Nachgewiesene Projektmanagement-Kompetenz wird heute in vielen Berufen verlangt oder ist zumindest ein Plus im Lebenslauf. Dies gilt umso mehr, wenn das Know-how von einem der großen Zertifizierer für Projektmanagement kommt, denn diese stehen für ein klar definiertes Verständnis von Projektmanagement sowie einheitliche und dokumentierte Inhalte. Wer ein entsprechendes Zertifikat besitzt, hat einen anerkannten Beleg für die Kenntnis bestimmter Philosophien, Methoden, Begrifflichkeiten und Lösungsansätze. Die höheren Zertifizierungsebenen erfordern zum Teil zusätzliche Nachweise für eigene Projekterfahrung.
Dabei haben sich über Jahrzehnte hinweg drei Organisationen und Standards am Markt durchgesetzt, und dies weltweit: IPMA®, PMI® und AXELOS (PRINCE2®). Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Angebote dieser drei Institutionen und zeigt, wie die Verbände agile Vorgehensweisen und Zertifizierungen in ihre Angebote integrieren.
Die Zertifizierungskonzepte der drei großen Anbieter
Mit dem rasanten und weltweiten Bedeutungsgewinn der Disziplin Projektmanagement sind auch die drei Organisationen IPMA, PMI und AXELOS gewachsen und haben sich im Bereich Projektmanagement als führende Größen etabliert. Über sie haben sich Projektmanagerinnen und Projektmanager organisiert und ihre Verfahren, Methoden sowie Tools dokumentiert und weiterentwickelt. Dazu gehörte das Festlegen einer einheitlichen, dokumentierten Fachsprache, um Konflikte durch unterschiedliche Begriffsverständnisse zu vermeiden. Auf Basis dieses Wissens haben sie schließlich Standards entwickelt. Entsprechende Zertifikate belegen das Vorhandensein der erforderlichen Kompetenzen. Aus rechtlichen Gründen wurden für Prüfungen und Ausstellung der Zertifikate in manchen Ländern formell eigenständige Zertifizierungsstellen etabliert.
Zertifizierungspfade mit mehreren Leveln
Grundsätzlich bieten alle drei großen Anbieter aufeinander aufbauende Zertifizierungslevel an. Die jeweils erste Stufe wendet sich an Einsteigerinnen und Einsteiger, wobei die Zertifizierungen von IPMA und AXELOS offen für alle sind, während PMI (Fach-)Abitur oder eine vergleichbare Ausbildung voraussetzt. Bei der IPMA-Einsteigerqualifizierung gibt es in Deutschland eine Erweiterung: Die GPM hat unterhalb des IPMA-Einsteigerlevels unter dem Begriff "Basislevel" ein weiteres Zertifikat auf den Markt gebracht und den Zertifizierungspfad damit von vier auf fünf Level erweitert. In Österreich gibt es ein ähnliches Basisangebot, das jedoch nicht als Teil des Zertifizierungspfades definiert ist.
Die International Project Management Association (IPMA®)
3 Mitgliedsgesellschafen im deutschsprachigen Raum
Die 1965 gegründete IPMA International Project Management Association, deren zentrales Sekretariat sich in den Niederlanden befindet, vereint als Dachverband derzeit etwa 70 Mitgliedsgesellschaften weltweit. Ursprünglich startete die IPMA als internationales Netzwerk für Projektmanagerinnen und Projektmanager 1996 begann sie mit ersten Zertifizierungsaktivitäten.
Im deutschsprachigen Raum gibt es drei Mitgliedsgesellschaften:
Der Mensch im Mittelpunkt
Die IPMA stellt ausdrücklich nicht die Methodik ins Zentrum ihrer Aktivitäten und Veröffentlichungen. Sie hat vielmehr den Menschen im Blick, bzw. seine für erfolgreiche Projektarbeit benötigten Kompetenzen, einschließlich Social Skills. Mit ihren Zertifizierungen will die IPMA nicht nur bestimmtes Wissen bescheinigen, sondern persönliche Kompetenz und damit die Eignung einer Person, bestimmte Projektmanagementaufgaben erfolgreich durchzuführen.
