Aufwandsschätzung von IT-Projekten: die 11 wichtigsten Irrtümer
Aufwandsschätzungen für IT-Projekte haben einen schlechten Ruf, da viele Projekte ihr Budget überziehen und große Verzögerungen gegenüber der ursprünglichen Schätzung aufweisen. Kay Schulz behauptet, dass nicht die Schätzmethoden schlecht sind, sondern dass vorgefasste Meinungen und festgefahrene Irrtümer von Auftraggebern, Auftragnehmer und Projektleitern gute Aufwandsschätzungen verhindern. Er stellt die seiner Erfahrung nach wichtigsten Irrtümer und Fehler zum Thema Aufwandsschätzungen vor und gibt jeweils Hinweise, wie sie überwunden werden können.
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Aufwandsschätzung von IT-Projekten: die 11 wichtigsten Irrtümer
Aufwandsschätzungen für IT-Projekte haben einen schlechten Ruf, da viele Projekte ihr Budget überziehen und große Verzögerungen gegenüber der ursprünglichen Schätzung aufweisen. Kay Schulz behauptet, dass nicht die Schätzmethoden schlecht sind, sondern dass vorgefasste Meinungen und festgefahrene Irrtümer von Auftraggebern, Auftragnehmer und Projektleitern gute Aufwandsschätzungen verhindern. Er stellt die seiner Erfahrung nach wichtigsten Irrtümer und Fehler zum Thema Aufwandsschätzungen vor und gibt jeweils Hinweise, wie sie überwunden werden können.
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Kommt Ihnen die folgende Szene bekannt vor?
Auftraggeber: "Wir wollen eine Software für unsere Kundenverwaltung. Was kostet das?" Anbieter: "Dazu brauchen wir mehr Details, eine Spezifikation oder die Anforderungen." Auftraggeber: "Naja, so grob werden Sie das doch einschätzen können." Anbieter: "200 Personentage, plus minus 30%." Auftraggeber: "Das ist zu hoch." Anbieter: "Ich kann auch weniger schätzen. Wie hoch soll es denn sein?" Auftraggeber: "Wie jetzt? Was soll das heißen?" Anbieter: "Solange ich nicht mehr Details weiß, ist es egal, was wir schätzen. Je nachdem, was wir schätzen, passt die Planung dann eben mehr oder weniger gut zu den künftigen realen Aufgaben und Aufwänden. Und für die gehe ich nach den mir vorliegenden Informationen von 200 Personentagen, plus minus 30% aus." Auftraggeber: "Dann muss ich mich am Markt nochmal umschauen."
Sie können sicher sein, dass der Auftraggeber einen Anbieter finden wird, der eine ihm genehme Schätzung abliefert. Aber genauso sicher ist, dass der Auftraggeber sich dann über viele Change Requests, Verzögerungen und Budgetüberschreitungen ärgern wird.
Das Dilemma mit den Aufwandsschätzungen
Die einführende Szene ist symptomatisch dafür, wie Aufwandsschätzungen in der Praxis behandelt werden. Weder Auftraggeber noch Auftragnehmer sehen sie als eine sorgfältig durchzuführende Aufgabe an, die dem Projektleiter die Basis für eine seriöse Projektplanung liefert. Vielmehr vermischen sie die Aufwandsschätzung mit nicht fachlichen Aspekten wie z.B. Preisverhandlungen. Das ist dann auch der Grund, warum Projekte, insbesondere IT-Projekte, meist empfindlich teurer werden als ursprünglich geplant. Es wäre falsch deswegen zu glauben, dass die Methoden der Aufwandsschätzung nichts taugen. Auch liegt es keineswegs in der Natur der Sache, dass IT-Projekte ihr Budget überziehen. Vielmehr verhindern grundlegende Managementfehler, dass Aufwandsschätzungen korrekt durchgeführt werden. Um zu genaueren Aufwandsschätzungen zu kommen, ist es nicht nötig, die Schätzmethoden zu verbessern – diese sind vollauf ausreichend. Vielmehr müssen als erstes weit verbreitete Fehleinschätzungen und Irrtümer beseitigt werden, die es unmöglich machen, Aufwandsschätzungen sorgfältig und neutral durchzuführen.
