- Wer sind die Early Adopters des Produkts?
- Welches Kundenbedürfnis soll mit dem MVP gelöst werden?
- Was wollen wir aus dem Markttest lernen?
Und schließlich geht es um die Entscheidung, was wirklich benötigt wird:
- Welche Features sind von Beginn an unabdingbar?
- Auf welche Features kann der Kunde im ersten Schritt verzichten?
Das Mechanifix-Beispiel
Ein gutes Beispiel für das Anwenden der Startup-Prinzipien stellt das Geschäftsmodell Mechanifix dar. Zeppelin hatte vor zwei Jahren die Idee, eine Internetplattform für die Reparatur von Baumaschinen zu entwickeln. Baumaschinenbesitzer, die einen Service an ihren Baumaschinen benötigen, sollten dort auf unabhängige Servicetechniker treffen, die ihre Dienste auf der Plattform anbieten. Die Early Adopters und die Kundenbedürfnisse wurden schnell identifiziert und auch eine rudimentäre Internetplattform in Form eines Click Dummys war schnell entwickelt. Im mehrwöchigen Markttest zeigte sich jedoch, dass die meisten Baumaschinenbesitzer durch Rahmenverträge an ihren Servicebetrieb gebunden sind. Und selbst bei schnell notwendigen Reparaturen griffen sie auf bewährte Servicetechniker zurück – sogar, wenn die Reparatur der Maschinen einen Tag länger als erhofft dauerte.
Der Markttest ergab, dass für diese Geschäftsidee kein ausreichender Kundenbedarf existiert. Somit entschied der Konzern, diese Idee nicht weiter zu verfolgen.
Innovations- und Ideenmanagement als Plattform des erfolgreichen Scheiterns
Nicht nur in Startups wird eine Kultur des erfolgreichen Scheiterns gelebt, auch in großen Konzernen wie Zeppelin verfolgt man mittlerweile eine solche Strategie. Das zeigt sich nicht zuletzt in dem 2016 etablierten konzernweiten Ideenmanagement. Die Hauptziele lauten hier nicht "neue Produkte, Geschäftsmodelle und verbesserte Prozesse", sondern:
- Förderung einer veränderungswilligen Kultur,
- Mitarbeitermotivation und -bindung durch Mitgestaltung,
- Förderung des Zusammenwachsens des Konzerns.
Nach einer anfänglichen Diskussion im Führungskreis, die auf die Frage abzielte, welcher Business Case hinter dem Ideenmanagement stehe, folgte der klare Wille, die Förderung der Unternehmenskultur in den Mittelpunkt zu rücken. Dies bedeutet nicht, dass am Ende des Ideenmanagements nicht auch gute Ideen stehen. Es bedeutet vielmehr, dass der Mut zu neuen oder andersartigen Ideen gefördert wird.
Mit dem Start des Ideenmanagements Z IDEA in Deutschland wurden von Mitte 2016 bis Mitte 2018 für alle Mitarbeiter vollkommen transparent rund 1.700 Ideen eingereicht. Jeder Mitarbeiter des Konzerns hatte und hat auch noch immer die Möglichkeit, seine Idee vorzulegen. Neutrale Gutachter – also Zeppelin-Mitarbeiter, die an der Entstehung der Idee unbeteiligt waren, aber die notwendige Fachkenntnis besitzen – bewerten den Vorschlag. In der Regel setzt die Abteilung, die den Gutachter stellt, bei einem "Go" die Idee auch um. Vor allem die transparente Darstellung der Ideen sowie die Offenlegung der Gründe für eine Umsetzung bzw. für eine Ablehnung kamen bei den Zeppelin-Mitarbeitern gut an.
Nicht die Umsetzung einer jeden Idee ist den Mitarbeitern wichtig, sondern die wertschätzende Erklärung, warum etwas umgesetzt wird oder eben auch nicht umgesetzt wird.
Alles kann und soll in Frage gestellt werden
Der offene Dialog mit den Mitarbeitern über ihre Ideen führte bei Zeppelin dazu, dass bestehende Ansätze ("Wie machen wir etwas?") in Frage gestellt werden. Es wird grundsätzlich bei keinem Thema Halt gemacht. So führte beispielsweise die Idee eines Mitarbeiters, alle Gehälter zwischen den Gesellschaften bei Zeppelin zu vereinheitlichen, nicht zu einer direkten Ablehnung, wie es in einigen anderen Unternehmen passieren würde. Vielmehr wurde sich mit den Gründen, die zu dieser Idee führten, auseinandergesetzt. Im Ergebnis wurde ein konzernweites Projekt etabliert, das zum Ziel hat, die Grundsätze der Entlohnung im Konzern zu überprüfen und – wo sinnvoll – Standards zu etablieren.
Der Kulturdialog als Messindikator
Wie ausreichend werden die Grafensätze gelebt?
Zwar sieht man an vielen Stellen im Zeppelin-Konzern, wie die Kultur gelebt wird, doch Konzerngröße und die Internationalität – über 8.000 Mitarbeiter in 30 Ländern – stellen eine besondere Herausforderung bei der genaueren Analyse dar. Dies führt unmittelbar zur Frage, ob und wie sich Kultur messen lässt.
