Der Projektleiter – ein idealer Burnout-Kandidat
Eigentlich scheint die Arbeit von Projektleitern ideal zu sein: Losgelöst von den starren Begrenzungen der Linie verfügen sie über einen hohen Gestaltungsspielraum. Kombiniert mit ihrer meist ausgeprägten Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft können sie die Herausforderungen ihrer Arbeit erfolgreich meistern. Doch leider ist dies nur die eine Seite der Medaille: Denn die genannten Faktoren bergen gleichzeitig die Gefahr einer psychischen Überlastung. Warum das so ist und welche Persönlichkeitsmerkmale sowie typischen Eigenschaften des Projektumfelds dafür verantwortlich sind, zeigen Dr. Frank Lüschow und Elke Zitzke im ersten Teil dieses Beitrags.
Management Summary
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Der Projektleiter – ein idealer Burnout-Kandidat
Eigentlich scheint die Arbeit von Projektleitern ideal zu sein: Losgelöst von den starren Begrenzungen der Linie verfügen sie über einen hohen Gestaltungsspielraum. Kombiniert mit ihrer meist ausgeprägten Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft können sie die Herausforderungen ihrer Arbeit erfolgreich meistern. Doch leider ist dies nur die eine Seite der Medaille: Denn die genannten Faktoren bergen gleichzeitig die Gefahr einer psychischen Überlastung. Warum das so ist und welche Persönlichkeitsmerkmale sowie typischen Eigenschaften des Projektumfelds dafür verantwortlich sind, zeigen Dr. Frank Lüschow und Elke Zitzke im ersten Teil dieses Beitrags.
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Die Anforderungen im Berufsleben steigen stetig: Weniger Personal für mehr Arbeit, zunehmende Verantwortlichkeiten für den Einzelnen, immer komplexere und unübersichtlichere Problemstellungen. Die damit verbundenen steigenden Belastungen wirken sich zwangsläufig auf das Befinden der Betroffenen aus.
Strukturen geben Halt
Menschen, die in den geordneten Zusammenhängen der Linienorganisation arbeiten, leiden vielleicht unter der steigenden Arbeitsmenge, der Fremdbestimmung oder dem Führungsstil ihres unmittelbaren Vorgesetzten. Die strukturierte Organisation mit geregelten Verantwortlichkeiten und vorgegebenen Kommunikationswegen entlastet sie jedoch auch gleichzeitig. Selbst wenn die Strukturen nicht immer gut funktionieren und die geringe Flexibilität der Linie die Kreativität sowie effiziente Problemlösungsprozesse oft einschränkt, bieten strukturierte Abläufe durch ihre Vorhersagbarkeit vielen Menschen Stabilität – und damit die Basis, Ängste zu reduzieren, sich einigermaßen sicher zu fühlen und im Kollektiv arbeitsfähig zu sein.
Für Projektleiter stellt sich die Situation etwas anders dar: Sie treten aus den klaren Strukturen der Linie heraus (schließlich trägt das zum Reiz ihrer Arbeit bei) und übernehmen deutlich mehr Verantwortung. Auch das Maß an Eigenorganisation ist in ihrer Position höher: Sie müssen ihr Projekt strukturieren, Kommunikationswege einrichten sowie eine Projektkultur entwickeln, in der die Mitarbeiter zu einem funktionsfähigen Team zusammenwachsen, das trotz zwangsläufig auftretender interner und externer Konflikte die gesetzten Ziele erreicht. Projektleiter können sich dabei auf keine bestehenden Strukturen stützen, die sie bei Bedarf auffangen oder auch als Sündenbock herhalten können – sie sind für alle genannten Aufgaben selbst verantwortlich.
Unter diesen Bedingungen kommt dem persönlichen Selbstmanagement eine besondere Rolle zu, um das psychische Gleichgewicht trotz der Unwägbarkeiten stabil zu halten. Für viele Projektleiter ist das jedoch genau der Knackpunkt – denn an ihre innere Balance verschwenden sie oft keinen einzigen Gedanken. Die Folgen sind oft extreme psychische Be- und Überlastung bis hin zum Burnout.
