Selbstorganisation falsch verstanden Teamaufgaben? Bloß nicht!

Teamaufgaben? Nein danke!

Immer wieder hören wir den Wunsch nach Teamaufgaben in unserer Software. Wie toll es doch wäre, wenn man eine Aufgabe nicht nur einer Person als Ressource zuweisen könnte, sondern einem ganzen Team. Das würde sich dann selbst organisieren – denn das Team arbeitet ja agil – und erfolgreich kollaborieren, schließlich entstehen durch Zusammenarbeit die besten Ergebnisse.

Selbstorganisation falsch verstanden Teamaufgaben? Bloß nicht!

Teamaufgaben? Nein danke!

Immer wieder hören wir den Wunsch nach Teamaufgaben in unserer Software. Wie toll es doch wäre, wenn man eine Aufgabe nicht nur einer Person als Ressource zuweisen könnte, sondern einem ganzen Team. Das würde sich dann selbst organisieren – denn das Team arbeitet ja agil – und erfolgreich kollaborieren, schließlich entstehen durch Zusammenarbeit die besten Ergebnisse.

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So die Idee. Oder besser gesagt: die Wahnvorstellung. Lassen Sie mich Ihnen drei Gründe erläutern, warum Teamaufgaben keine gute Idee für die erfolgreiche Zusammenarbeit in Projekten sind.

1. Einer ist immer der Dumme

Zumindest gefühlt bleiben am Ende 90% der Arbeit an ein oder zwei Personen hängen. Denn im Schutz der Gruppe kann man sich leicht vor Verantwortung drücken. Schließlich hat man ja den engagierten Herrn Maier oder die tüchtige Frau Schmidt im Team, die das schon machen werden. Die wollen sich schließlich nicht die Blöße geben und so profitiert der Rest des Teams vom Engagement Einzelner.

Das hat massive Auswirkungen auf die Motivation und die Zufriedenheit dieser engagierten Mitarbeiter, die über kurz oder lang entweder rebellieren oder sich beim Vorgesetzten beschweren. Bis sich etwas ändert, leidet die Produktivität und vom Teamzusammenhalt dürfte danach auch nicht mehr viel übrig sein.

Das kennen viele auch aus ihrem Privatleben. Wie oft hört man von Paaren, sie würden sich den Haushalt, die Kinder und das Gassi gehen ganz gerecht 50/50 teilen. Wenn Sie dazu gehören, haben Sie jetzt entweder leicht verbittert aufgelacht oder heftig genickt und sich selbst gelobt, weil sie so viel mithelfen. In der Realität funktioniert das nur, wenn einzelnen Aufgaben genau zugeteilt wird, einer z.B. die Wohnung saugt und der andere das Bad putzt.

Denn wir alle haben einen Kompass für Fairness, der jedoch deutlich subjektiv kalibriert ist: die eigene Leistung überhöhen wir und beim Vergleich vergessen wir häufig die ein oder andere Arbeit, die der andere erledigt hat. Daher tun wir gefühlt alle mehr als unsere Teamkollegen. Klarheit schafft hier nur eine eindeutige Zuweisung von Aufgaben.

2. Teamaufgaben offenbaren die fehlende Stärke des Projektleiters

Erinnern Sie sich noch an Gruppenarbeiten während Ihrer Schulzeit, Ausbildung oder des Studiums? Mir waren diese immer ein Graus, weil bis zur Abgabe totales Chaos herrschte und das Ergebnis schlecht war. Diejenigen, die sich ins Zeug gelegt hatten, bekamen die gleiche Note wie jene, die sich einfach dranhängten: meistens war das eine Drei. Mittelmaß. Zufriedenstellend, aber mehr auch nicht.