Im Folgenden stelle ich die meiner Erfahrung nach wichtigsten Irrtümer und Fehler zum Thema Aufwandsschätzungen vor und versuche jeweils, Hinweise zu geben, wie sie überwunden werden können.
Die elf wichtigsten Irrtümer der Aufwandsschätzung
Fehler 1: Auftraggeber setzen Aufwandsschätzung und tatsächlichen Arbeitsaufwand gleich
Der Kunde – egal ob intern oder extern – will am Anfang eines Projekts sofort wissen, wie lange es dauert und was es kostet, selbst dann, wenn noch nicht alle Anforderungen auf dem Tisch liegen. Sobald die Spezifikationen und Anforderungen bekannt sind, erwartet er sogar eine exakte Vorhersage der Aufwände, von der nicht abgewichen werden darf. Auftraggeber gehen intuitiv davon aus, dass das Projekt genau so abgearbeitet wird, wie geschätzt wurde und verstehen nicht, dass für das eine Arbeitspaket mehr Aufwand als geschätzt anfällt, für das andere dafür weniger. Überspitzt formuliert: Auftraggeber wollen als Auftragnehmer Propheten, die heute wissen, was im nächsten Jahr passiert.
Deshalb wollen Auftraggeber die geschätzten Aufwände drücken. Sie denken, dass dann auch die Durchführung billiger wird. Aber eine niedrigere Schätzung ändert nichts am tatsächlich notwendigen Aufwand, um eine bestimmte Leistung zu erbringen. Nehmen wir z.B. an, Sie wollen so schnell wie möglich mit dem Taxi von München nach Augsburg fahren. Deshalb nehmen Sie den Taxifahrer, der die Fahrzeit am niedrigsten schätzt, z.B. auf fünf Minuten, und nicht den Taxifahrer, der 30 Minuten geschätzt hat. Allerdings müssen Sie als Fahrgast jetzt damit leben, dass der Taxifahrer alle fünf Minuten einen Nachschlag fordert und sie wesentlich später ankommen werden als Sie auf Basis der Schätzung geplant hatten. Aufgrund der Zeit und Nerven kostenden Verhandlungen, der Verzögerung und dem gestiegenen Preis werden Sie mit diesem Taxifahrer nie wieder fahren wollen.
Dieses Beispiel soll zeigen, dass für die tatsächliche Arbeit die Aufwandsschätzung völlig egal ist. Die Schätzung dient nur der Planung von Zeit und Kosten. Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer sollten sich im Klaren darüber sein, dass sie den größten Nutzen von der Aufwandsschätzung und der darauf aufbauenden Planung dann haben, wenn diese möglichst nah an der Realität sind.
Wenn der Auftraggeber die vom Auftragnehmer geschätzten Aufwände auf dem Verhandlungsweg drückt, dann wird der Auftragnehmer bei einem Festpreisvertrag in seine Schätzung einen großen Puffer einbauen und im Vertrag klar definieren, welche Forderungen des Auftraggebers als berechtigter Claim und welche als Change Request anzusehen sind. Er schützt dadurch das knappe Projektbudget, da er nur die berechtigten Nachforderungen selbst tragen muss, der Kunde aber alle Change Requests bezahlen muss. Bei einem meiner Projekte bestand der Leistungsumfang am Ende zu 30% aus Change Requests, was meiner Ansicht nach viel zu viel ist, da damit sowohl der Verwaltungsaufwand im Projekt als auch die Reibungsverluste unangemessen steigen. Der hohe Anteil an Change Requests zeigt auch auf, wie wenig am Anfang an den Anforderungen gearbeitet wurde.
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