2015 stellte das Management von Zeppelin fest, dass in Einzelfällen die Kommunikation und Führung nicht mit dem Verständnis der Unternehmenskultur einherging. Die Folge dieser schlechten Kommunikation und mangelnden Führung waren unerwünschte Umsatz- und Ergebnisentwicklungen. Beispielsweise wurden in Führungskräftemeetings positive Entwicklungen präsentiert und alle "Ampeln" auf grün gesetzt, um den Status zu beschönigen. Innerhalb kürzester Zeit kam es aber in Einzelfällen zu Ergebniseinbrüchen. Der Informationsaustausch im Management war gestört: Die mittels Unternehmensstrategie geforderte Offenheit war von den betreffenden Führungskräften nicht gewünscht. Misstrauen und Angst davor, einzugestehen, dass es nicht gut läuft, führten zu einer Hemmung der Prozesse, was sich negativ auf die Unternehmensergebnisse auswirkte.
"Stresstest" für die Elemente Strategie, Risikomanagement, Organisation und Kultur
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde bei Zeppelin der Kulturdialog ins Leben gerufen. Dieser wird regelmäßig bei einer ausgewählten Gesellschaft durchgeführt. Ziel des Kulturdialogs ist es, Elemente eines Unternehmens zu beleuchten, die sich häufig nicht auf Revisionsplänen befinden und auch nicht im Rahmen der monatlichen Ergebnishochrechnungen besprochen werden: Die Elemente Strategie, Risikomanagement, Organisation und Kultur werden einer Art "Stresstest" unterzogen.
Der Ablauf
Zunächst nehmen alle Mitarbeiter der untersuchten Gesellschaft zu den vier genannten Elementen an einer Onlinebefragung teil. Anschließend werden Interviews bei der Gesellschaft vor Ort durchgeführt. Wer diese Interviews führt, hängt vom thematischen Rahmen ab: Z.B. können das Mitarbeiter aus der Controlling-Abteilung oder der Konzernentwicklungs-Abteilung sein. Dabei durchleuchten die Interviewer die Kommunikation, den Cultural Fit, die Einhaltung von Regeln und Richtlinien, die Wertschätzung, das Zusammenspiel mit der Führung, die Zusammenarbeit und insbesondere die Fehlerkultur bei den genannten Themen. In der Diskussion mit den Kollegen geht es vor allem darum, herauszufinden, wie sie mit Fehlern umgehen. Suchen sie direkt einen Schuldigen oder stellen sie die Ursache für den Fehler in den Vordergrund?
Ziel ist nicht eine Art Revisionsbericht mit klaren Anweisungen, welche Punkte umzusetzen sind. Vielmehr geht es um den Dialog mit den Mitarbeitern und Führungskräften, ob und wie die Kultur gelebt wird, um den Führungskräften in der jeweiligen Gesellschaft letzten Endes aufzuzeigen, wo ihre Führung scheitert. Oft geht es dabei um Kommunikationsthemen: Z.B. ergeben die Interviews, dass es zwar eine Strategie gibt, diese aber nicht ausreichend durch die Führungskraft kommuniziert wird – nämlich dann, wenn sie bei den Mitarbeitern nicht klar angekommen ist.
Spiegelgespräche zur persönlichen Überprüfung der Fehlerkultur
Während der Kulturdialog die Fehlerkultur ganzer Organisationseinheiten auf den Prüfstand stellt, dienen Spielgespräche auf Topmanagement-Ebene dazu, die Fehlerkultur im täglichen Umgang zu messen. Hierbei befragen Topmanager ein- bis zweimal pro Jahr per Zufallsprinzip Mitarbeiter aus allen Hierarchieebenen über die gelebte Kultur bei Zeppelin.
Rund zehn Mitarbeiter sitzen in diesen Gesprächen mit jeweils einem Konzerngeschäftsführer in lockerer Atmosphäre zusammen. Wesentliches Merkmal dabei: Fingerpointing ist tabu! Mitarbeiter und Geschäftsführer diskutieren vielmehr anhand praktischer Beispiele aus dem Alltag, wo die Unternehmenskultur wirklich gelebt wird und wo es zu Reibungen kommt.
In der Vergangenheit konnten Topmanager so immer wieder Einzelsituationen beobachten, in denen Mitarbeiter oder auch Kollegen die Unternehmens- und Fehlerkultur von Zeppelin nicht optimal leben. Ein Mitarbeiter berichtete z.B. über seine Führungskraft, die in seiner Niederlassung in Sachen Fehlerkultur primär den Schuldigen sucht und nicht die Lösung in den Vordergrund stellt. Im Gespräch mit besagter Führungskraft thematisierte der Konzerngeschäftsführer daher die Bedeutung der Fehlerkultur. Schließlich gelang es ihm so, dass die Führungskraft sein Verhalten nachhaltig änderte.