Der größte Gewinner bei Gruppenarbeiten war die Lehrkraft, weil der Korrigieraufwand erheblich geringer war. Umgemünzt auf ein Projekt offenbart der Wunsch nach Teamaufgaben Schwächen bei der Projektleitung:

  • Die Scheu, klare Anweisungen zu geben und ggf. einem Teammitglied eine Aufgabe zuzuweisen, die schwierig, undankbar oder auch karrierefördernd ist (was Neid hervorrufen könnte).
  • Ein mangelnder Überblick, welche Teilschritte notwendig sind. Es ist einfacher, eine grob umrissene "Teamaufgabe" zuzuweisen, als diese in klar definierte Einzelschritte zu zerlegen.

3. Teamaufgaben führen zum WYSIATI-Effekt

WYSIATI steht für den englischen Ausdruck "What you see is all there is", den der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann geprägt hat. Er beschreibt die Tatsache, dass wir Menschen dazu neigen, aus den uns zur Verfügung stehenden Informationen (und kombiniert mit unseren Erfahrungen) die einfachste und für uns plausibelste Geschichte zu konstruieren.

Wenn ein Projekt, das über Teamaufgaben organisiert wird, in Schieflage gerät, sehen zwar alle, dass ihnen die Zeit davonläuft. Aber aufgrund unklarer Zuständigkeit sowie meist ungenau definierten Aufgaben ist nicht ersichtlich, wo genau angesetzt werden kann. Man sieht lediglich einen Berg von Arbeit, die nicht rechtzeitig erledigt werden kann.

Da liegt es nahe, nach mehr Ressourcen zu verlangen. Denn was das Team sieht – zu wenig Zeit, um mit den zur Verfügung stehenden Personen die Arbeit zu schaffen – ist alles, was es sehen kann. Für eine genauere Analyse fehlen die Informationen. Aber mehr Ressourcen bedeutet höhere Kosten – und schon ist man nicht nur über Termin, sondern auch über Budget.

Schlimmer noch: Auch für zukünftige ähnliche Projekte liefert dies keine brauchbaren Erfahrungswerte. Alles was man sieht ist, dass mit der Anzahl an Personen die Aufgaben zum erfolgreichen Projektabschluss nicht erledigt werden konnten.

Fazit: Teamaufgaben? Nein! Teamziele? Unbedingt!

Es besteht ein Unterschied zwischen einer Teamaufgabe – jeder arbeitet an derselben Aufgabenstellung, und einem Teamziel. Ziele für ein Team zu definieren ist selbstverständlich sinnvoll und eigentlich das Kernstück jeden Projekts (siehe dazu meinen Erfahrungsbericht zur Arbeit mit Objektives and Key Results).

Deshalb haken wir bei Kunden nach, die einem Team eine Aufgabe zuweisen möchten, und fragen genau, was für ein Ziel mit dieser Aufgabe erreicht werden soll. Es stellt sich häufig heraus, dass die vermeintliche Aufgabe eigentlich eine Projektphase ist. Nicht selten ist die Teamaufgabe sogar ein komplettes Projekt. Im Gespräch kristallisieren sich dann zu dem Teamziel die Phasen heraus, die es auf dem Weg zur Erreichung zu durchschreiten gilt, und davon abgeleitet einzelne, klar umrissene Aufgaben, die dann einzelnen Teammitgliedern zugewiesen werden können. 

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Alle Kommentare (3)

Godela
Tönnies

Einfach über den Zaun schmeissen.... so hört sich das Thema für mich an. Das funktioniert nicht.
Teams können sehr produktiv sein, wenn man den Rahmen dafür setzt, priorisiert und den Sinn der Aufgaben erklärt.
Ausserdem sind die oben beschriebenen Teams m.E. Gruppen. Gruppen haben kein gemeinsames Ziel. Entsprechend fühlen sich auch die Gruppenmitglieder nicht verantwortlich.
Etc, etc.
Meiner Meinung nach ist der Artikel gegen Agilität, geschrieben von einem Autor, der Agilität als Methode versteht. Das dazugehörige Mindset, die Menschen und ihre Motivationen werden hier völlig aussen vor gelassen.
Eine Gruppe wird auch durch Teamziele nicht ein Team. Da braucht es schon noch etwas mehr.

