Allein auf verlorenem Posten
Allein auf verlorenem Posten
Zuletzt habe ich Ihnen die ersten beiden Hauptfaktoren für das Scheitern von Projekten vorgestellt (schlechte Auswahl des Projektleiters, zu wenig Zeit für das Projektmanagement. In diesem Beitrag widme ich mich den anderen beiden Faktoren, nämlich mangelnde Unterstützung durch die Organisation und wenn diese von der Aufgabe überfordert ist.
Projekte und Linie in Konkurrenz
Hätten Sie's gedacht? Mehr als die Hälfte aller Schieflagen von Projekten haben ihre Ursachen nicht im Projekt selbst! Man kann dort also wohl an den Symptomen kurieren und sanieren, aber bei nächster Gelegenheit wird es wieder zu Problemen kommen.
Klassisches Beispiel für mangelnde Unterstützung: Der Projektleiter sucht Ressourcen für sein Projekt, bekommt aber nicht genügend und nicht die, die er von den Skills her braucht, sondern die gerade frei sind. Das sind dann oft nicht die Guten, denn die werden ja für Linienaufgaben gebraucht. Und wenn dort viel zu tun ist, werden auch den anderen wieder neue Prioritäten gesetzt...
Ein bedeutender Teil der Projektprobleme entsteht also aus einer mangelhaften Unterstützung durch die ausführende Organisation, was wiederum in der Projektkultur, dem Mindset des Managements und der etablierten Organisationsstruktur begründet ist.
Wo Abteilungen oder Werke ergebnisverantwortlich sind, werden übergreifende Projekte immer erst an zweiter Stelle kommen. Dumm nur, wenn das Unternehmen sein Geld mit Projekten verdient, wie etwa in den Branchen IT, Beratung, Maschinen- und Anlagenbau usw. Dann sind vielfach die Geschäftseinheiten recht profitabel, die Kundenprojekte aber nicht. Diese Unternehmen liefern Top-Qualität – nur oft halt nicht zum vereinbarten Meilenstein und im kalkulierten Budget.
Mangelhafte Organisation und Infrastruktur
Kein Projekt kann ordentlich performen, wenn es permanent Ressourcenprobleme bekommt, wenn die Zusammenarbeit und Kommunikation im Team, zwischen Team und Organisation und zwischen den Abteilungs-Silos untereinander – weil ungewohnt – nicht funktioniert, oder wenn die Kompetenzen des Projektleiters nicht seiner Verantwortung entsprechen.
In vielen Unternehmen fehlen zudem eingespielte, schnell greifende Prozesse für Entscheidungen, Eskalation, Risiko- und Change-Verfolgung usw. Manchmal ist nicht einmal eine ausreichende Infrastruktur für Projektarbeit wie z.B. Standards, Prozesse und Werkzeuge vorhanden. Der ganz auf sich gestellte Projektleiter gleicht dann einem Don Quixote, die Motivation für engagierte Projektarbeit rutscht bei den Mitarbeitern in den Keller und die Projektergebnisse sind entsprechend unbefriedigend.
Hausaufgaben machen!
Bevor man im Management also den Projektleiter eines Krisenprojekts zum Sündenbock macht, sollten Executives ihre ureigenen Hausaufgaben machen und kritisch prüfen, ob Projekte im Unternehmen die Rahmenbedingungen finden, um erfolgreich zu sein. Wenn das Geschäftsmodell dann noch projektgetrieben ist, bergen weitergehende Überlegungen (siehe meinen Beitrag "Passt Ihre Organisationsstruktur noch zu Ihrem Business??") zusätzlich enormes strategisches Potenzial.
Krisenursache Aufgabe
Gemeinhin wird der Aufgabe als Ursache für Probleme in Projekten ein großes Gewicht zugemessen. Beim Entstehen von Krisen spielen aber häufig andere Aspekte der Projektarbeit eine größere Rolle.
Abhängigkeit durch fehlendes internes Know-how
Stellen wir uns einmal ein Projekt vor, dessen Aufgabe außerhalb der Kernkompetenz des Unternehmens liegt, etwa ein IT-Projekt in einem Fertigungsbetrieb. Hier fehlt meist nicht nur das interne Know-how über das Projektprodukt, sondern zusätzlich auch die Erfahrung im Umgang mit dem externen Lieferanten oder Beratungshaus. Das Projektmanagement wird mit dem Gewerk zusammen gekauft und so liefert man sich allzu oft dem Lieferanten vollkommen aus, wenn man nicht auf der eigenen Seite einen guten Projektleiter als Regulativ hat.
Komplexität der Aufgabe
Oder sprechen wir einmal, statt über technisches Neuland, über die Komplexität des Projekts selbst. Da gibt es eine Vielzahl von Schnittstellen zwischen Abteilungen (Stichwort abteilungsübergreifendes Arbeiten), Lieferanten und Unterlieferanten, alle mit eigenem Projektverständnis, Organisationsgrad und evtl. Zuverlässigkeit. In jedem Fall weist das Projekt hohe Anforderungen an Kommunikation und Koordination auf.
Vielleicht gibt es außerdem auch Abhängigkeiten von anderen Projekten und untereinander. In internationalen Projekten potenziert sich diese mögliche Fehlerquelle evtl. noch durch verteilte und/oder virtuelle Teams, kulturelle Unterschiede und Arbeiten über Zeitgrenzen hinweg.
Und dann gibt es noch Projekte wie die vielen prominenten Beispiele, wo die Komplexität noch zusätzlich durch Politik, Interessen und Einflussnahmen bis zur Absurdität getrieben wird...
Projekt-Erfolg liegt in Management-Hand
Ich sagte ja schon: Es gibt eine ganze Reihe von Parametern, die, mangelhaft gemanagt, schnell dazu führen können, dass Projekte schiefgehen, weil sie von den Projektverantwortlichen unterschätzt werden. Dann ist bereits die Ausschreibung unzureichend, und wenn dann noch der Einkauf (mit dem Recruiting von Führungskräften beauftragt!) das Projekt billig aber unterqualifiziert (etwa nach Preisliste!) oder an wichtigen Stellen gar nicht besetzt, ist eine unheilvolle Spirale für Misserfolge bereits in Gang gesetzt.
Letztlich hängt der Projekterfolg auch maßgeblich von der Einstellung der Personen in der Entscheider-Etage ab. Nur wenn diese die Rolle, die Projekte in ihrem Unternehmen spielen, richtig einschätzt und entsprechend wertschätzt, kann das Projektmanagement in der Organisation erfolgreich sein. Dazu gehört das Aufstellen von Regeln, die festlegen, wie Projekte aufgesetzt, gestafft, durchgeführt und unterstützt werden.
Ich würde mir wünschen, dass das Management seine Gestaltungsmöglichkeiten beim Projektmanagement zukünftig mehr nutzt und als Hebel begreift, mit dem es den Unternehmenserfolg maßgeblich beeinflussen kann.
Uwe Velten
16.09.2016