Das Selbstbild des Projektleiters Der richtige Umgang mit Verantwortung
Das Selbstbild des Projektleiters Der richtige Umgang mit Verantwortung
Karl ist Projektleiter. Die Konfiguration einer Reporting-Schnittstelle wird an einen Entwickler der EDV-Abteilung seiner Firma gegeben, der diese Schnittstelle den Wünschen des Kunden entsprechend anpassen soll.
Der Termin der Fertigstellung rückt näher, und bereits zwei Mal hat Karl nachgefragt und stets die gleiche Antwort erhalten: Ja, die Schnittstelle werde rechtzeitig fertig gestellt. Drei Tage vor dem Bereitstellungstermin der Reporting-Schnittstelle erhält Karl jedoch die Nachricht, dass es Probleme mit der Firewall und dem Web-Server gebe. Man sei noch dabei, das Problem zu analysieren, ein Lösungstermin könne frühestens in zwei Tagen genannt werden, die Konfiguration der Reporting-Schnittstelle ließe sich vorher nicht abschließen.
Karl eskaliert die Verschiebung an den Kunden und seinen eigenen Vorgesetzten, woraufhin er sich mit zwei Vorwürfen konfrontiert sieht. Zum einen hätte er früher wissen sollen, dass der Termin nicht gehalten werde, zum anderen wird nicht akzeptiert, dass er zum momentanen Zeitpunkt keinen Lösungstermin für das Problem nennen kann. Der generelle Vorwurf von Kunde und Vorgesetztem lautet erwartungsgemäß: "Aber Sie sind doch der Projektleiter".’
Karl ist im Zweifel. Hat er korrekt gehandelt? Was wird von ihm erwartet, welche Erwartungen kann und darf er erfüllen?
Der Projektleiter als Instanz mit pauschaler Verantwortung?
Das Selbstbild des Projektleiters ist in der Regel eine Reflektion des Bildes, das andere davon haben. Somit wird der Projektleiter zu einer Instanz, die ganz pauschal für alles verantwortlich gemacht wird, was mit dem Projekt im engeren und weiteren Sinne zu tun hat. Und ebenso pauschal wird ihm auch die gesamte Verantwortung für alles zugesprochen, was in dem Projekt geschah, geschieht und noch geschehen wird. Er wird damit in vollem Umfang verantwortlich für die Erbringung der Leistung, die Einhaltung der Termine, die Qualität der Ergebnisse, das Budget, die Ressourcen und die vielen kleinen und größeren sonstigen Baustellen.
Aber eine solche Sichtweise macht das Arbeitsumfeld des Projektleiters nicht nur schwierig sondern unmöglich. Denn man kann keine Verantwortung übernehmen, wenn man auf den Erfolg oder Misserfolg des verantworteten Gegenstands nicht wesentlichen Einfluss ausüben kann.
Kaum ein Projektleiter wird nun aber von sich behaupten wollen, dass er zum Beispiel mehr Einfluss auf die Geschwindigkeit oder Qualität hat, mit der eine Leistung erbracht wird, als der tatsächliche Leistungserbringer. Das mag in Situationen, in denen der Projektleiter direkte fachliche oder möglicherweise sogar disziplinarische Weisungsbefugnisse besitzt, noch im Bereich des Denkbaren liegen. In den meisten Projekten mit ihren komplizierten Konstellationen von verschiedenen Parteien mit teils nur losen Abhängigkeiten aufgrund von juristisch mehr oder minder verbindlichen Beauftragungen ist dieses aber definitiv nicht der Fall. Das Stichwort in der Literatur lautet hier "Einfluss-Projektorganisation".
Der Projektleiter trägt Verantwortung, darüber besteht kein Zweifel. Es ist aber nicht die, welche ihm gemeinhin zugewiesen wird. Das Selbst- wie auch das Fremdbild des Projektleiters müssen dringend einer Revision unterzogen werden, um diese Diskrepanz zu korrigieren. Das Fremdbild zu verändern ist schwer, hier helfen nur Persönlichkeit, Verhalten und kommunikative Klarheit des Projektleiters weiter. An erster Stelle muss für den Projektleiter daher die Aufgabe stehen, seine Einstellung gegenüber der eigenen Arbeit und dem Gegenstand dieser Arbeit zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Das gleiche gilt für die Verantwortung, die er zu übernehmen und insbesondere für die Verantwortung, die er nicht zu übernehmen hat.
Die Kommunikationsverantwortung des Projektleiters
Kennen Sie den Begriff des Spielertrainers? Damit bezeichnet man Sportler, die gleichzeitig die Mannschaft trainieren, in der sie auch spielen. Das Konzept ist anerkanntermaßen brauchbar in niedrigen Spielklassen, aber es versagt in höheren Ligen, weil hier der Trainer in der Lage sein muss, sich voll und ganz auf die Mannschaft zu konzentrieren, die er trainiert. Nur so kann er genug Zeit und Konzentration aufbringen, um Details zu erkennen, herauszuarbeiten oder zu formen, die ihm als Spielertrainer wahrscheinlich entgangen wären.
Ein Projektleiter nimmt eine ähnliche Position ein. Entspricht er einem Spielertrainer, dann ist er an der Leistungserstellung beteiligt. Er kann in kleinen Projekten bestehen, aber ab einer gewissen Projektgröße muss er sich aus der Leistungserstellung zurückziehen. Ab diesem Moment kommt seine eigentliche Aufgabe voll und ganz zum Tragen, und diese ist mitnichten mit "Planen, Steuern, Reporten" beschrieben. Die wichtigste Aufgabe des Projektleiters ist die Kommunikation, worauf ich mich im Folgenden konzentrieren werde.
Tobias Jeske
22.02.2009