Oliver
Mann

Der Schluss-Absatz rückt alles wieder in ein besseres Licht. Wirklich erhellend war er nicht und bezieht gewiss aus gut gemeintem Grund eigene Erfahrungen mit ein. Aber systemisch betrachtet müsste man sagen: Man muss sich selbst immer als Teil des Systems betrachten. Und das gehört hier nicht hin und darf nicht verallgemeinert werden.

Natürlich kann man eingespielten Teams Aufgaben zuteilen. Im agilen Kontext würden sich die Teams diese gar selbst zuteilen und durchaus selbstständig in einer Form zuweisen, wie es ihren Kompetenzen entspricht. Zu hinterfragen "Warum braucht es das?" "Was ist dann besser?" gehört dazu. Smarte Gruppen und Teams wollen Wert schaffen. Keine Verschwendung.

Manchmal aber gibt es Themen, zu denen es noch gar keine klaren Ziele/Vorteile/Wertvorstellungen gibt.
Und dann ist der Weg das Ziel. Gerade in komplexen Umgebungen ist das häufig so ... darum wird man stetig Ideen generieren und Versuche wagen und diese in die Umsetzung bringen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Basierend auf diesen Erkenntnissen lassen sich gute Ideen vertiefen, anpassen oder verwerfen. Und so durch regelmäßige PDCA-Zyklen aus dem Nicht-Wissen=Risiko sinn- und wertvolle Themen, Ziele, Aufgaben generieren.

Kerry
Walder

Ich schließe mich dem vorherigem Kommentar an, dass der Artikel durch den letzten Absatz in ein etwas besseres Licht gerückt wird.
Dennoch ordne ich den Artikel einer überholten Denkweise zu.

Meines Erachtens sind Gefühle ein schlechter Berater für eine objektive Analyse / Betrachtung (siehe "Zumindest gefühlt bleiben am Ende 90% der Arbeit an ein oder zwei Personen hängen."). Zumal, wie hier im Kommentarbereich bereits erläutert wurde, eine Gruppe von Menschen nicht automatisch ein Team darstellt.

Anstatt "einfach" Aufgaben klar zuzuweisen und somit an der Leistungsfähigkeit des Einzelnen, als auch der Gesamtleistung, nichts zu verändern, ist hier ein entsprechendes Coaching und die Bildung eines hochperformanten Teams weitaus zielführender (als auch Nachhaltiger).

Des Weiteren ist es für mich nicht nachvollziehbar, wie man immer noch der Auffassung sein kann, dass eine einzelne Person (hier der Projektleiter) die Kompetenz besitzen soll, jegliche Entscheidungen besser treffen zu können als jene Experten, die in einem Team vertreten sind und oft weit tiefer mit einer konkreten Thematik vertraut sind.

Auch ein künstlich herbeigeführter Zusammenhang (Wenn ein Projekt, das über Teamaufgaben organisiert wird, in Schieflage gerät, [...] ungenau definierten Aufgaben ist nicht ersichtlich, wo genau angesetzt werden kann).
Mir erschließt sich nicht, wie durch eine Zuordnung von Aufgaben, diese klarer werden. Hier ist die Ursache eine andere. In einer solchen Situation nach dem "Chinesen-Prinzip" zu greifen ist die denkbar schlechteste Verfahrensweise und sollte in der Freistellung des Projektleiters münden.

Aussagen wie "In der Realität funktioniert das nur, wenn einzelnen Aufgaben genau zugeteilt wird" sind schlichtweg falsch und bescheinigen der Autorin, dass sie in einem tatsächlich agilen Umfeld noch keine Erfahrung sammeln durfte.

Nicht immer und nicht in allen Bereichen macht eine agile Vorgehensweise und die Selbstorganisation von Teams Sinn. Eine pauschale Herabwürdigung dieses Ansatzes und dessen Mindset führt, meiner Einschätzung nach, zu einer zwangsläufigen Verdrängung am Markt - und das ist gut so.