Vielleicht kennen Sie den Witz: Ein Wanderer beobachtet einen Holzfäller, der bei seiner Arbeit nur sehr langsam vorankommt. Schließlich ruft er dem Waldarbeiter zu, er solle doch seine Axt schleifen. Keine Zeit, keine Zeit, keucht der zurück ...
Kein Witz ist leider, dass viele Berufstätige erschreckend wenig Zeit in das "Schleifen ihrer Axt", sprich: in ihre Fortbildung investieren, und dass nicht wenige Firmen mit ihren Sparmaßnahmen gerade hier den Rotstift ansetzen. Pure Fachkenntnisse werden gerade noch vermittelt, aber das Know-how, sie effektiv umzusetzen, bleibt auf der Strecke, dabei ist es mindestens ebenso wichtig.
Das Buch "ZEITPROFI für Projektleiter" hat bereits ab dem Vorwort meine Sympathie geweckt. Ein Karrierehungriger berichtete mir, er habe seine Prioritäten so gesetzt: 1. Beruf, 2. Familie, 3. Sonstiges. Wer nicht vergessen hat, dass wir arbeiten um zu leben und nicht umgekehrt, den wird nicht wundern, dass das Familienleben des besagten Herrn nicht sonderlich glücklich ist.
Die erste Priorität auf Familie, Freizeit usw. zu setzen, bedeutet aber keineswegs, dass man den Beruf schleifen lassen kann, heute weniger denn je. Was aber tun? Seinen Terminkalender in immer kleinere Einheiten zu unterteilen, vermittelt rasch die Erkenntnis, dass der Tag immer noch 24 Stunden hat. Und je mehr wir davon der Arbeit opfern, desto mehr opfern wir unserem Wohlbefinden. Wie kommen wir aus diesem Dilemma?
"ZEITPROFI für Projektleiter" unterscheidet sich dadurch von vielen einschlägigen Büchern, dass es nicht eine völlige Umgestaltung der Gewohnheiten fordert, die man über kurz oder lang entnervt aufgibt, sondern sich am Machbaren orientiert und Freizeit und Freude am Leben nicht hintanstellt, sondern als unverzichtbare Lebensbestandteile betont. Und das Buch wartet mit zahlreichen Überraschungen auf: Zehn Seiten Lektüre und 90 Minuten Zeitaufwand für einen Schnelleinstieg als Zeitprofi, mehr gönnen die Autoren dem Leser zunächst nicht. Und bereits der Schnelleinstieg hat es in sich: Statt einem ausgeklügelten Ablagesystem wird beispielsweise empfohlen, konsequent wegzuwerfen. Statt die vorhandene To-do-Liste raffiniert auszubauen, wird von ihrer Verwendung eindringlich abgeraten.
Dann werden drei bis fünf Tage Überdenkens verordnet, bevor die Autoren den Leser detailliert und zielstrebig zum wirklichen Zeitprofi machen. Sie bieten bewährte, aber auch eine Fülle unkonventioneller Techniken an. Wichtiger Bestandteil sind die zahlreichen Checklisten, die immer wieder helfen, den beschrittenen Weg zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Besonders hilfreich empfinde ich, dass auftauchende Probleme bereits - durch die Stolpersteine eines "Mr. Sponti" - berücksichtigt und Empfehlungen im Falle ihres Auftauchens gegeben werden. Auch Unerwartetes wird angeboten, beispielsweise Atemübungen und Meditationen, eine ganzheitliche Methodik also.
Abgerundet wird das Buch durch eine CD-ROM, die dem Leser konsequenterweise mit PDF-, Word- und Excel-Dokumenten bzw. -Vorlagen viel Zeit für die eigene Erstellung erspart. Die CD ist nicht selbststartend und enthält in ihrem Hauptverzeichnis die HTML-Datei index.htm. Überraschenderweise enthält diese nicht das im Buch veröffentlichte Inhaltsverzeichnis der CD mit entsprechenden Verlinkungen, sondern nur einen einzigen Link zur offline auf der CD befindlichen Internetseite des Verlags. Wenn man es weiß, kann man natürlich damit leben, aber ich empfehle den Autoren, das für Neuauflagen zu überdenken.
Eine weitere "Kritik", nämlich am Buchtitel, setze ich in Anführungszeichen: Das Buch ist zweifellos hervorragend für Projektleiter geeignet - aber längst nicht nur! Es sei denn, man ist sich dessen bewusst, und auch zu dieser Erkenntnis verhilft das Buch, dass man in weit größerem Umfang und weit häufiger als gedacht, Projektleiter in den verschiedensten Lebensbereichen ist. Die Autoren Mlekusch, Krause und Wolf verhelfen bei angenehmer und anregender Lektüre dazu, es nicht nur wesentlich effizienter, sondern auch mit Freude zu sein.
Anselm Rapp
Projektleiter IT-Dokumentation