Mitarbeitermotivation: Nur teures Wunschdenken?
Mitarbeitermotivation: Nur teures Wunschdenken?
"Sinn kann von niemandem gegeben werden. Jeder muss ihn selbst suchen."
(Fredmund Malik, nach Viktor Frankl)
Psycho-Tricks, ausgefeilte Incentivesysteme, großzügige Belohnungen. Mit der Aufgabe, sich Leistungs-anreize für lustlose Mitarbeiter auszudenken, befassen sich ganze Abteilungen. Säckeweise Geld wird für Managerreisen zum Überlebenstraining im südamerikanischen Urwald ausgegeben. Skiwandern in Skandinavien soll das Gemeinschaftsgefühl stärken, neue Kraft für bevorstehende Deals verleihen und natürlich Solidarität und Verpflichtungsgefühl gegenüber der Firma schaffen. Sie selbst haben bestimmt auch schon einmal solche "Zuckerl" bekommen oder an Ihre Mitarbeiter vergeben.
Doch was helfen solche Aktionen, mit wieviel neuem Schwung kehren die so angetriebenen Mitarbeiter ins Büro zurück? Wie lange hält diese künstlich gezüchtete Begeisterung an? Die Bilanz des Unternehmens-beraters und erfolgreichen Buchautors Reinhard K. Sprenger: Alles zwecklos. In seinem Buch "Mythos Motivation" zitiert Sprenger den Harvard-Professor Alfie Kohn: "Es gibt keine Studie weltweit, die eine dauerhafte Leistungssteigerung durch Anreizsysteme nachgewiesen hätte."
Der Kern menschlicher Motivation liegt an ganz anderer Stelle: In der Suche nach dem Sinn. Den kann nur sehen, wer sein Ziel selbst (mit-)bestimmen durfte. Dazu dienen Zielvereinbarungen.
Der schlimmste Fall: Motivieren heißt Demotivieren
Sind solche Motivationsanreize im Grunde nichts anderes als eine Art Bestechung? Jedenfalls sind sie der Versuch, einen Menschen zu manipulieren. Sicher nehmen Ihre Mitarbeiter Prämien oder Dienstwägen gerne an, oder? Und Sie als Führungskraft sagen wohl auch nicht "Nein" zu Anreizen dieser Art. Doch ein anhaltender positiver Effekt auf die langfristige Einstellung von Mitarbeitern zu ihrer Arbeit ist fraglich.
Endlose Reizspirale
Ausgeklügelte Techniken, den Mitarbeitern Beine zu machen, können eine Kette an unerwünschten Folgen nach sich ziehen: immer höhere Reizniveaus sind nötig, um bei den mehr und mehr abstumpfenden Mitarbeitern noch einen Motivationsschub zu bewirken. Das Streben nach Belohnung wird zur Sucht. Solange der Chef keine Gehaltserhöhung in Aussicht stellt, verliert sich das Team in Passivität. Es macht Dienst nach Vorschrift, die Qualität der Arbeit leidet, neue Ideen haben Seltenheitswert.
Quantität sticht Qualität aus
Klar: Wer keine Lust hat, seinen Kreativitätsmotor anzuwerfen, aber auch nicht so untätig herumsitzen will, dass es auffällt, der muss sich anderweitig beschäftigen. In diesem Falle sind Arbeiten gefragt, die viel offensichtlichen Output erzeugen – zum Beispiel möglichst viele Seiten Doku für ein nur kleines Projekt, mehrere sinnlose Designentwürfe, die sich voneinander kaum unterscheiden. Auf diese Art und Weise schlägt im schlimmsten Fall ein demotiviertes Team seine Zeit so lange tot, bis ein neues Incentive es aus seiner Lethargie reißt.
Sprenger benutzt ein Kohn-Zitat, um diesen einfachen, aber allzu menschlichen Mechanismus zu beschreiben: "Je mehr Menschen über Belohnungen nachdenken, desto mehr bevorzugen sie leichte, kurzfristig lösbare und tendenziell quantitative Aufgaben. Kreativität und Qualität bleiben auf der Strecke."
Nebenwirkungen unbekannt
Als "Nebenwirkungen" bekommen wohlmeinend belohnende Chefs oftmals auch noch zwischenmenschliche Probleme serviert, die das Arbeitsklima vergiften. Zu kurz gekommene Mitarbeiter fühlen sich in der neuesten Runde der Gehaltsanhebungen benachteiligt, Neid kommt auf. "Wieso verdient Kollege Meier einen Tausender mehr als ich, der ist doch erst seit kurzem hier? Warum kriegt der Schmidt ein Navigationssystem ins Firmenauto und ich nicht?"
Neid, Missgunst und ein fragwürdiges Betriebsklima – und das alles, obwohl mit keiner Methode messbar ist, ob Geld wirklich neue Ideen bringt. Optimistische Chefs gehen genau davon aus, denn Geld braucht nun mal jeder. Je mehr, desto besser. Doch wie kann Geschäftsführer Müller herausfinden, ob Mitarbeiter Klotz ein, zwei Ideen mehr gehabt hätte, wenn er den Firmenwagen schon im letzten Monat gehabt hätte?