Die Fehlerkultur überprüfen, verankern und leben
Auch wenn die hier vorgestellten Strategieinstrumente darauf abzielen, eine Kultur des Scheiterns zu etablieren, sind sie noch lange kein Garant dafür, dass eine solche im Unternehmen geschaffen und aufrechterhalten werden kann. Sicherlich macht es wenig Sinn, unreflektiert alle hier vorgestellten Instrumente auf einmal anzuwenden. Vielmehr sollten Sie diese anhand der Ausgangslage Ihrer jeweiligen Unternehmenskultur wählen.
Letztlich hat sich ein dreistufiges Vorgehen bei Zeppelin als sinnvoll erwiesen: Überprüfen, Verankern, Leben (Bild 3).
Stufe 1: Überprüfen
Das Überprüfen dient dazu, herauszufinden, wie mit Fehlern oder ganz allgemein mit Scheitern im Unternehmen umgegangen wird. Eine Überprüfung bietet sich immer dann an, wenn
- generell unklar ist, wie mit Fehlern und Scheitern im Unternehmen umgegangen wird,
- der Umgang mit Fehlern primär die Suche nach den Schuldigen zum Ziel hat,
- die Bestrafung und Beseitigung des Fehlers im Vordergrund stehen und
- das Lernen aus Fehlern eine eher untergeordnete Rolle einnimmt.
Wenn Sie eine oder mehrere der genannten Eigenschaften in Ihrer Unternehmenskultur wiederfinden, empfehlen wir Ihnen die Durchführung eines Kulturdialogs. Dieses Instrument zielt vor allem darauf ab, größere Organisationseinheiten auf den Prüfstand zu stellen. Auch Spiegelgespräche mit einzelnen Mitarbeitern, die von ihren Erfahrungen im Umgang mit Fehlern berichten, helfen, ein regelmäßiges Verständnis für die gelebte Kultur zu schaffen.
Stufe 2: Verankern
Eine "Kulturüberprüfung" kann ergeben, dass es notwendig ist, grundsätzlich eine Fehlerkultur im Unternehmen zu verankern, wenn eine solche bisher gänzlich fehlt, oder sie an bestimmten Stellen anzupassen. Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass auch ein neues Leitbild geschaffen werden muss: Bei Zeppelin wurde z.B. eine im Prinzip schon bestehende, aber z.T. im Verborgenen gebliebene Kultur analysiert und die Grundsätze – die sog. Grafensätze – abgeleitet. Diese werden heute im täglichen Umgang gelebt und gewürdigt. Allerdings geschah das nicht mal so eben nebenbei: Die Grafensätze standen am Ende eines längeren Prozesses und beziehen sich auf die Historie von Graf von Zeppelin und somit auf das Besondere, das Spezifische, das das Unternehmen ausmacht.
Ein Leitbild nach einer kurzen Analyse zu erstellen, mit markigen Phrasen, an die dann doch niemand im Unternehmen glaubt, wirkt kontraproduktiv. Wichtiger ist, ein Kulturverständnis im Unternehmen zu schaffen. Dazu braucht es vorbildliches Handeln des Topmanagements, des erweiterten Führungskreises, ein glaubwürdiger und gelebter positiver Umgang mit Fehlern und vor allem Zeit.
Stufe 3: Leben
Sobald der Nährboden für eine Fehlerkultur geschaffen ist, können Instrumente wie der oben beschriebene Nightmare Competitor-Ansatz oder agile Methoden wie die Erstellung von MVPs angewendet werden. Derartige Instrumente, die bewusst mit dem Scheitern spielen, um daraus zu lernen, haben sich bei Zeppelin als sehr praxistauglich erwiesen.
Die Aufnahme des Nightmare Competitor-Ansatzes in den jährlichen Strategieprozess löste eine interessante Diskussion aus, mit der Kernfrage, ob denn eine gedankliche Zerstörung des eigenen Geschäftsmodells nicht zu weit ginge. Letztlich wird das Hinterfragen dieses Instruments damit sogar zum Kulturmerkmal an sich, was wiederum zeigt, wie bereit die eigene Organisation ist, sich mit dem Scheitern wirklich auseinanderzusetzen.
Auch das Übertragen und Anwenden agiler Methoden aus dem Startup-Umfeld auf das eigene, traditionelle Unternehmen zeigen, wie agil die Unternehmensentwicklung tatsächlich ist. Z.B. lassen sich viele komplexere Entscheidungen in Unternehmen im Vorfeld durch kleine Entscheidungen mit Hilfe von Experimenten vorbereiten. Getreu dem Startup-Motto "scheitere schnell und früh" schaffen kleine Experimente genau die Informationen, auf deren Basis sich größere Unternehmensentscheidungen mit weniger Risiko treffen lassen. Frühe Experimente mit Prototypen erhöhen dann letztlich nicht nur die Innovationsgeschwindigkeit, sondern sie verringern anhand eines Lernens aus Fehlern auch das Risiko, neue Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen am Markt vorbei zu entwickeln.
Hartmut Goetze
15.12.2018