Der Projektleiter – einsamer Macher oder Teamplayer?
Der Projektleiter – einsamer Macher oder Teamplayer?
Arbeiten bis zum Umfallen: Das Burn-out-Syndrom dezimiert Jahr für Jahr die Reihen der Manager in Projekt und Linie - ein wirtschaftliches Fiasko für die Unternehmen. Das Gegenmittel heißt Delegieren und den Mitabeitern Gestaltungsspielräume gewähren. Doch die Tugenden, die heute von (Projekt-)Managern gefordert werden, sind nicht die von Teamplayern. Im vorliegenden Beitrag wird erklärt, woher das klassische (Selbst-)Bild des (Projekt-)Managers kommt. Anschließend wird ein alternatives Rollenmodell vorgestellt: der Manager als Teamplayer und Schnittstellenmanager.
Montagmorgen...
Montagmorgen, 6.30 Uhr. Der Projektleiter betritt als erster das Großraumbüro, in dem er und das Kernteam seines Projekts ihre Arbeitsplätze haben. Ein Blick in seinen Kalender sagt ihm, dass er auch heute wieder nicht vor 19 Uhr aus dem Büro kommen wird. Dabei fühlt er sich schon jetzt müde und abgeschlagen. Das ganze Wochenende hat er an einer Präsentation gearbeitet, die er heute vor einem hochkarätigen Gremium eines wichtigen Stakeholders halten muss. Er stellt darin technische Details des Projektergebnisses dar, und es hat ihn viel Zeit gekostet, sich wieder in die Materie einzuarbeiten.
Unter der übermenschlichen Arbeitsbelastung leidet er, seit er vor 18 Monaten die Leitung des Projekts übernommen hat. Seine fachlichen Leistungen als Ingenieur haben ihn für diese Position qualifiziert. Natürlich gab es seit Projektbeginn - abgesehen von einer Woche über Weihnachten - auch keinen Urlaub und kaum ein Wochenende, an dem er keine Arbeit mit nach Hause genommen hat.
Wenn schon er als "kleiner Projektleiter" in Arbeit versinkt, wie bewältigen dann nur die Topmanager wie Jack Welch ihr Tagespensum? Deren Erfolgsrezept ist doch ständige Präsenz, harte Arbeit und technisches Detailwissen, oder? Bei diesem Gedanken fühlt er sich müde, unendlich müde - und es ist erst Montag, und das Projekt dauert noch ein Jahr...
Stress - bei Projektleitern weit verbreitet
Viele Projektleiter sind überarbeitet, sie leiden unter Termindruck, vollen Kalendern und Massen von E-Mails. Zusätzlichen Stress bereitet die an sich selbst gestellte oder in der Firmenkultur verankerte Anforderung, immer über alle technischen Details so weit im Bilde sein zu müssen, dass sie ihren Projektmitarbeitern sagen können, "wo es lang geht". Ihre Rollenvorbilder sind dieselben wie die von Führungskräften in der Linie: die berühmten Manager großer Konzerne, über die in den Wirtschaftszeitschriften berichtet wird, und die Übermenschliches zu leisten scheinen. Natürlich gibt es Ausnahme-Manager. Deren Leistungen und Pensen dürfen allerdings nicht zum allgemeinen Standard erhoben werden. Nur die wenigsten Manager können ein Leben lang so "ackern" und dabei so fit und gesund bleiben wie diese legendären Vorbilder. Stellt man diesen Anspruch trotzdem, wird das Ideal bald zur gefährlichen Last.
Hier stellt sich die Frage, ob es nicht ein menschlicheres Modell für Manager gibt, das es dennoch erlaubt, Projekte und Unternehmen erfolgreich zu leiten. Ein Modell, dem auch ein durchschnittlich begabter Mensch genügen kann, und das es ermöglicht, ein Leben außerhalb des Unternehmens oder des Projekts zu führen.
Gefährliches Vorbild
Das aktuelle Selbstbild der Manager liegt begründet in den Gedanken des amerikanischen Wirtschaftsphilosophen Frederick W. Taylor (1856 bis 1915). Seine größte und nach wie vor bemerkenswerte Gedankenleistung, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig geprägt hat, war die Trennung der Planung von der Ausführung der Arbeit. Diese Idee ermöglichte die Arbeitsteilung als Organisationsform zum rationellen Einsatz von Menschen im Produktionsprozess. Arbeitsgänge wurden automatisiert, sodass auch ungelernte Arbeiter schnell Spezialisten für kleinste Tätigkeits-schritte werden konnten. Auf dieser Grundlage erfand Henry Ford die Fließbandproduktion von Autos.
Taylor betrachtet den Menschen als eine trainierbare Maschine und geht davon aus, dass eine Person auf einen bestimmten Reiz immer eine bestimmte Reaktion zeigt. Den Arbeitern spricht Taylor die Fähigkeit ab, selbst organisatorische Aufgaben zu übernehmen. Körperlich arbeitende Menschen seien nur in einer streng reglementierten Struktur fähig, produktiv tätig zu sein. Taylors System hat jedoch eine wesentliche Schwäche: Es wirkt auf die Arbeiter demotivierend. Sie haben keine Möglichkeit, ihr Arbeitsumfeld selbst zu gestalten, sie klagen über stumpfsinnige, langweilige Arbeit, ihre Leistung bleibt weit hinter dem Möglichen zurück und sie verlieren jede Motivation außer derjenigen, ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Dieses Problem wurde in der Automobilindustrie, die lange Erfahrung mit Taylors Arbeitsmodell hat, bereits erkannt: Viele Unternehmen führten in der Produktion Gruppenarbeit ein. Die Arbeiter erfüllen in einem rollierenden System unterschiedliche Aufgaben und lernen auf diese Weise einen größeren Ausschnitt aus dem Produktionsprozess kennen. Innerhalb der Gruppen haben die Arbeiter oft einen relativ großen Gestaltungsspielraum. Die Unternehmen, die ihre Arbeitsweise derart umgestellt haben, sind am Markt erfolgreich.
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Uwe Sieß
03.12.2014