Bis zum Limit
Es gibt unseres Wissens keine gesicherten Zahlen zur psychischen Überlastung bei Projektleitern. Die (vertraulichen) Informationen, die wir im Rahmen von Führungskräfte- und Projektleiter-Coachings erhalten, belegen jedoch, dass die Anzahl der Betroffenen erheblich ist. Diese Projektleiter arbeiten über längere Zeit am Limit, gehen darüber hinaus und brechen im Extremfall schließlich psychisch zusammen.
Exemplarisch hier zwei Beispiele:
- Der Projektleiter, der bei einer Auslandstochter eines Energieversorgers die Konzern-IT implementieren soll und im Anschluss an eine völlig aus dem Ruder gelaufene Sitzung der Steuerungsgruppe zusammenbricht und für zunächst sechs Monate krankgeschrieben wird.
- Der Leiter eines zentralen Entwicklungsprojekts in einem mittelständischen Unternehmen, bei dem sich der Gedanke "alle arbeiten gegen mich und mein Projekt" (Auslöser waren Abteilungsleiter, die eingeplante personelle Ressourcen immer wieder in Frage stellten und verzögerten) zu einer Wahrnehmungs- und Handlungsblockade verfestigt hat.
Auch wenn es sich bei diesen Beispielen um Extremfälle handelt, bestätigen uns auch Kollegen immer wieder ähnliche, wenn auch weniger gravierende Fälle.
Einflussfaktoren für eine psychische Überlastung
Um zu verstehen, warum die Gefahr einer psychischen Überlastung gerade für Projektleiter besonders hoch ist, muss man die Einflussfaktoren näher untersuchen. Wir verwenden hier bewusst den Begriff der "psychischen Belastung" bzw. der "psychischen Überlastung", um zu signalisieren, dass wir uns im Vorfeld einer Erkrankung bewegen und es hier nicht um psychische Krankheitsbilder geht, wie sie z.B. die "International Classification of Diseases-10" (ICD-10) der WHO definiert.
Eine psychische Überlastung entsteht nach gängiger Meinung, wenn
- personengebundene Voraussetzungen (persönliche Dispositionen) und
- äußere Einflussfaktoren,
in eine ungünstige Wechselwirkung miteinander treten (vgl.: Burisch, 2011).
M. Taake
05.10.2011
Was mir noch fehlt, ist eine Betrachtung der äusseren Umständen in einem Bezug: Selbst wenn man als PL die notwendigen sozialen Kompetenzen haben mag, eher auf Kooperation zu bauen denn auf Autokratie, gibt es doch immer eine Umwelt, die einen dazu auffordert "Den Druck aufrecht zu erhalten". Das führt im richtigen Leben zu PLs, die eigentlich alles richtig machen könnten, aber durch das Aussen schlicht in die Sinnlosiglkeit von Anweisungen getrieben werden und die keine Möglichkeiten mehr haben, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Daraus ergibt sich eine Schwächung der Position des PLs gegenüber dem Projekt, da er "offensichtlichen" Unsinn fordert und selbst kaum in der Lage ist, diesen Unsinn sinnvoll zu erklären ...
Die Folgen haben sie oben ja eindringlich beschrieben.
Das eigentliche Problem dabei besteht dabei darin, dass von einer Seite Loyalität eingefordert wird, die von der Projekt Seite ebenso erwartet wird. Wir gross müssen die Menschen sein, die diesen Spagat tatsächlich brücken können?
Ich jedenfalls ziehe es mittlerweile vor "das Projekt zu sein" und mir im Zweifel von allen Seiten vorwerfen zu lassen "Ich solle mir gut überlegen auf welcher Seite ich stehe!" ... aber das nur am Rande.
Burnout eines PLs (und damit einhergehend die Eskalation eines Projektes, was den Burnout wiederum wahrscheinlicher macht ...) ist eben nicht die Menge an Arbeit, es ist eben doch die Unfähigkeit des Umfeldes den Gestaltungsspielraum _tatsächlich_ zu überlassen und nicht bloss zum Schein.
Danke für diesen guten Artikel!
P. Hoffmann
12.10.2011