Resilienz im Projektmanagement – Leistung bringen ohne auszubrennen
Resilienz im Projektmanagement – Leistung bringen ohne auszubrennen
Resilienz beschreibt die Widerstandskraft unserer Seele und die Fähigkeit, mit Unsicherheiten, Ängsten, Krisen und Konflikten umzugehen. Je höher die Resilienzfähigkeit ist, umso besser kann man Rückschläge verkraften und sich nach Enttäuschungen wieder selbst motivieren. Resilienzfähigkeiten zu entwickeln und zu fördern steht deshalb ganz oben auf der Agenda von Personalverantwortlichen. Zu hoch sind die Zahlen an langen Krankenständen bzw. Totalausfällen und den damit verbundenen Projektmanagement-Risiken. Die Fähigkeit, eine hohe Resilienz selbst auszubilden, um sich vor permanenter Überforderung bis hin zum körperlichen Zusammenbruch und Burnout zu schützen, liegen in der eigenen Persönlichkeit, lassen sich jedoch auch erlernen und coachen.
Welche Faktoren machen einen resilienten Projektleiter aus? Wie kann er seine eigene Resilienz einschätzen und beurteilen (Resilienzbilanz)? Und vor allem: Wie kann er seine eigene Resilienz auch in anspruchsvoller Projektumgebung stärken? Dieser Beitrag bietet Hilfe zur Selbsthilfe – für alle, die es gar nicht erst so weit kommen lassen möchten. Sie erfahren, was Resilienz ausmacht und warum diese gerade im Projektmanagement von großer Bedeutung ist. Machen Sie einen Selbsttest und erfahren Sie, an welchen Hebeln Sie ansetzen müssen, um die eigene Resilienz zu stärken.
Wer ausbrennt, muss gelodert haben
Als Projektleiter Dietmar H. (48) vor 15 Jahren in einem internationalen Versicherungskonzern die Leitung seines ersten Projekts übernehmen durfte, war er stolz darauf, die ersten Früchte seiner zuvor sorgfältig geplanten Karriere ernten zu können. Schließlich verfügte er über herausragende fachliche sowie organisatorische Fähigkeiten, hatte bereits erste Führungserfahrung und wurde von seinen Vorgesetzten als kommunikationsstarker Teamplayer gesehen. Im Ausland verstand er es bestens, in Teilprojekten unterschiedlichste Stakeholder-Interessen zu managen und Change-Prozesse verantwortungsbewusst zu steuern. Die Übertragung der neuen Herausforderung war damit aus seiner Sicht mehr als gerechtfertigt. Es folgten viele weitere Einsätze als Projektleiter im In- und Ausland. Er brannte für seinen Job.
Seit einem Jahr etwa ist von dem damaligen Glücksgefühl über seine ersten Erfolge nicht mehr viel übrig. Konzentrationsschwäche, Herzrasen, ständige Rückenverspannungen, permanente Müdigkeit und so manch schlaflose Nacht machen ihn leicht reizbar und lassen ihn immer häufiger emotional überreagieren – auch zuhause. Wann war er das letzte Mal mit seinem besten Freund auf ein Bier? Er weiß es selbst nicht mehr so genau, außer dass dieser Zustand ihn zunehmend unzufriedener macht.
Am meisten plagt ihn jedoch diese Angst, Projektziele nicht mehr oder nur ungenügend zu erreichen. Sein innerer Gemütszustand ist auch bereits seinem Vorgesetzten aufgefallen, der ihn nach einem Meeting auf eine gereizte Antwort gegenüber einem Kollegen angesprochen hat: "Na, wohl etwas dünnhäutig geworden. Ist bei Ihnen alles okay?", hat er ihn im Anschluss gefragt und prüfend angesehen.
"Nur noch vier Monate durchhalten, dann wird es besser", so das tägliche Mantra von Dietmar H. – innerlich bereits realisierend, wie selbsttrügerisch diese Gedanken sind. Ein Blick auf den Terminkalender: Zeit für das nächste Meeting und er weiß, dass das Teilprojekt … dringend seine Entscheidung braucht. Sein Magen meldet sich auch schon wieder. Unmutig macht er sich auf den Weg zum Konferenzraum, wissend, dass das Tagespensum, das er sich vorgenommen hat, ohnehin nicht zu bewältigen ist.
Jahrelange Wochenarbeitszeiten von 50 Stunden und mehr, eng getaktete Termine, viele Auslandsreisen, Erwartungsdruck von Vorgesetzten und seinem Team; der Balanceakt zwischen knappen Ressourcen und engen Zielvorgaben haben Dietmar H. zunehmend ausgebrannt. Der einst so hochmotivierte Jung-Projektleiter spürt nur noch selten etwas von seiner früheren Leistungskraft, Begeisterung und Energie.
Dietmar H. steht stellvertretend für viele Projektmanager, die chronisch überlastet bzw. überfordert sind.
Resilienz – unausgeschöpfter Wertschöpfungsfaktor im Projektmanagement
Resilienz befähigt die Menschen, sich trotz großer Probleme selbst zu motivieren, auch dann, wenn es an persönlicher Identifikation mit der Aufgabe und dem Umfeld fehlt. Diese psychologische Widerstandskraft ist zum Teil angeboren, zum Teil Resultat der frühkindlichen Entwicklung. Sie kann aber auch erlernt und aktiv von uns beeinflusst werden. Beispielsweise in dem wir dazu bereit sind, unsere erfolgsverhindernden Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen. Diese zu durchbrechen, Probleme aus neuen Perspektiven zu betrachten und zu einer neuen Einstellung zu kommen, ist das Ziel, um die eigene Resilienz zu stärken. Da viele dieser Denk- und Verhaltensmuster ein Leben lang erlernt wurden und damit tief in uns verwurzelt sind, nimmt ein solcher Veränderungsprozess mindestens sechs Monate in Anspruch. Erst dann ist eine nachhaltige Verbesserung der persönlichen Resilienz zu beobachten.
Dietmar H. hat sich beispielsweise als Kind immer wieder anhören dürfen, dass er zwar stets Glück hat, ihm aber jegliches Talent fehlt. Im Laufe der Jahre hat er diese Aussage als Tatsache hingenommen und sich selbst gesagt, dass er eigentlich nichts kann – und dieses Manko durch großen Ehrgeiz und viel Arbeit wettzumachen versucht. Nun sieht er, dass er das Tempo nicht mehr halten kann und hat Angst, dass seine – scheinbare – Unfähigkeit ans Tageslicht kommt. Die bisherigen Erfolge? Glück, nichts weiter. Und diese Glückssträhne scheint gerade zu reißen.
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Wolfgang Figura
21.05.2014