Die Individual Competence Baseline (ICB) als Standard
Das übergreifende Projektmanagement-Verständnis der in der IPMA organisierten Institutionen wird seit 1999 in der sogenannten IPMA Competence Baseline (ICB®) zusammengefasst und veröffentlicht. Es gibt sie in unterschiedlichen Aufbereitungen für Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement. Aktuell gilt die Version ICB®4, sie kann bei allen drei deutschsprachigen IPMA-Mitgliedsorganisationen kostenlos heruntergeladen werden. Hier die Links für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Die aktuelle Version ICB®4 wurde 2015 verabschiedet und nach und nach von den Länderorganisationen übernommen. Sie unterscheidet sich deutlich von ihren Vorgängerversionen. Mit breiter internationaler Mitgliederbeteiligung hatte man sich vor allem der Aufgabe gestellt, aktuelle Konzepte wie z.B. Agilität konsequent in das IPMA-Modell zu integrieren.
So formuliert die ICB4, was jemand können muss, um in einer Projektumgebung erfolgreich zu agieren, während das Wie – vor allem Regeln, Prozesse und Methodik – bewusst offenbleiben. Agile Teams, User Stories, Kanban-Boards, Daily Standup-Meetings – all diese Ansätze sind damit ebenso akzeptiert wie Netzpläne, Balkenpläne, Meilensteintrendanalysen oder Projektstatus-Meetings. Die Botschaft, dass die oder der Einzelne die Freiheit hat, die Umsetzung der Konzepte selbst zu gestalten, hat sich auch im Namen niedergeschlagen: Das I in ICB steht nun nicht mehr wie früher für IPMA, sondern für "Individual".
Guter Überblick der wichtige Aspekte außer Acht lässt
12.06.2019
Sehr geehrte Frau Wagner,
ganz herzlichen Dank für den an sich ausgezeichneten Überblick über drei wichtige (große) Zertifizierer im Projektmanagement. Ihr Artikel ist grundsätzlich fundiert und hilfreich, wenn man einen ersten Überblick über die drei wichtigsten Zertifizierer sucht.
In Ihrem Vergleich und ihren kritischen Anmerkungen fehlen mir persönlich drei Dinge, die sowohl in unserem Haus als auch bei unseren Kunden eine große Rolle spielen: der (hohe) zeitliche und finanzielle Aufwand zur Zertifizierung, die Frage der Re-Zertifizierung sowie die Frage der Praxisrelevanz.
Leider haben sie einen wichtigen Zertifizierer außer Acht gelassen, die mittlerweile fast 4000 ProjektleiterInnen in 125 Ländern zertifiziert hat: die IAPM (https://www.iapm.net). Die Zertifizierung der IAPM hat einige wichtige Vorteile, die alle von Ihnen genannten Anbieter nicht bieten können: sie ist fachlich fundiert und dennoch preisgünstig, kann von zuhause absolviert werden und verzichtet auf die teure Re-Zertifizierung. Letztere ist aus meiner Sicht reine Geldschneiderei. Wie an der Hochschule, die ja auch nicht rezertifiziert, genügt die rein fachliche Ausbildung auch im Projektmanagement nicht, sondern kann erst durch die tägliche Praxis und deren regelmäßige Reflexion (z.B. in einer Gruppe von Kollegen oder mit einem Coach oder Mentor) zur echten Kompetenz werden.
Wer nicht nur Fachwissen sondern auch echtes Können unter anderem im Bereich der sozialen und emotionalen Kompetenz erwerben will, sollte sich um eine Zertifizierung bemühen die diese Kompetenz einschließt, wie dies zum Beispiel bei Consensa der Fall ist (https://www.consensa.com/de/qualifizierung-training/zertifizierungen/ ).
Über eine Ergänzung Ihres Artikels zu den genannten Fragen würde ich mich freuen.
Mit herzliche kollegialen Grüßen,
Daniela Mayrshofer